Und wieder einmal dreht sich alles um das viel beschworene «Timing». Kommt die Wende früher, kommt sie später, oder wächst die globale, in vielen Bereichen übersättigte Wirtschaft auf absehbare Zeit ohnehin kaum mehr? Wird der konjunkturelle Aufschwung, wie von den Auguren in Aussicht gestellt, bereits in den kommenden Wochen manifest? Oder lässt die vielstimmig herbeigeredete Wende vielmehr noch bis im Spätherbst, bis im Winter oder sogar bis weit ins nächste Kalenderjahr hinein auf sich warten? Mit Durchhalteappellen allein, so viel steht fest, lässt sich der ersehnte Aufschwung nicht herbeizwingen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die professionellen Spurenleser sind dazu übergegangen,
ihre Modellprognosen in immer kürzeren Abständen zu revidieren.


Bestand der Ehrgeiz der Prognostiker einst darin, die Wendepunkte im Konjunkturzyklus möglichst früh und präzise vorherzusehen, sind ihre Ansprüche inzwischen um einiges bescheidener geworden. Eine erhebliche Schwierigkeit bei der Konjunkturbeobachtung besteht nämlich darin, dass ausgerechnet einige der wichtigsten Indikatoren mit groben Messfehlern behaftet sind. Dies gilt etwa für die Höhe der Lagerbestände, die – obschon für eine Zustandsbeurteilung der Wirtschaft essenziell – in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als Residuum behandelt werden. Das heisst, die Messfehler sämtlicher anderen Aggregate spiegeln sich in diesem rechnerischen Restposten wider. Eine andere gravierende Schwachstelle betrifft das Erfassen der Kapazitätsauslastung. Wenn man sich vor Augen hält, dass die Unternehmer in einer rezessiven Phase oftmals selber nicht genau wissen, welche der stillgelegten Produktionsanlagen im nächsten Aufschwung wieder einsetzbar sein werden und welche veraltet und somit abzuschreiben sind, leuchtet die Problematik unmittelbar ein.

Seit der Abkehr vom naiven Konstrukt tendenziell gleich langer und damit vorhersehbar auf und ab schwingender Wellen sind die professionellen Spurenleser im Übrigen dazu übergegangen, ihre Modellprognosen in immer kürzeren Abständen zu revidieren. Mit quartalsweisen Updates rennen sie heute der Wirklichkeit hinterher und bemühen sich, ihr zukunftsgerichtetes Zahlenwerk der herrschenden Ungewissheit anzupassen.


Selbst dem Laien stösst irgendwann das Paradoxon auf, dass der
Wirtschaftsaufschwung in vier von fünf Fällen unmittelbar bevorstehen soll.


Symptomatisch für dieses Vorgehen ist die Tatsache, dass der Konjunkturaufschwung – glaubt man den jeweils aktuellen Vorhersagen – gleichsam stets hinter der nächsten Strassenecke zu lauern scheint. Ist dieser Punkt ein paar Monate später erreicht, so hat sich der flüchtige Hoffnungsschimmer allerdings schon wieder verzogen. Selbst dem ökonomisch unverbildeten Laien stösst irgendwann das Paradoxon auf, dass der Wirtschaftsaufschwung gemäss den hochkomplexen Modellen der Forschungsinstitute in vier von fünf Fällen unmittelbar bevorstehen soll.

So lassen die Auguren auch gegenwärtig wieder keinen Zweifel an der wenig überraschenden Prognose, dass die lahmende Konjunktur im Verlauf des zweiten Halbjahres endlich anspringen wird. Bei der kürzlich (Anfang Juni) erfolgten Aktualisierung der «Konjunkturtendenzen» konnte etwa auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nicht anders, als diese Hoffnung neuerlich zu bekräftigten. «Vorerst», liessen die Konjunkturbeschauer des Bundes konsequenterweise verlauten, müsse allerdings noch mit einem verhaltenen Wirtschaftsverlauf gerechnet werden. Für das Gesamtjahr 2002 rechnet das Seco mit einer durchschnittlichen Zunahme des Bruttoinlandprodukts (BIP) von einem Prozent, womit das Amt am unteren Rand des Prognosespektrums liegt.

Einen halben Prozentpunkt mehr Wachstum stellt uns derweil die BAK Konjunkturforschung Basel in Aussicht. Was die Exportleistung der Schweiz und die inländische Investitionstätigkeit angeht, nehmen die Auguren vom Rheinknie ihre im Frühjahr zur Schau gestellte Zuversicht inzwischen jedoch deutlich zurück. Unter Berücksichtigung der miserablen Werte im letzten Halbjahr, heisst es im Juni-Update der Basler, könne aus jetziger Sicht nicht mehr mit einem Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen in der Jahresendabrechnung gerechnet werden. Zentrale Voraussetzung für die von der BAK nach wie vor «ab Jahresmitte erwartete konjunkturelle Beschleunigung» seien die Impulse aus dem Ausland. Denn: «Wir sind optimistisch, dass die positiven Zeichen nicht täuschen und sich die USA auf einem nachhaltigen Wachstumspfad und die Eurozone sowie Japan zumindest auf dem Weg zur Besserung sind.» Glauben und Hoffen. Gewiss ist nur eines: Die nächste Prognoserevision kommt bestimmt.