Es war schon länger absehbar, jetzt ist es offiziell: Der amerikanische Coworking-Space-Gigant WeWork strebt an die Börse. Es wäre einer der grössten IPOs in diesem Jahr. Der Konzern aus New York ist bis zu 47 Milliarden Dollar wert.
WeWork wurde 2010 in New York gegründet und wäre nach Lyft, Pinterest und Zoom ein weiterer milliardenschwerer Börsenneuling aus den USA. Der Konzern betreibt fast eine Million Quadratmeter Büroflächen an rund 560 Locations in 86 Städten beziehungsweise 32 Ländern.
WeWork scheint die Freiberufler und Startups dieser Welt durch die Lage der Coworking-Spaces, durch eine kreative Umgebung und ein dynamisches Umfeld anzuziehen. Die Welt spricht über WeWork, auch jetzt beim geplanten Börsengang.
Grösser, aber weniger Wert
Kaum bekannt und weitaus weniger auf dem Radar der Startups und Kreativen dieser Welt ist hingegen der Konkurrent aus der Schweiz: IWG, ursprünglich eine britische Gründung, hat seinen Steuersitz in Zug. Der Konzern betreibt mit den Marken Regus, Spaces, No18, Basepoint, Open Office und Signature weltweit knapp 3300 Standorte mit flexiblen Arbeitsplätzen, Coworking-Spaces und Business-Centers. Die Bürofläche beträgt insgesamt mehr als 4,6 Millionen Quadratmeter.
Letztlich hat IWG das grössere Netzwerk als WeWork und macht im Gegensatz zu seinem amerikanischen Mitbewerber auch Gewinne. Trotzdem kommt der Schweizer Büroflächenbetreiber nur auf einen Börsenwert von rund 3,5 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr gab es immer wieder Übernahmegerüchte. Das sorgte für eine Berg- und Talfahrt beim IWG-Aktienkurs. Der Titel sackte teilweise über 20 Prozent ab. Auch am Dienstag – nach Bekanntgabe des WeWork-IPOs – verlor die Aktie.
Gegründet wurde IWG von Mark Dixon, einem in Monaco ansässigen Engländer. Er hatte 1989 in Brüssel die ersten Büroräumlichkeiten vermietet. Die weltweite Expansion des Konzerns hat Dixon reich gemacht.
WeWork versus IWG
Doch warum soll WeWork über zehn Mal mehr wert sein als IWG? Im Vergleich zu IWG mit den Marken Regus oder Spaces sieht sich WeWork nicht als Immobilienunternehmen, sondern als Lifestyle-Brand. WeWork tummelt sich im Fahrwasser und dem Zeitgeist der amerikanischen Tech-Buden wie Uber oder Airbnb. «Es ist die perfekte Kombination von Entertainment und Tech», sagt WeWork-Kollaborateur und Schauspieler Ashton Kutcher in einem Interview mit CNBC. Und fügt an: «WeWork ist nicht einfach eine Software, die man auf den Markt wirft. Es ist eine Community. Das gibt ihnen Macht.»
Die Amerikaner bieten grosse, offene und stilvoll eingerichtete Coworking-Spaces, die besonders bei Startups Anklang finden. Das Tempo, mit dem WeWork neue Flächen eröffnet, kostet aber auch viel Geld: Deshalb strebt WeWork nun einen Börsengang an, um weiteres Kapital für die Expansion aufzunehmen.
Arbeitsplätze werden zunehmend geteilt. Dieser weltweite Trend hat auch die Schweizer erfasst und nimmt verschiedene Formen an: Das bekannteste Modell ist Coworking: Startups, Freiberufler oder etablierte Unternehmen nutzen die gleichen Arbeitsräume, Infrastruktur und Services. Teil des Trends sind aber auch «Business Centers», in denen sich Unternehmen Arbeitsplätze oder ganze Räumlichkeiten dazumieten, oder «Shared Offices», in denen mehrere Firmen eine Bürogemeinschaft bilden. Heute belegen Coworking und die verwandten Angebote nach Schätzungen von Marktführer Regus/Spaces 80'000 Quadratmetern – das ist zwar nur ein verschwindend kleiner Teil der gesamten Schweizer Bürofläche. In den nächsten Jahren dürfte das Angebot aber stark wachsen.
Gewinnmarge von bis zu 60 Prozent
WeWork ist hungrig und will das Geschäft weiterhin kräftig ausbauen. Obwohl ein Arbeitsplatz mit Schreibtisch teilweise so viel kostet wie eine kleine Wohnung, scheint das Konzept in den Städten anzukommen. Die Gewinnmarge solle je nach Stadt zwischen 40 und 60 Prozent betragen, schreibt das Startup-Portal «Gruenderszene».
Im vergangenen Jahr hat sich WeWork eine Handvoll Standorte in Deutschland geschnappt, darunter zwei in der Hauptstadt Berlin. Offensiv geht aber auch der israelische Konkurrent Mindspace in Deutschland vor.
IWG muss Gas geben
Das setzt auch den Schweizer Konkurrent IWG unter Druck. Unter den Marken Regus und Spaces betreibt die Schweizer Tochter des internationalen Konzerns 29 «Business Centers» und Coworking-Spaces in der Schweiz.
Schweiz-Chef Gerry Gürtler sagte im Interview mit der «Handelszeitung» im vergangenen Oktober: «WeWork soll nur kommen – das treibt den Markt an.» Er relativierte damals auch den Vergleich zwischen WeWork und IWG. «Man kann diese beiden Bewertungen nicht miteinander vergleichen. Wir sind ein börsenkotiertes Unternehmen, WeWork hat sich über Investoren und Bonds finanziert.»
Barbara Josef, Gründerin von 5 to 9 und Co-Autorin der Studie «Coworking aus Unternehmenssicht», macht Unternehmen fit für das digitale Zeitalter. Im «Handelszeitung»-Podcast spricht sie über flexiblere Arbeitsformen und über die Aufbruchstimmung in der Schweizer Wirtschaft.
Schweizer Markt noch nicht so umstritten
Das gilt vor allem für den internationalen Markt. In der Schweiz hingegen ist IWG Marktführer bei Coworking-Spaces. Und wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Ob WeWork in die Schweiz kommt, ist nicht bekannt. Zahlreiche internationale Anbieter haben Respekt vor einem Markteintritt in die Schweiz. Die Investitionen sind hoch. «Ein Ausbau in der Schweiz kostet beispielsweise drei Mal mehr als in Deutschland», sagt Gürtler.
Im einem grossen Report besuchten die «Handelszeitung»-Redaktoren Andreas Güntert, Stefan Mair und David Torcasso die Coworking-Spaces in der Schweiz. Ein Augenschein vor Ort gibt es hier.
Inbesondere in Europa wird sich der Kampf der Coworking-Betreiber, der sich auch in den Preisen niederschlagen wird, noch weiter zuspitzen. In den USA ist WeWork die unangefochtene Nummer Eins. Das wollen sie auch in Europa werden. IWG kann ihnen nur die Stirn bieten, in dem sie eine Community schafft, der es nicht nur um einen Büroplatz geht, sondern eben – um Lifestyle.
IWG (Regus) ist der grösste Konkurrent von WeWork - und hat den Sitz in der Schweiz. Lesen Sie hier im Interview, wieso der Schweizer Regus-Chef Garry Gürtler keine Angst vor dem US-Rivalen hat.