Die Global Players müssen den Jura-CEO Emanuel Probst belächelt haben, als er sich Anfang der 90er Jahre anschickte, die Jura Elektroapparate AG von der traditionellen Alleskönnerin in Sachen Haushaltgeräten zur Spezialistin für teure Kaffeemaschinen umzuwandeln. Dabei hatte der damals unter 40-jährige Unternehmer dasselbe im Sinn wie die weltmännischen Strategen in den Schweizer Banken und Industriekonzernen: An den Herausforderungen der gerade beginnenden Globalisierung der Märkte zu wachsen.

Heute hat Probst mehr zu lachen als seine damaligen Kritiker. Einerseits hat seine Kaffeemaschinen-Strategie den Jura-Umsatz seit 1999 verdoppelt. Bügeleisen und andere herkömmliche Jura-Produkte tragen nur noch zu 5% zum Absatz bei. Anderseits hat der Ruf nach Konzentration auf Kernkompetenzen die Globalisierer bis in die obersten Etagen geläutert. Und Jura widerlegt mit seiner internationalen Wachstumsstrategie gleich auch noch ein zweites Credo der 90er Jahre: Globale Kunden kaufen nicht nur bei multikompatiblen Alleskönnern, sie bezahlen auch für originale Werte ausgewiesener Spezialisten.

Um das Potenzial vollautomatischer Kaffeemaschinen vorauszusehen, musste man Anfang der 90er Jahre keinen Kaffeesatz lesen können. In der Schweiz setzte sich anspruchsvolles Kaffeebewusstsein bereits in den 80er Jahren durch. «Die vielen Gastarbeiter und Schweizer Urlauber brachten es aus Italien mit», erinnert sich Jura-Sprecher Meinrad Kofmel.

*Wachsende und neue Märkte im Ausland*

Etwas später begannen auch die Deutschen von Grossmutters Filterkanne auf Espressomaschinen umzusteigen. Und seit Starbucks seine Coffeeshops mit erlesenen Mixturen betreibt, scheinen auch die Amerikaner auf den Geschmack zu kommen. Wie beim Whiskey oder Cognac ? so Kofmel ? biete man seinem Gast heute nach dem Essen nicht mehr einfach Kaffee an, sondern oute sich als Gourmet und wolle auch zu Hause eine ganze Kaffeepalette auftischen. Deshalb müssen kurze und lange Espressos, Cappuchinos, Ristrettos oder Milchkaffees immer mehr auch an der hauseigenen Maschine produziert werden können.

Der beispiellose Vormarsch der vollautomatisierten Kaffeemaschine gibt Kofmels Gourmet-Theorie Recht: In der Schweiz, wo der Markt ziemlich gesättigt ist, gibt es zumindest einen solchen Gourmet in zwei Dritteln aller Haushalte. Im nördlichen Nachbarland konnte Jura ihren Umsatz zwischen 1995 und 2001 auf 54 Mio Fr. verzehnfachen. Auch in Österreich und Holland ist sie seit Jahren mit eigenen Vertriebsgesellschaften vertreten. In den USA sicherte sich Jura mit der Übernahme der X-presso Inc. ein Standbein im Gastro- und semiprofessionellen Bereich.

64,2% des Umsatzes macht Jura heute im Ausland. Der neuste Schritt ist die Gründung eines Joint Ventures mit der amerikanischen Capresso Inc. und hat zum Ziel, auch bei den Haushaltautomaten in Führungsposition zu kommen. Laut Kofmel besitzt Capresso eine starke Marktstellung und ? was Schweizer Unternehmen besonders wichtig sein muss ? ein nationales Händlernetz. Was der Deal gekostet hat und wie viel in den kommenden Jahren herausschauen muss, ist bei Jura nicht zu erfahren; nur so viel: «Es ist kein Sprung ins kalte Wasser.»

Die Verkäufer im solothurnischen Niederbuchsiten bekommen glänzige Augen, wenn sie das ausgeschöpfte Potenzial in der Schweiz proportional auf deutsche oder amerikanische Kaffeetrinker umlegen: In Deutschland hat erst jeder Zehnte einen Vollautomaten zu Hause. Weltweit wurden 1994 noch rund 170 000 Maschinen abgesetzt, 2001 konnten die Hersteller zusammen 700 000 Geräte an die Kaffeetrinker bringen.

*Kaum Konkurrenz für Juras «Kultobjekt»*

Innert weniger Jahre soll die Nachfrage auf eine Million steigen. Den Grossteil des internationalen Marktes teilt sich Jura mit der Nummer eins, dem italienischen Produzenten Saeco. Weil die Reviere klar verteilt sind, braucht Jura die Konkurrenz aber kaum zu fürchten: Saeco macht laut Kofmel auf «value for money», Jura auf die Kaffeemaschine als Kultobjekt, wie jüngst die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» feststellte.

Tatsächlich sind die vier Produktelinien der Jura im Durchschnitt 30% teurer. Dafür liessen sich Pulvermenge und Wassertemperatur viel breiter differenzieren als bei anderen Herstellern. Kofmel hebt ausserdem die ausgeklügelte Bedienerführung per Touchscreen hervor, mit der es kinderleicht ist, jeden noch so individuellen Kaffeegeschmack in die Tasse zu bekommen. Die neusten Juraprodukte sind sogar mit dem Internet verbunden. Den anspruchsvollsten Gourmets ermöglicht das noch exquisitere Rezepturen. Technisch weniger versierte Kaffeeonkel können sich die Störungsdiagnose online stellen lassen.

*Swiss made ist wieder ein Trumpf*

Ganz im Gegensatz zu anderen Industrieunternehmen kommen Juras Komponenten zu 90% aus der Schweiz. Dem Trend zu billigen Standorten entgegen, hat Jura den Anteil Schweizer Wertschöpfung seit 1991 verdoppelt. Heute sind in Niederbuchsiten 250 Personen für die Entwicklung und die Vermarktung von Juramaschinen zuständig. Produzieren lässt man rund 110 Personen bei Eugster/Frismag in Romanshorn, mit der Jura zwecks Teilung der Kernkompetenzen eine strategische Allianz eingegangen ist. Aus dem malayischen Ausland kommt heute nur noch die Elektronik.

Neuerdings werden die Jura-Maschinen sogar wieder mit einem kleinen Schweizer Kreuz versehen. «Das Label swiss made wird im Ausland mit Qualität und Langlebigkeit assoziiert.» Deshalb hat man sich Anfang der 90er Jahre nicht mit billigmade in egalwo ins Ausland abgesetzt.

Für ein Unternehmen, das «beim Wachstum nicht gierig sein will» (Emanuel Probst), sind die Ziele dennoch ehrgeizig: Laut Kofmel soll Jura bis in ein paar Jahren 25% aller Automatentassen füllen. Damit würde «der grosse Fisch im kleinen Teich zum grossen Fisch im grossen Teich» und Probsts Rezept unterschiede sich von jenem anderer Globalisierer nur in einer einzigen Zutat: Man muss preis- und qualitätsmässig in die Höhe statt in die Breite wachsen.

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