Sie wohnen im Mobimo Tower im Trendquartier Zürich-West. Ein bevorzugter Ort von Digital-Unternehmern?

Ivo Furrer: Wir wohnen hier, weil wir die Umgebung und die Aussicht geniessen und hier viel los ist. Und weil man innert Minuten in der Zürcher City ist.

Ivo Furrer war jahrelang Chef von Swiss Life Schweiz. Er sitzt in Verwaltungsräten wie Julius Bär oder Helvetia. Dieser Tage gab er das Präsidium bei der Standortinitiative DigitalSwitzerland ab. Sein Nachfolger ist Sascha Zahnd, ehemaliger Tesla-Spitzenmanager.

Sie waren jahrelang Präsident der Bewegung Digital Switzerland. Doch in Ihren Gestellen stehen Büroordner. Wie passt das?

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Da hats Dokumente von früher drin, zudem Liegenschaftspläne, Ausbildungsunterlagen. Aber klar: Das allermeiste ist digital. Seit Jahren lese ich Medien nur noch digital, selbst das Jassen spielt sich im Internet ab (lacht).

Sie verfolgen die Digitalisierung im Land seit 10 Jahren. Corona hat offengelegt, wie desaströs es um die Digitalisierung beim Staat steht. Überrascht?

Nicht wirklich. Wir haben uns bei meinem damaligen Arbeitgeber Swiss Life schon vor 9 Jahren damit beschäftigt. Uns war klar: Das Kundenverhalten verändert sich massiv, entsprechend auch unsere Offering. Und wenn man die besten Talente anheuern will, muss man bei der Digitalisierung vorneweg sein. Der Staat hinkt da leider Jahre in einigen Gebieten hinterher.

Eben.

Aber: Die Erkenntnis, dass man Aufholpotenzial hat, ist beim Bund vorhanden. Und dass es mutige Schritte gerade im Gesundheitswesen braucht, ist auch klar. Ich bin zuversichtlich.

«Alle drei Bundesräte haben längst die Notwendigkeit der Digitalisierung erkannt»

Wieso?

Weil sich etwas tut. Bundeskanzler Walter Thurnherr ist damit betraut, die Digitalisierung beim Bund voranzutreiben. Er kennt die Herausforderungen und den Weg. Und es gibt im Bundesrat einen Ausschuss mit drei Bundesräten, die sich um diese Fragen kümmert.

Es sind Guy Parmelin, Alain Berset und Ueli Maurer. Nicht unbedingt Digital Natives.

So würde ich das nicht sagen. Ich hatte früher regelmässig Kontakt mit dem Innendepartement von Herrn Berset. Dabei gings um das Thema Berufliche Vorsorge in der Schweiz. Bereits da spielte die Digitalisierung schon eine Rolle. Und glauben Sie mir: Alle drei Bundesräte haben längst die Notwendigkeit der Digitalisierung erkannt. Gerade Ueli Maurer - aber nicht nur er - hat digitalswitzerland in der Vergangenheit immer wieder stark unterstützt. Der Bundesrat weiss auch, dass grosser Nachholbedarf besteht.

Ihr Traum für die digitale Schweiz?

Eine digitale Landesausstellung, ohne grosse Bauten. Ein riesiger Digital-Anlass, sozusagen «von unten» getragen und mitgestaltet und deshalb die Bevölkerung berührt und begeistert.

«Digital Switzerland hat innert kurzer Zeit unglaublich viel Power entwickelt.»

Das Highlight Ihre Präsidialzeit?

Die Entwicklung des Digitaltags. 2017 war der Startschuss, 2020 hat der Tag wegen Corona voll digitalisiert stattgefunden. Da haben sich bis zu 200 000 Leuten eingeloggt und mitgemacht. Wichtig war auch die Fusion mit ICT, dem Verband der IT-Branche.

Fusion? Das war eine Übernahme.

Nein, eine Fusion. Es ging darum, die Kräfte zu bündeln. Entsprechend haben wir die Gremien paritätisch zusammengestellt. Franz Grüter, der damalige Viizepräsident von ICT, kenne ich schon viele Jahre. Man hat sich relativ schnell gefunden und anerkannt, dass Digital Switzerland innert kurzer Zeit unglaublich viel Power entwickelt hat und dass es klug wäre, die Kräfte zu bündeln. Der Vorteil von Digital Switzerland war sicher, dass die Bewegung breiter aufgestellt ist. Da gehören NGOs dazu, Hochschulen, Firmen, Kantone, der Bund.

«Es wird immer Leute geben, die skeptisch sind.»

Und der Tiefpunkt war die Ablehnung der Digital-ID?

Wir haben diese Abstimmung verloren, da gibts es nichts zu diskutieren. Und wir haben Fehler gemacht, auch in der Kommunikation. Wir schafften es nicht, den Unterschied zwischen einer ID und einem Login klar zu machen. Die Gegenseite hat diese Schwäche ausgenutzt und immer wieder gesagt, wir stimmten über ein amtliches Dokument ab, das von Privaten herausgegeben werde. Das haben wir zuwenig gekontert.

Es ging um ein digitales Login. Trotzdem zeigt das Nein auch die Skepsis gegenüber dem Digitalen.

Es wird immer Leute geben, die skeptisch sind. Doch für mich heisst das klar: Wir müssen die Bevölkerung mitnehmen, Ängste abbauen. Das ist eine Frage der Kommunikation, unseren sorgfältigen Umgang mit Daten, um die Realisierung von unseren 8 Schwerpunkten, darunter Bildung/lebenslanges Lernen, Cypersecurity und Unterstützung von Startups.

Das elektronische Patientendossier wird eine nächste Herausforderung.

Dabei haben wir grad in der Pandemie gesehen, was mit Daten alles möglich ist. Dänemark oder Israel haben es vorgemacht. Allerdings sind dies zwei Beispiele, die zentralisch durchgesetzt wurden. In der föderalen Schweiz ist das etwas schwieriger.

«Wir müssen stärker auf die KMUs zugehen.»

Was ist zu tun?

Wir müssen ständig den Zusatznutzen erklären und gleichzeitig den Aufwand reduzieren. Wenn sich die Ärzteschaft über einen Mehraufwand beklagt, weil man Dokumente raufladen muss, ist das ernst zu nehmen. Also brauchen wir eine technische Lösung, die das Handling einfacher macht.

Wo stehen die KMUs in der Digitalisierung? Hat da Digital Switzerland genug gemacht?

Digital Switzerland hat viele KMUs abgeholt, aber noch zu wenige. Wir müssen sie besser einbinden, etwa über die Initiative Cyber Security gehen. Da lancierten wir ein Label, an dem sich KMUs orientieren können.

Sind die KMUs fit genug?

Ich mach mir weniger Sorgen um die Grossen, UBS, Swisscom oder ABB. Diese werden die Digitalisierung meistern. Ich mache mir aber Sorgen um jene KMUs, die knapp ausgestattet sind und plötzlich von einem Startup, das sich in die Lieferkette setzt, ausgebremst werden. Indem das Startup eine Dienstleistung besser, schneller, billiger oder unkomplizierter macht. Dieser Vorgang kann innert wenigen Monaten stattfinden und ein Geschäftsmodell, das 40, 50 Jahre funktionierte, aushebeln. Weil der Distanzschutz wegfällt und man ein Produkt oder eine Dienstleistung aus dem Ausland anbieten kann.

Wie kann man den KMUs helfen?

Wir müssten ihnen eine Früherkennung anbieten. Wo tut sich was, was rollt an, wo gibts Konkurrenz. Damit man sich gegen diesen Angriff wappnen und die eigenen Stärken – Kundennähe – mit einem digitalen Offering ergänzen kann. Das heisst für Digital Switzerland: Wir müssen stärker auf die KMUs zugehen.