Ohne Koffeinkick kann die Schweizerin nicht. Und der Schweizer ebenso wenig. 975 Tassen Kaffee werden hierzulande jährlich pro Kopf konsumiert. Weltmeisterlich.
Aus diesem Verhalten will die Migros ein Geschäftsmodell machen. Die Genossenschaft Migros Zürich (GMZ) lanciert unter der Marke Ezycup einen Testlauf für eine Kaffee-Flatrate. Motto: Einmal bezahlen, unbeschränkt Kaffee trinken.
Bei der GMZ bestätigt eine Sprecherin den Flatrate-Testlauf, der im Oktober mit einer ausgewählten Zahl an Nutzerinnen und Nutzern beginnen soll: «Im Zeitalter von Netflix, Spotify und Co. bevorzugen viele Kundinnen und Kunden für die regelmässige Nutzung von Diensten, Services und Produkten eine unkomplizierte Flatrate statt einzelner Kaufentscheide.» Zwei Wochen Kaffee sowie andere Heissgetränke wie Tee, Punsch oder Milchgetränke im Abo sollen 39 Franken kosten, das vierwöchige Abo gibt es für 75 Franken. Gültig ist das Angebot in allen Restaurants und Take-aways der Migros Zürich, insgesamt sind das 35 Standorte.
Das Pricing erstaunt auf den ersten Blick. Wer bei diesem Modell nur schon täglich einen Cappuccino bezieht, hat die Kosten längst vor Abo-Ablauf wieder eingespielt. Noch erstaunlicher: Während moderne Flatrates darauf beruhen, bei der Kundschaft möglichst viele Daten abzusaugen und so deren Verhalten zu scannen, funktioniert Ezycup noch weitgehend analog. Flatrate-Kunden beziehen ihren Kaffee mittels Abokarte. Das Migros-Loyalitätsprogramm Cumulus, ein veritabler Datenschlürfer, kommt beim Ezycup-Testlauf nicht zur Anwendung.
«Der Cappuccino läuft zwar auf die Flatrate, dafür aber kommt es zu einem Gipfeli- oder anderem Gebäckverkauf, der sonst nicht stattgefunden hätte.»
Gastro-Experten vermuten, dass der orange Riese mit Ezycup seinen Migros-Restaurants einen Extrakick geben will. Aufgrund des Homeoffice-Trends schwächeln die Restaurants aktuell. Einen weiteren Treiber sieht Severin Bischof, vormaliger Handelsforscher an der Uni St. Gallen und Postdoc-Researcher an der Copenhagen Business School: «Solche Programme zielen oft darauf ab, Frequenzen zu steigern und Zusatzverkäufe zu realisieren. Der Cappuccino läuft zwar auf die Flatrate, dafür aber kommt es zu einem Gipfeli- oder anderem Gebäckverkauf, der sonst nicht stattgefunden hätte.»
Flatrate mit Einschränkungen
Bei der GMZ macht man daraus keinen Hehl: «Natürlich schwingen bei solchen Projekten immer auch Überlegungen bezüglich zusätzlicher Frequenzen und Umsätze mit.» Beim Flatrate-Pilotprojekt gehe es aber vielmehr darum, «Einblicke und Erkenntnisse zum Kundenverhalten von morgen zu gewinnen». Das ist aufgrund der analogen Testanlage aktuell wohl nur beschränkt möglich. Für die geplante Ausweitung auf weitere Standorte in der ganzen Schweiz werde aber eine App mit weiteren Funktionen erstellt.
Eine paneuropäische Premiere ist die Kaffee-Flatrate der Migros nicht. Letzten Sommer lancierte das Startup Bonaverde in Berlin die Kaffee-Flatrate Urban Coffee Club. In kurzer Zeit konnten dafür über hundert Verkaufspunkte als Partner gewonnen werden. Gemäss dem Online-Magazin «Gründerszene» rasselte Bonaverde Ende 2019 aber in die Insolvenz; damit versank auch die Kaffee-Flatrate.
Sharing ist nicht drin
Damit müssen Migros-Kunden und -Kundinnen wohl nicht rechnen. Aber wie bei jeder Flatrate lohnt sich auch bei Ezycup ein Blick aufs Kleingedruckte. Um Kampftrinkerei vorzubeugen, ist die Anzahl Gratisgetränke «auf ein bis zwei Kaffees beziehungsweise Heissgetränke pro Einkauf beschränkt». Und: Bis auf wenige Ausnahmen sind die meisten der 35 Standorte nur von Montag bis Samstag geöffnet. Das Thema «Sharing» ist im Testmodell ebenfalls nicht drin; das Abo ist nicht übertragbar und nur zur persönlichen Nutzung gedacht.
Wobei man das Thema bei der Migros offenbar schon weiterdenkt, wie aus den Bedingungen hervorgeht: Bei einem Ausbau des Pilotprojekts werde es «voraussichtlich möglich sein, deine Freunde auf einen Kaffee einzuladen».