Im November hat Joseph S. Blatter seinen grossen Auftritt in der Höhle des Löwen: im House of Lords zu London. Eingeladen durch Lord Lyell, seines Zeichens Deputy Speaker of the House of Lords, spricht der lange Zeit heftig umstrittene Fifa-Präsident über die völkerverbindende und friedensstiftende Wirkung des Fussballsports. Der 67-jährige Blatter ist auf einer Goodwill-Tour, die er selber als «Politik der Öffnung» bezeichnet. Mit dabei: die Präsidentin der FDP des Kantons Zürich, Doris Fiala, eine enge Freundin des Fussballmagistraten.
In erster Linie geht es diesem in London darum, das ramponierte eigene Image aufzubessern. Und dies scheint zu gelingen. Die illustren, persönlich geladenen fünfzig Gäste applaudieren dem Walliser frenetisch. Auch jene, die dem Fifa-Präsidenten bis vor kurzem noch vorgeworfen haben, er sei ein «Sonnenkönig», der sich mit nicht ganz legalen Mitteln an der Macht im Schaltzentrum auf dem Sonnenberg in Zürich halte und seine Entourage verköstige. Grösster Widersacher unter den Anwesenden ist David Will, Vizepräsident der Fifa und im letzten Jahr noch einer der härtesten Kritiker des Wallisers.
Die Affäre liegt erst gut ein Jahr zurück – doch in London scheint sie an jenem Tag weit entfernt. Im Frühling vergangenen Jahres hatte der damalige Fifa-Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen seinem Präsidenten und langjährigen Mentor vorgeworfen, er lasse aktiv in der Rechnung schummeln. David Will präsidierte eine gegen Blatters Willen eingesetzte «interne Ad-hoc-Buchprüfungskommission», die der Sache nachgehen sollte. Am Ende wurde die Kommission von Blatter gestoppt, und die Vorwürfe Zen-Ruffinens erwiesen sich als unbeweisbar. Blatter wurde nach Ablauf der ersten Amtszeit wiedergewählt. Doch ein Makel blieb an ihm haften.
«Sepp» Blatter scheint sich jetzt auch davon befreien zu können. Der von Blatter in seiner Rede herzlich begrüsste und namentlich erwähnte David Will erklärt wenig später am «President’s Roundtable» zum zurückliegenden «Fall Blatter»: «I had no idea that we had been so wrongly informed by the General Secretary.»
Ein Jahr vor dem 100-Jahr-Jubiläum der Fifa, die dieses mit Pomp begehen wird, hat «Sepp» Blatter seine Rehabilitierungstournee zur ihm notorisch wenig wohlgesinnten angelsächsischen Fussballgemeinschaft klug angelegt. Neben dem Auftritt im House of Lords hat er vier so genannte «President’s Roundtables» seit Januar im Drei-Monats-Rhythmus veranstalten lassen, allesamt im feinen Londoner Hotel Metropolitan. Bisherige Gastredner: Erziehungsminister Charles Clarke, BBC-Generaldirektor Greg Dyke und David Dein, Vizepräsident des Fussballklubs Arsenal London.
Mit Letztgenanntem verbinden Blatter übrigens besondere Geschäfte. Dein ist Stiftungsratspräsident des Theatre Investment Fund, einer Stiftung, welche die Theater in Londons Unterhaltungsmeile West End finanziert. Blatter hat beim Treffen im House of Lords David Dein hochoffiziell eine Fifa-Spende in der Höhe von 50 000 Pfund zukommen lassen. «In einem kleinen Couvert», so Blatter – in Anspielung auf Bestechungsvorwürfe bei seiner Erstwahl.
Im Gegenzug hat sich Deins Theatre Investment Fund verpflichtet, in Grossbritannien die 100-Jahr-Feier der Fifa mit verschiedenen Aktivitäten würdig zu begehen. Die Patronate dazu sind bereits vergeben. An Bord sind unter anderem Lord Richard Attenborough und Oscar-Gewinnerin Dame Judy Dench.