Während in den meisten Teilen der Welt das säkulare Denken fast unangefochten vorherrscht, gilt bei den islamischen Bank- und Finanzgeschäften religiöses Recht. Das islamische Bank- und Finanzwesen versucht, das religiöse Gesetz des Islam (Scharia) in einem Bereich des modernen Geschäftslebens anzuwenden. Die Scharia prägt den islamischen Bank- und Finanzsektor. Dadurch entstand der zentrale Unterschied zum herkömmlichen Bankgeschäft, wie wir es beispielsweis in Europ kennen. Die Richtlinien der Scharia entstammen drei Hauptquellen: dem Koran (das heilige Buch des Islam), der Sunna (Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed) sowie der Idschtihad (Auslegung von qualifizierten Gelehrten).

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Was verboten ist

Wesentlicher Punkt ist die Festlegung der Bereiche, die halal (erlaubt) und haram (verboten) sind. Tätigkeiten im Bankwesen und Geschäftsleben sind haram, wenn Geld auf unzulässige Art und Weise eingenommen wird. Dazu gehören das Herstellen oder Verkaufen von Alkohol, Schweinefleisch, Pornographie, Waffen, Drogen, zinseinbringende Finanzprodukte und alles, was mit Wetten oder Glücksspiel zu tun hat. Riba, das arabische Wort für Wucher, wird im Koran und in der Sunna ausdrücklich als schwere Sünde bezeichnet. Deshalb sind auch Geschäfte, die Riba beinhalten, verboten. Festverzinsliche «risikolose» Anlageformen oder Renditen sind dem Wucher gleichgestellt.

Einem Muslim ist es deshalb nicht gestattet, Zinsen auszuschütten oder einzunehmen. Die Begriffe Riba und Zinsen sind gleich bedeutend. Eine Besonderheit des Islamic Banking ist die Aufsichtspflicht in Bezug auf die Einhaltung der Scharia. Jede Bank, die islamische Finanzdienstleistungen anbietet, besitzt ein Aufsichtsgremium oder einen Beratungsausschuss, dem ausgewählte islamische Gelehrte angehören, deren Meinung bei komplexen Finanzkontrakten oder Geldinstrumenten eingeholt wird. Dieses Scharia-Gremium oder der Beratungsausschuss prüft die Vereinbarkeit der Produkte mit den islamischen Grundsätzen.

Zu den bekannten islamischen Finanzierungsverfahren gehören:

- Muscharaka: Partnerschaft, das heisst, eine gemeinsame Unternehmung zur Durchführung von Geschäften wird ins Leben gerufen und der Gewinn wird gemäss einem festgelegten Schlüssel zwischen den Partnern aufgeteilt, während allfällige Verluste im Verhältnis zur Höhe der Beiträge aufgeteilt werden.

- Mudaraba: Eine Form der Partnerschaft, in der ein Geschäftspartner dem anderen Geld für eine geschäftliche Transaktion gibt. Die Investition stammt vom ersten Partner, Rab-ul-mal genannt, während für die Verwaltung und die Arbeit ausschliesslich der zweite (Mudarib) zuständig ist. Die erwirtschafteten Gewinne werden in zuvor festgelegter Weise aufgeteilt.

- Murabaha: Eine der am weitesten verbreiteten Formen der Finanzierung, die einer besonderen Variante des Verkaufs entspricht. Der Verkäufer erwähnt ausdrücklich die Kosten der von ihm erworbenen Ware und verkauft sie an eine andere Person, indem er einen Gewinn dazurechnet. So gilt Murabaha nicht als Darlehen, auf dem Zinsen erhoben werden, sondern als Verkauf einer Ware gegen Bargeld bzw. den später zahlbaren Preis.

- Salam: Der Verkäufer liefert dem Käufer bestimmte Waren zu einem späteren Zeitpunkt, erhält dafür aber einen zum jetzigen Zeitpunkt vollständig und im Voraus bezahlten Betrag. Dieser Preis wird demnach sofort bar bezahlt, aber die Lieferung der Waren erfolgt später.

- Istisna: Eine Verkaufstransaktion, bei der eine Ware gehandelt wird, bevor sie existiert. Es handelt sich also um den Auftrag an einen Hersteller, eine bestimmte Ware für den Käufer herzustellen.

- Idschara: Eine Form des Leasings und ein klassisches islamisches Finanzprodukt.

- Idschara-wa-iktina: Im Wesentlichen ein Miet-Kaufvertrag ähnlich wie die Idschara, ausser dass der Kunde sich einverstanden erklärt, die Ausrüstung am Ende der Vertragsdauer zu kaufen, und zwar zum zuvor ausgehandelten Preis. Die während der Vertragsdauer bezahlten Mietbeträge werden in den Kaufpreis einbezogen.

Islamic Banking ist global

Obwohl das Islamic Banking noch jung ist, wächst es aufgrund parallel erfolgter sozialpolitischer Veränderungen und des Wirtschaftswachstums kräftig. Es ist vor allem in der Golfregion, in Südostasien und in Europa sehr beliebt. Der aus dem Erdölgeschäft entstandene Wohlstand hat zum gestiegenen Interesse beigetragen und stützt das Wachstum der Industrie, hat dieses aber nicht ausgelöst. Gegenwärtig gehören dieser Branche rund 270 Banken an, deren Börsenkapitalisierung 16,1 Mrd Fr. übersteigt, während die Vermögenswerte auf über 329 Mrd Fr. und die Finanzinvestitionen auf über 496 Mrd Fr. geschätzt werden. Zudem verzeichnete das Islamic Banking in den vergangenen 20 Jahren ein jährliches Wachstum von ca. 15%, was in kaum einem anderen Bereich des Bankwesens je beobachtet wurde.

Angesicht der obigen Überlegungen, hat die Credit Suisse beschlossen, in der Schweiz, Grossbritannien und in Dubai eine Abteilung für Islamic Banking ins Leben zu rufen und scharia-konforme Dienstleistungen innerhalb ihres Netzwerks anzubieten. Dadurch stehen die Stärken der Credit Suisse den Kunden auf den lokalen Märkten zur Verfügung und das Islamic Banking kann interessierten Kunden weltweit angeboten werden.

Fares Mourad, Islamic-Banking-Experte, Credit Suisse, Zürich.

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Fachwort: Gharar - ein wichtiger und komplexer Begriff

Er bedeutet Ungewissheit, Zufall, Chance oder Risiko und bezeichnet im Wesentlichen:

- Den Verkauf eines noch nicht vorhandenen Gegenstands.

- Den Verkauf einer Sache, deren Folge oder Ausgang unbekannt ist.

- Einen Verkauf, der riskant oder vom Zufall abhängig ist, wobei niemand weiss, ob diese Situation wirklich eintrifft.

- Ein Ereignis, dessen Eintreffen dem Zufall überlassen und daher den Parteien einer Transaktion nicht bekannt ist.

- Ungewissheit.

- Ein Risiko, das mit grosser Wahrscheinlichkeit einen Streit bei den Vertragsparteien herbeiführt.