Wer glaubt, die Geschichte der IWC-Armbanduhren mit dem wohlklingenden Namen Da Vinci beginne im Jahr 1985, der irrt gewaltig. Richtig ist hingegen, dass damals – noch in Basel, und nicht wie heute am SIHH in Genf – die Geburtsstunde einer vielbeachteten Mechanikinnovation und eines echten Bestsellers schlug. Bei Ersterer handelt es sich um ein ewiges Kalendarium mit Indikation der kompletten Jahreszahl und problemloser Einstellmöglichkeit über die Krone, ersonnen und konstruiert vom kreativen Schaffhauser Chef-Uhrmacher Kurt Klaus. Der spontane wie anhaltende Verkaufserfolg resultierte aus der Tatsache, dass IWC diese neuartige Komplikation, gepaart mit dem bewährten Automatik-Chronographen Valjoux 7750, zu einem damals sensationell günstigen Preis ab 14750 Fr. in Gelbgold offerierte.



Interessant ist zudem zu wissen, dass die Branche zur Basler Messe 1985 insgesamt 15 immerwährende Kalendarien offerierte. Jenes von IWC schoss damals jedoch den Vogel ab.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der dunkle Fleck im Reinheft



Aber aufgepasst: Trotz der intelligenten Kalender-Features handelte es sich keineswegs um die erste Da Vinci aus der Stadt am Rheinfall. Der «Launching Carrier» des altehrwürdigen Namens findet sich im Jahre 1970. Und – genau genommen – zog er irgendwie auch jene finanziellen Probleme nach sich, welche 1978 zum Verkauf der IWC an die deutsche VDO-Gruppe führten. Gemeint ist die Ende der 1960er Jahre beginnende Quarz-Revolution am Handgelenk.

Dazu nur so viel: Bereits 1962 hatte Roger Wellinger, der Direktor des soeben in Neuenburg gegründeten Centre Électronique Horloger S.A. (CEH), erklärt, dass das Hauptproblem nicht primär in der Verwirklichung der elektronischen Uhr liege, sondern vor allem in ihrer wirtschaftlichen Herstellung: «Eine elektronische Uhr für 150 Dollar, das ist zu teuer: Die Leistung besteht nicht im Prinzip, das klassisch und herkömmlich ist, sondern in der Miniaturisierung. Es muss möglich werden, eine elektronische Uhr zu einem volkstümlichen Preis von 60 bis 75 Dollar herauszubringen.» Dieses Faktum sollte den Verantwortlichen der schweizerischen Uhrenindustrie in den 1970er Jahren tatsächlich viele schlaflose Nächte bereiten. Am CEH, auf die Beine gestellt mit einem Startbudget von 1,232 Mio Fr., hatten sich neben der Fédération Horlogère, der Asuag (Allgemeine Schweizerische Uh-renindustrie) und der Ebauches S.A. 16 Uhrenfirmen beteiligt, darunter auch die IWC. Die Aufgaben bestanden in der Realisierung eines preislich akzeptablen Serien-Quarzwerks. Unter dem Siegel grösster Geheimhaltung trafen 1967 beim Observatorium Neuenburg zehn Prototypen zur Prüfung ein. Mit einer zwölfmal höheren Präzision übertrafen sie spontan alle mechanischen Konkurrenten. Gleichzeitig geprüfte Seiko-Quarzwerke mussten sich ebenfalls geschlagen geben.

Auf dieser ermutigenden Grundlage setzte das CEH seine Arbeiten fort. Am 10. April 1970 lud die Interessengemeinschaft «Beta» mit ihren Marken Bulova, Credos, Ebel, Eberhard, Elgin, Enicar, Favre Leuba, IWC, Jaeger-LeCoultre, Juvenia, Longines, Omega, Patek Philippe, Piaget, Rado, Synchron, Universal, Zenith und Zodiac zu simultan abgehaltenen Pressekonferenzen in Basel, New York und Tokio. Thema: Verkaufsbeginn der ersten 1000 Armbanduhren mit dem Quarz-Kaliber Beta 21, Oszillatorfrequenz schon damals überholte 8.192 Hz, denn der aktuelle Standard von 32.768 Hz war bereits Realität.

Einen Monat später lancierte die amerikanische Hamilton Watch Company ihre digitale Pulsar mit Lichtemissionsdioden. Sie ebnete den Weg zur preisgünstigen Quarzuhr, der späteren Domäne fernöstlicher Billigfabrikanten.

Aus dem Quarz geboren



Doch zurück zur IWC, «der einzigen Uhrenfabrik im Nordosten der Schweiz», wie Präsident Hans E. Homberger im Vorwort des Generalkatalogs 1974 schrieb. Das grosse, rechteckige Beta 21, von IWC kurz c.2001 genannt, umfing die voluminöse, bewusst unrund geformte Gehäuse-Referenz 9500. IWC selbst titulierte diese Da Vinci, von der insgesamt rund 600 Exemplare entstanden, als «Spitzenprodukt unter den Quarz-Armbanduhren». In der IWC-Geschichte ist denn auch nachzulesen: «Als wir diese IWC im Frühjahr 1970 an der Basler Uhrenmesse vorstellten, wurde sie in Fachkreisen als eine der hervorragendsten Gestaltungsleistungen bezeichnet. Die Uhr hat so viel Persönlichkeit, dass sie die neue Schmuckuhrenkollektion der IWC beeinflusste.» Die Quarzuhr war wasserdicht, geschaffen in den drei Varianten 18 Karat Gelbgold, 18 Karat Weissgold oder Platin. Hinzublättern waren damals 8500 Fr. für die Version in Gelbgold, 9750 Fr. für jene in Weissgold und 45000 Fr. für das Platin-Modell.

Damit allein hatte sich das Thema Da Vinci für IWC aber noch nicht erledigt. Mit den Referenzen 4181, 4182, 4183 und 4184 (SL) offerierte die Schaffhauser Manufaktur weitere nicht runde Armbanduhren, in denen jedoch das kleine Form-Handaufzugskaliber c.412 (13,5 x 17,3 x 3,5 mm) die Zeit bewahrte.

Im Zusammenhang mit dem 1974 vorgestellten Quarz-Kaliber c.2002, einer Modifikation des Beta 21, verschwand dann aber der Name Da Vinci von der Bildfläche.

Ein Thema «con variazioni»



Zur Renaissance der Da Vinci kam es 1985. Nun in Rund, mit beweglichen Bandanstössen, reduziert auf das Wesentliche, ausgestattet mit dem Kaliber 7906 und gestalterischen Merkmalen, welche dieser Armbanduhr das Zeug zum echten Klassiker verschafften. Auf Anhieb war dieses Modell so erfolgreich, dass IWC eine vielfältige Kollektion mit unterschiedlichsten Uhrwerken kreierte.

Die nunmehr 22 Jahre währende Erfolgsgeschichte erschwert den Abschied von der Da Vinci ungemein. Wer IWC und den Namen des genialen Italieners hört, verknüpft damit beinahe zwangsläufig diesen Publikumserfolg.

So gesehen ist die Entscheidung, jahrzehntelang bewährte Pfade zu verlassen und 2007 eine völlig andersartige Da-Vinci-Linie aus der Taufe zu heben, mehr als mutig. Aber Marken-CEO Georges Kern hat auf Nachfrage eine durchaus plausible Erklärung parat: «Im Vergleich zur Ingenieur, zur Fliegeruhr, zur Portofino oder zur Portugieser besitzt unsere Da-Vinci-Linie keine eigentliche DNA. Genau genommen handelt es sich seit nunmehr fast 40 Jahren um eine Art Konzept-Armbanduhr.»

Ergo besitzt auch die dritte Da-Vinci-Generation wahrhaft polarisierende Elemente. Entweder sie gefällt auf Anhieb – oder sie wird wohl nie überzeugen. Diese Perspektive haben die Produktverantwortlichen von IWC bei der Kreation des markant tonneauförmigen Gehäuses, welches gewisse Ähnlichkeiten zur Ur-Da Vinci nicht verbergen kann, ganz bewusst in Kauf genommen. Für sie war die Zeit der runden, bauchigen Referenz 3750 samt ihrer verschiedenartigen Derivate schlichtweg abgelaufen.

Evolution stand daher nicht zur Debatte. Das Gebot für die nächsten Jahre lautet ganz einfach Revolution. Eine gestalterische Synthese der Disziplinen Architektur, Maschinenbau und Farbenspiel, wie Guy Bove sein schöpferisches Werk beschreibt. Georges Kern sekundiert: «Es handelt sich um das mit Abstand komplizierteste Gehäuse von IWC, gefertigt im Hause IWC für die IWC.»

Der König ist tot, es lebe der König



Damit der Abschied nicht ganz so schwer fällt, hat sich IWC zu einem «soft clipping» entschlossen, einer Hommage an den legendären Meister-Uhrmacher Kurt Klaus, dem das spektakuläre Kalenderwerk zu verdanken ist. Ihm zu Ehren gibt die Manufaktur eine limitierte Serie nach dem Motto «Neu mit alt» heraus. In der kantigen Zukunftsschale tickt das vielfach bewährte Kaliber 79261 mit immerwährendem Kalendarium. 500 Exemplare stehen in Rotgold zur Verfügung, dazu je 50 Stück in Weissgold (nur für IWC-Boutiquen) und Platin. Alle eint eine Bodengravur mit dem Bild des 72-Jährigen, der seit einem halben Jahrhundert in den Diensten des Unternehmens steht, sowie seine Unterschrift auf dem Zifferblatt.

Uhrmacherische Komplikationen sind nicht jedermanns Sache. Deshalb wartet IWC von Anbeginn mit einer Basis-Version auf, die jeden Tag aufs Neue gross erscheinen lässt. In der Referenz IW4523 mit Rotgold-, Weissgold- oder Stahlgehäuse steckt das Automatikkaliber 30130 mit Grossdatum, das Insider auch unter der Bezeichnung ETA 2896 kennen.

--



Da Vinci Chronograph: Ebenso traditionell wie auch innovativ



Mechanisches Wunderwerk: Die vorläufige Krönung der neuen Da-Vinci-Kollektion stellt zweifellos der Chronograph IW 3764 dar. Ihn beseelt das Automatikkaliber 89360, welches auf eine vierjährige Entwicklungszeit zurückblicken kann. Mit dem Manufakturkaliber 8000 hat dieser Newcomer nichts zu tun. Das zeigt sich schon am Fehlen des sogenannten Pellaton-Aufzugs. Er wurde substituiert durch ein Klinkensystem zur hoch effizienten Umwandlung der kinetischen Energie des stossgesicherten Schwermetall-Rotors in ein Energiepotenzial. Und zwar in beiden Drehrichtungen. Die Gangautonomie beträgt unabhängig vom Schaltzustand des Chronographen mindestens 68 Stunden.

Der Schöpfer: Für die Neukonstruktion mit integriertem Schaltrad-Stopper zeichnete vorwiegend Stefan Ihnen (34) verantwortlich. Der deutsche Uhrmacher-Ingenieur setzte konsequent auf eine Mixtur aus Tradition und Moderne. Erstere äussert sich etwa im Schaltrad zur Steuerung der zeitschreibenden Funktionen und einer funktionssicheren Schwingtrieb-Kupplung, bekannt vom Kaliber Valjoux 7750. Durch ein neuartiges Chrono-Zentrumsrad mit insgesamt 240 speziell geformten Zähnen konnte IWC den berüchtigten Startsprung des Chronographenzeigers weitgehend eliminieren. Darüber hinaus hat IWC beim 89360 auf einen ausgewogenen Haushalt der Kräfte geachtet. Der eingeschaltete Chronograph entzieht Energie über den Kupplungsmechanismus, der angehaltene zehrt durch die Friktion des dann abgekoppelten Zählermechanismus das etwa gleiche Quantum. Das stabilisiert die Amplitude der Glycydur-Unruh mit vier aussenliegenden Masselotte-Schrauben bei rund 280 Bogengraden. Das Duo, zu dem eine frei schwingende Anachron-Flachspirale gehört, ist auf eine Frequenz von stündlich 28800 Halbschwingungen einreguliert.