Jamaika steht eigentlich für ein entspanntes Lebensgefühl. Doch die Aussicht auf eine gleichnamige Koalition in Berlin macht Euro-Anleger eher nervös. Dabei ist gar nicht das Grün das Problem, wie man meinen könnte, sondern das Gelb: Denn die FDP ist mit einem Wahlprogramm angetreten, das eine tiefere finanzpolitische Integration der Europäischen Union und einen Schuldenerlass für Griechenland kritisch sieht.

Anleger befürchten bei einer Regierungsbeteiligung der FDP schwere Zeiten für den Euro: «Nun beurteilt der Markt aber eine weitergehende fiskalische Union als einen Weg, weiterhin bestehende langfristige systemische Risiken des gemeinsamen Währungsraumes zu mildern», bringt es Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann auf den Punkt. Der Euro rutschte am Montag zeitweise unter die Marke von 1,19 Dollar. Gleichzeitig stiegen die Risikoaufschläge für südeuropäische Staatsanleihen.

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«Überzeugte Europäer»

Die Liberalen bezeichnen sich als «überzeugte Europäer», fordern aber institutionelle Reformen für mehr Transparenz und Effizienz in der EU. Die europäische Integration soll durch ein «Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten» vereinfacht werden. «Die FDP steht zwar für eine starke EU, doch einer weiteren Integration wird man bei den Liberalen keinen Freifahrschein ausstellen», sagt Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. Ein langsamerer Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit könnte sich aber langfristig als Nachteil für die Währungsunion entpuppen.

Der französische Präsident verfolge die Entwicklung in Deutschland besonders aufmerksam, sagt Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. «Am Dienstag will Emmanuel Macron seine Vorschläge zur Vertiefung der Eurozone unterbreiten. Diese Vorschläge werden damit zum Inhalt der Koalitionsverhandlungen. Dann wird sich zeigen, ob die französisch-deutsche Achse in Fragen der Weiterentwicklung der Euro-Zone und der Rettung hoch verschuldeter Euro-Staaten weiter geschlossen vorangeht.»

Kommt der Grexit doch noch?

Der Frage nach der Zukunft Griechenlands kommt dabei besondere Bedeutung zu. Im FDP-Wahlprogramm heisst es, Staaten sollten «nach einem geregelten Verfahren aus dem Euro-Währungsgebiet austreten können, ohne ihre EU-Mitgliedschaft zu verlieren». Elga Bartsch, Volkswirtin der US-Bank Morgan Stanley, beschreibt folgendes Szenario: «Die FDP könnte darauf bestehen, dass Griechenland im Austausch für einen Schuldenerlass die Euro-Zone verlässt.» Auch Dennis Etzel, Berater beim Vermögensverwalter NFS, hält das für denkbar. «Interpretiert man die Forderungen der FDP in Reinform, nimmt die FDP mit dem daraus unvermeidlichen Austritt einiger Länder aus dem Euro grössere Turbulenzen an den Finanzmärkten in Kauf.»

Griechenland hat seit Beginn der Schuldenkrise rund 270 Milliarden Euro an Hilfen erhalten. Die Frage nach einer Entlastung des Mittelmeer-Anrainers ist aber noch offen. Unterdessen denken italienische Oppositionsparteien laut über die Einführung einer Parallel-Währung nach, um ihr Land langfristig vom Euro unabhängig zu machen. In Italien wird im Frühjahr 2018 das Parlament neu gewählt.

UBS-Vermögensverwalter sieht Chancen für den Euro

Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg Bank, hält den Pessimismus für überzogen: «In der Europapolitik erwarte ich eine gewisse Lernphase der FDP. Jamaika wird Herrn Macron in Frankreich nicht scheitern lassen.» Auch die Experten des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock äussern sich verhalten optimistisch. «Berlin hat sich prinzipiell offen gezeigt für die Idee, den europäischen Rettungsfonds ESM in einen Europäischen Währungsfonds zu verwandeln.»

Auch Mark Haefele, Chef-Anleger der UBS-Vermögensverwaltung, sieht in einer Jamaika-Koalition Chancen für den Euro. «Die Präsenz der FDP in der Regierung könnte zu einem stärkeren deutschen Druck für Haushaltsdisziplin in den Peripherieländern führen, was für die Währung langfristig positiv wäre.» Björn Jesch, Leiter des Portfoliomanagements beim Vermögensverwalter Union Investment, hält einen Reformschub für möglich. «Aber der Beweis hierfür muss erst einmal angetreten werden.»

(reuters/ccr)

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