IT-Infrastruktur: Die Zeit drängt. Die Banken müssen ihre IT-Systeme ablösen. Anstatt alles selbst zu entwickeln, setzen immer mehr Institute auf Outsourcing oder Produkte ab Stange.
Der Schweizer Bankensektor durchläuft derzeit einen tief greifenden Wandel. Deutlich zeigt er sich im IT-Infrastrukturbereich, wo auf allen Ebenen nach Einsparpotenzial gesucht und an neuen Konzepten gearbeitet wird. Im Zentrum der Umwälzungen stehen die so genannten Kernbankenapplikationen, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben.
Eine Erneuerung ist überfällig. Schon zu lange wurde sie hinausgezögert: Vor allem weil die Internetjahre für völlig veränderte Prioritäten gesorgt haben und die IT-Plattformen vor und nach dem Jahrtausendwechsel eingefroren werden mussten. Jetzt kommt wieder Schwung, fast schon Hektik, in den Markt. Die Banken drängen auf eine Erneuerung. Denn die Altsysteme sind inzwischen eine Belastung geworden. Die beiden Hauptprobleme: Die Altlösungen kosten im Unterhalt viel zu viel Geld und können kaum mehr für die Abwicklung neuer Funktionalitäten «fit» gemacht werden.
Doch wohin soll die Reise gehen? Was sind die Alternativen zu den alten Rechenmonstern den meist in Cobol- oder PL/1-Code geschriebenen Softwaremonolithen, die seit den 70er Jahren auf IBM- oder Unisys-Mainframes ununterbrochen laufen? Es stehen den Banken grundsätzlich drei Wege offen klammert man die Beibehaltung der Altsysteme als Option einmal aus.
Individuelle Lösung
Der Weg Nummer eins führt vom Ansatz her zurück in die Vergangenheit und bedeutet das komplette In-house-Design der neuen Kernbankenapplikationen. Jeder CIO (Chief Information Officer), in dessen Brust das Herz eines Informatikers pocht, wird diesen Weg favorisieren, weil er damit das System genau nach seinen Wünschen entwerfen kann. Eine Lösung, die exakt auf die individuellen Masse der Bank zugeschnitten ist. Zweifellos eine verlockende, aber preziöse Option, denn die Anfertigung einer auf den Leib geschnittenen Kernbankenlösung verschlingt Kosten in der Höhe von 100 bis 500 Mio Fr. Und das Risiko ist immens, sich nicht nur finanziell, sondern auch funktionell völlig zu vergaloppieren.
Es gibt daher kaum mehr eine Bank, nicht einmal unter den Grossen, die noch auf das alleinige Total-Reingineering des Altsystems pocht. Die UBS beispielsweise hat sich in ganz spezifischen Teilbereichen für die Integration von Standardkomponenten ausgesprochen. Im Bereich der Kontoführung und der Wertschriftenverwaltung etwa, wo sie mit SAP und SDS kooperiert.
Eine ähnliche Entscheidung hat auch die Zürcher Kantonalbank gefällt, die im Bereich der Kontoführung ebenfalls mit SAP-Software arbeiten will, im Wertschriftengeschäft jedoch mit dem Schweizer Lieferanten Avaloq gemeinsame Sache macht.
Damit der Einbau einzelner Fertigprodukte überhaupt möglich ist, brauchen die Banken eine auf Modularität getrimmte Grundarchitektur, an der sowohl Eigenentwicklungen wie auch Fremdapplikationen angeschnallt werden können, ohne ein Schnittstellenchaos auszulösen.
Es ist denn auch exakt dieses technische Fundament, das die meisten grossen Banken noch immer selbst legen wollen und auch müssen, denn bis heute gibt es schlicht kein Produkt ab Stange zu kaufen, das diese Grundfunktionalitäten abdeckt.
Für diesen Mittelweg zwischen «Make» und «Buy» haben sich bisher meist grössere Bankenkonstrukte entschieden. Neben der UBS und der Zürcher Kantonalbank (ZKB) sind es etwa auch die Raiffeisen-Banken.
Man muss nicht alles selber machen
Der zweite Weg führt dorthin, wo sich andere Branchen längst befinden, nämlich in Richtung Anwendungen ab Stange. Die Überlegung: Genauso wenig, wie es einem Industriebetrieb in den Sinn käme, seine Lagerverwaltung und Finanzbuchhaltung selbst zu schreiben, sollen Banken noch zum Programmierwerkzeug greifen. Doch der Vergleich hinkt. Eine Bank ist durch und durch IT. Nähme man ihr die Computer weg, wäre sie keine Bank mehr. Das ist einer der Gründe, warum sich integrierte Bankenpakete vergleichbar mit ERP-Suiten in der Industrie noch nicht flächendeckend durchgesetzt haben.
Bei kleineren Banken sind sie aber längst Realität. Gemäss einer Studie von Accenture (Satisfaction Survey of Integrated Banking Packages 2001/2002) arbeiten 80% der Schweizer Finanzinstitute inzwischen mit Gesamtpaketen. Traditionell sind es Produkte von Gemeinschaftsunternehmen, an die etwa Kantonal- oder Regionalbanken die Entwicklung und den Betrieb ihrer IT-Lösungen delegiert haben. Diese meist genossenschaftlich organisierten Verbände funktionierten lange sehr gut. Basisdemokratische Verhältnisse herrschten, entsprechend lang aber waren die Entscheidungswege. Wenig erstaunlich deshalb, dass die Produkte der Swisscom IT Services (ehemals AGI), Unicible, RBA und anderen computergeschichtlich in die Steinzeit gehören.
Gesamtbankenpakete bieten aber auch unabhängige Softwareanbieter an. Die auf Privatbankenlösungen spezialisierte ERI Bancaire beispielsweise soll gemäss der Accenture-Studie in der Schweiz auf einen Marktanteil von 20% kommen. Das Unternehmen beschäftigt in Genf rund 500 Personen und zählt 250 Installationen weltweit. Es ist damit eines der grössten Schweizer Softwareunternehmen überhaupt. Noch grösser ist Temenos, ein anderes Genfer Unternehmen, das sich nach dem Absturz an der Börse langsam wieder nach oben rappelt und weltweit 500 Installationen zählt.
Ein drittes Unternehmen, das momentan stark im Kommen ist, ist die bereits erwähnte Zürcher Softwareschmiede Avaloq. Sie stiehlt momentan allen andern die Show. Innert weniger Monate gewann sie Prestigekunden wie Bank Sarasin, Pictet, ZKB und Bank Linth. Sie zählt mittlerweile rund 15 Kunden. Ungewöhnlich ist, dass die Lösung von sehr unterschiedlichen Banken mit entsprechend anderen IT-Bedürfnissen nachgefragt wird von der Boutique bis zur grossen Retailbank.
Als relativ neuer Player will sich SAP als Bankpaket-Anbieter in der Schweiz positionieren bisher allerdings mit wenig Erfolg. Das hängt auch damit zusammen, dass SAP bei den Bankern ein Imageproblem hat und kein vollständiges Angebot aufweist. Im Grunde genommen kann SAP nicht als Gesamtpaketanbieter betrachtet werden. Wer SAP einbauen will, muss deshalb zusätzliche Anbieter ins Haus holen was die Integration teuer und komplex macht. Kommt hinzu, dass SAP zwei unterschiedliche Produktlinien verkauft, eine für Grossbanken und eine für kleinere Banken.
Auf Partnersuche
Den dritten Weg beschreiten Banken, die im Zuge der Erneuerung ihrer Kernsysteme sämtliche für den Bankbetrieb nötigen Applikationen mithin bis zu ganzen Prozessen bei einem Dienstanbieter beziehen möchten. Dieser Weg bedeutet den radikalsten Einschnitt ins Selbstverständnis einer Bank und ist auch mit massiven internen Veränderungen verbunden. Die Entscheidung der Zuger Kantonalbank etwa, den ganzen Geschäftsprozess des Handels über die Privatbank Maerki Baumann abzuwickeln, war mit einem Abbau von 25 Stellen am Zuger Sitz verbunden.
Das Businessprozess-Outsourcing, wie es die Zuger Kantonalbank vormacht, stellt die extremste Form der Auslagerung dar. Deutlich weniger weit geht beispielsweise die Regionalbank Bank Linth. Sie hat sich entschieden, die Gesamtbankenlösung von Avaloq einzuführen, will diese aber nicht selber betreiben. Diesen Job soll nun die Firma Telekurs übernehmen. Deren Ziel ist klar: Die Avaloq-Lösung soll möglichst vielen anderen Banken zur Verfügung gestellt werden.
Gleiches Szenario schwebt auch dem US-Outsourcing-Giganten CSC vor, der in der Schweiz massgeblich die neue Kernbanken-Lösung der Zuger Kantonalbank aufgebaut hat. Die Zuger Lösung, mit einigen SAP-Komponenten gespickt, soll nun als so genannte «Swiss Banking Plattform» auch anderen Banken schmackhaft gemacht werden.
Es ist anzunehmen, dass in Zukunft weitere Outsourcing-Anbieter auf den Markt kommen werden. Anzunehmen ist auch, dass endlich vermehrt Impulse aus der Verbundsszene kommen.
Lehrgeld bezahlt
Den Banken stehen verschiedene Wege offen. Früher oder später werden sie sich für eine der ausgeschilderten Richtungen entscheiden. Diejenigen Banken, die ihre Entscheidung bis jetzt hinausgeschoben haben, sind bisher nicht schlecht gefahren. Die Zuger Kantonalbank musste für ihren frühen Strategieentscheid viel Lehrgeld bezahlen und würde heute womöglich eine andere Richtung einschlagen.
Andere wiederum, die sehr früh auf den damaligen Nobody Avaloq gesetzt haben, sehen ihr Risiko belohnt, indem sie sehr günstig zu einem neuen Gesamtpaket gekommen sind, auf das nun immer mehr Banken springen und welches das Potenzial aufweist, sich als Standard in der Schweiz zu etablieren. Doch die Würfel sind noch längst nicht gefallen. Branchenexperten sind sich einig, dass der Entscheidungsfindungsprozess noch zwei, drei Jahre anhalten wird.
Nachgefragt: René Meier
«Die IT-Kosten haben in kleinen und mittleren Banken inzwischen die Schmerzgrenze überschritten.»
René Meier ist Managing Director der Finance Forum Management AG, die das Finance Forum organisiert. Die Messe an der Schnittstelle zwischen Informatik und Finanzindustrie findet am 4. und 5. November zum dreizehnten Mal im Zürcher Kongresshaus statt. Zum Programm gehören die Banking-Today-Seminarreihe und drei Managementseminare.
Rund 170 Aussteller werden im Zürcher Kongresshaus neue IT-Lösungen für die Finanzbranche präsentieren. Am 2. November findet im Vorfeld des Finance Forum in der Zürcher Innenstadt ein Sponsorenlauf statt. Die Einnahmen kommen brandgeschädigten Kindern zugute.
Wie wirken sich die Kosten- und Ertragsprobleme der Banken auf das Finance Forum aus? Sie prägen das Finance Forum vor allem in zwei Bereichen. Zum einen sind das Themen, die wir am Management-Seminar und in den Banking-Today-Referaten behandeln. Möglichkeiten zur Senkung der IT-Kosten stehen dabei im Vordergrund. Das Finance Forum steht dieses Jahr unter dem Motto «Der Finanzplatz Schweiz im Windkanal». Diese Analogie zur Formel 1 soll zeigen, dass es zurzeit um die Reduktion des Luftwiderstandes geht, das heisst um die Optimierung der Geschäftsprozesse sowie der IT-Anwendungen zwecks Kostensenkung. Aber auch Themen wie Kundenorientierung, Vertriebskanäle sowie Customer-Relationship-Management wird grosse Aufmerksamkeit geschenkt, denn langfristig lassen sich die Erträge nur durch geeignete Massnahmen in den Bereichen Kundenbetreuung und Produktegestaltung steigern. Den zweiten Bereich bildet das wachsende Bedürfnis nach Information und Know-how aus erster Hand.
Was bewegt die Banken im Bereich der Informationstechnologie derzeit am meisten? Wie erwähnt, suchen die Banken zurzeit primär nach Möglichkeiten, ihre Kosten zu reduzieren. Die IT-Kosten haben in kleinen und mittleren Banken die Schmerzgrenze überschritten speziell in einer Zeit, in der die Erträge nicht mehr allzu üppig fliessen. Diese Kosten lassen sich nicht durch punktuelle Massnahmen reduzieren. Radikale Schritte sind nötig. Der Leidensdruck bei den Banken erhöht die Bereitschaft, die Wertschöpfungskette aufzubrechen und zu kooperieren. Investitionen werden vermehrt auch in die Sicherheit und Verfügbarkeit der IT-Systeme getätigt. Auch Basel II zwingt zu höheren Investitionen.
Aus welchen Bereichen der Banken-IT-Branche ist die Nachfrage nach Ausstellungsplätzen besonders gross? Sämtliche Ausstellungsplätze waren bereits im Frühling dieses Jahres ausgebucht. Der Beirat des Finance Forum, der aus acht Banken- und Versicherungs-Vertretern sowie den Vertretern der Partnerfirmen besteht, hatte daher die Möglichkeit, die Aussteller gezielt auszuwählen, um sicherzustellen, dass nur Gesellschaften vertreten sind, die über ein für Banken relevantes und interessantes Angebot verfügen. Wir sind dabei bemüht, sämtliche Bereiche der Banken-IT abzudecken. Es versteht sich von selbst, dass sich die Aussteller am Markt orientieren und ihr Lösungsangebot entsprechend den Bedürfnissen anpassen. Insofern werden heute den Finanzinstituten eher Lösungen mit Kostensenkungspotenzial als Lösungen mit unklarer Rendite und hohen Kosten verkauft.
Was ist neu am Finance Forum im Vergleich zu den vergangenen Jahren? Die wichtigste Neuigkeit ist unsere neue Internetplattform meetex. Dank meetex ist es den Besuchern erstmals möglich, direkt über das Internet mit mehr als 300 Experten unserer Aussteller Gesprächstermine zu vereinbaren.
Wir wollen damit den Austausch von Know-how und das Networking zwischen Kunden sowie Anbietern vereinfachen und fördern. Auch wird die Effizienz gesteigert, da sich unsere Besucher direkt mit den Experten am Finance Forum treffen können. (did)