BILANZ: Frau Broccoli, Herr Wilson, Sie haben unlängst das 50-Jahr-Bond-Jubiläum gefeiert. Doch in der Geschichte der Filme gab es immer wieder Zwangspausen – unter anderem von 1989 bis 1995, als Sie einen neuen 007 finden mussten. Haben Sie je befürchtet, dass das Unternehmen Bond ein Ende hat?

Barbara Broccoli: Nein. Solange unsere Familie und unsere Firma Eon Productions die Filme produzieren wollen, so lange wird es sie geben. Es gibt natürlich externe Faktoren, die Probleme und Verzögerungen mit sich bringen – wie zuletzt der Konkurs des Studios Metro-Goldwyn-Mayer, das die zweite Hälfte der Rechte kontrolliert. Aber unsere einzige Sorge ist es: Will das Publikum einen neuen Bond sehen? Doch bis jetzt war diese unbegründet. Die Leute lieben die Figur, haben eine positive Erwartungshaltung. Unsere Aufgabe besteht also darin, Filme zu drehen, die einem hohen Standard entsprechen. Wenn das der Fall ist, werden sie ihr Publikum finden.

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Alles ist also eine Frage der Qualitätskontrolle?

Michael Wilson: Qualitätskontrolle klingt so nach Fliessbandproduktion.

Wie würden Sie es ausdrücken?

Wilson: Es ist ganz wichtig, die richtigen kreativen Mitstreiter zusammenzubringen. Noch bevor wir einen Regisseur anheuern, arbeiten wir mit Autoren am Drehbuch – das kann locker eineinhalb Jahre dauern. In dieser Phase klinken wir uns ganz besonders ein, und wir spielen alle möglichen Ideen durch, bis wir endlich eine erste Skriptfassung haben.

Gibt es Strategien für die Geschichten, die Sie entwickeln lassen?

Broccoli: Die Autoren und wir gehen von zwei Grundfragen aus. Die eine lautet: Welche Themen bewegen derzeit die Menschen? Was sorgt für Ängste? Und die zweite ist: Welche emotionale Entwicklung macht Bond durch? Als wir «Casino Royale» produzierten, war zum Beispiel das Thema Terrorismus besonders akut, und so jagte Bond bei uns die Financiers von Terroristen.

Wilson: Wenn wir Inspiration suchen, dann greifen wir eben immer auf die Romane von Ian Fleming zurück. Das sagen wir auch unseren Autoren.

In den letzten Jahren arbeiteten Sie zunehmend mit Autoren und Filmemachern, die einen Oscar haben. Darunter Paul Haggis («Crash») und jetzt «American Beauty»-Regisseur Sam Mendes. Soll Bond jetzt Kultur werden?

Broccoli: Wir suchen einfach nach guten Mitstreitern, das heisst nach Geschichtenerzählern, die mit den Grössendimensionen dieser Produktion genauso fertig werden wie mit der dramaturgischen Aufbereitung der Geschichte. Die Tatsache, dass diese Filmemacher Preise erhielten, bestätigt einfach nur ihren Rang. Auch die Regisseure der früheren Filme, etwa Terence Young oder Lewis Gilbert, die Bond-Klassiker wie «Liebesgrüsse aus Moskau» beziehungsweise «Der Spion, der mich liebte» schufen, hatten Format.

Ein Sam Mendes ist aber doch ein anderes Kaliber.

Broccoli: Natürlich sind wir mit ihm sehr glücklich. Zumal er auch mit Roger Deakins einen der besten Kameramänner der Branche mitbrachte. Wobei wir uns ursprünglich nicht vorstellen konnten, dass sich Deakins dafür begeistern würde. Es war Daniel Craig, der ihn ansprach, und es stellte sich heraus, dass er ein riesiger Fan war. Deakins war wie ein Zwölfjähriger. Bond macht offenbar alle Männer zu Kindern. Ganz entscheidend für die Qualität eines Bond-Films sind aber die Leidenschaft und das Engagement des gesamten Teams. Jeder strebt nach Perfektion – vom Requisiteur bis zum Effektspezialisten, denn jeder weiss, dass das Resultat seiner Arbeit für immer Bestand haben wird. Daher versuchen wir, den nächsten Film besser zu machen als die vorherigen.

Das sagt jeder. Was tun Sie dafür?

Broccoli: Eine Voraussetzung dafür ist, dass wir Risiken eingehen. Unser Vater hat uns etliche Ratschläge gegeben, aber der wichtigste war: «Ihr müsst mutig sein und Risiken eingehen. Das wird nicht immer funktionieren, ihr werdet Fehler machen. Aber das Entscheidende ist, dass ihr diejenigen seid, die sie machen, und niemand anders.» Und das ist einer der Gründe, weshalb die Serie so lange gehalten hat. Wir haben uns nicht davor gefürchtet, riskante Entscheide zu treffen. Hätten wir uns zu stark an eine Formel geklammert, hätte sich die Serie nicht weiterentwickeln können.

Bei den Regisseuren setzten Sie allerdings bislang nicht auf die grossen Individualisten. Ein Quentin Tarantino hat sich öffentlich beklagt, dass er keinen Bond-Film drehen dürfe.

Wilson: Er hat nie mit uns direkt gesprochen. Ich halte ihn auf jeden Fall für einen grossartigen Filmemacher. Ob er für uns der geeignete Kandidat ist, das kann ich nicht beurteilen. In jedem Fall heuern wir nur jemand an, der die Bond-Tradition würdigt. Aber wir haben jetzt mit Sam Mendes einen fantastischen Regisseur für «Skyfall», und er ist der einzige Regisseur, über den ich jetzt sprechen kann.

Welche Risiken sind Sie denn eingegangen?

Broccoli: Dass wir eine Frau zu Bonds Chefin machten. Das war die Idee von Bruce Feirstein, dem Autor von «GoldenEye», der sie Regisseur Martin Campbell vorschlug. Beide waren sehr unsicher, ob wir das mögen würden, aber wir hatten nur eine Bedingung: dass die richtige Schauspielerin dafür besetzt würde. Wir wollten keine Karikatur. Die Casterin Debbie McWilliams brachte dann ihrerseits Judi Dench ins Spiel, und sofort war klar, dass das die ideale Besetzung war. Durch ihre Beteiligung wurde aus dem Verhältnis zwischen Bond und seiner Vorgesetzten eine sehr komplexe, vielschichtige Beziehung.

Welche neuen Ideen für einen Bond-Film haben denn nicht funktioniert?

Wilson: Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich alle schlechten Dinge vergesse. Barbara muss mich dann daran erinnern.

Sie haben offensichtliche Kurswechsel in der Serie vorgenommen. Mit Absicht?

Wilson: Natürlich. Das Problem, wenn du dich immer zu übertreffen versuchst, ist, dass du die Filme immer grösser machst. Das ist uns speziell bei den Roger-Moore-Filmen passiert, wo wir mit «Moonraker» im Weltall landeten. Wir begriffen, dass wir wieder mehr Realismus brauchten. Und nach «Stirb an einem anderen Tag» mit Pierce Brosnan wies Barbara zu Recht darauf hin, dass die Filme wiederum zu fantastisch geworden seien. Daher machten wir als Nächstes «Casino Royale», der sich stärker mit Bonds persönlichen Problemen beschäftigte.

Ihre Budgets steigen dennoch wieder. Der letzte Bond «Ein Quantum Trost» kostete die Rekordsumme von 230 Millionen US-Dollar.

Broccoli: Das kommt davon, dass du bestimmte Standards einhalten willst. Und die Preise steigen nun mal grundsätzlich. Die Frage ist weniger, wie viel ein Film kostet, sondern, ob dieses Geld auch auf der Leinwand zu sehen ist. Unser Vater sagte immer: «Es kommt darauf an, wie ihr es ausgebt.» Natürlich ist dieser Spagat, die bestmöglichen Filme mit einem vernünftigen Budget zu machen, nicht einfach. Es wird immer schwieriger.

Wie schwierig ist es, von Ihren Studiopartnern grünes Licht für diese Budgets zu bekommen?

Broccoli lacht in sich hinein.

Wilson: Wir müssen eben vorsichtig vorgehen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Sie holen überdies aggressiv Sponsoren an Bord.

Broccoli: Aber das geschieht sehr organisch. Bond-Schöpfer Ian Fleming schilderte in seinen Büchern detailliert die Dinge in der Welt von 007 – die Drinks, die Autos, die Uhrenmarken. Bond geniesst das Leben, weil er jede Sekunde tot sein könnte. Und das haben wir in die Filme übertragen: Er fährt Aston Martin, er trinkt Bollinger-Champagner und Wodka Martini ...

Tauscht er Letzteren im neuen Film nicht gegen Heineken-Bier?

Broccoli: Bond trinkt seit 15 Jahren Heineken – so lange arbeiten wir mit der Firma zusammen. Aber irgendwie hat sich in der Presse die Ansicht verbreitet, dass er dafür seinen Wodka Martini aufgeben würde. Und das ist nicht der Fall. Das Einzige, was er inzwischen bleiben lässt, ist das Rauchen. Und das ist gut so.

Eine Methode, um die Einnahmenseite anzukurbeln, wäre es, in 3-D zu drehen. Haben Sie das schon erwogen?

Wilson: 3-D funktioniert sehr gut für Fantasy und Sciencefiction, und ich sehe so etwas gerne im Kino. Doch unsere Filme haben auch Elemente von Drama, Thriller und Krimi. Wir mögen es, nah an die Charaktere heranzugehen und schnell zu schneiden. Das funktioniert in 3-D nicht so gut. Die Zuschauer bekämen davon nur Kopfschmerzen.

In den letzten Jahren gab es immer mehr Konkurrenz durch andere Agentenfilme wie die «Bourne»-Serie oder «Mission: Impossible». Haben Sie Angst, dass diese Konkurrenz Ihnen das Wasser abgräbt?

Broccoli: Diese Art von Wettbewerb ist positiv. Es ist wichtig, dass die Leute ins Kino gehen und gute Filme sehen, denn dann wollen sie mehr davon. Ich bin froh, dass es diese anderen Produktionen gibt.

Wilson: Wobei sich Bond mit diesen anderen Agentenfilmen nicht vergleichen lässt. Er ist ein anderer Charakter.

Sehen Sie denn irgendwelche Gefahren?

Wilson: Bond ist ein Familienbetrieb. In unserer Firma arbeiten teilweise schon die Enkel unserer ersten Mitarbeiter. Die Vorteile davon sind offensichtlich. Aber es besteht eben auch die Gefahr, dass die Leute selbstzufrieden werden und so ihre kreative Energie verlieren.

Die Bond-Chefs: Barbara Broccoli (52) ist die Tochter des 1996 verstorbenen Produzenten Albert Broccoli, Michael Wilson (69) ist dessen Stiefsohn. Gemeinsam leiten die beiden das Unternehmen Eon Productions, das zusammen mit den Studios Metro-Goldwyn-Mayer die Filmrechte an der Agentenfigur hält.