Bankchef Ackermann im Fokus der Strafjustiz, Swissair-Debakel, verdächtige Insidertransaktionen bei Adecco sind die grossen Skandale, bei denen ein Heer von Juristen alle Hände voll zu tun hat. Dem Wirtschaftsrecht und seinen Repräsentanten scheinen goldene Zeiten bevorzustehen, denn nicht nur medienträchtige Skandale um Manager häufen sich, auch zum Alltag gewordene Fusionen, Mergers & Acquisitions und Firmenpleiten nerven oder begeistern breite Bevölkerungsteile, deren Zukunft zumindest indirekt oft vom Ausgang solcher teils riskanter Transaktionen abhängt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das Wirtschaftsrecht hat Hochkonjunktur, nicht zuletzt wegen der unglaublichen Dynamik und wachsenden Bedeutung des europäischen und internationalen Wirtschaftsrechts. Anwaltschaft, Wirtschaft, Justiz und Verwaltung werden vor immer wieder neue Aufgaben gestellt. Von Studienabgängern wird oft das Höchstmass verlangt bezüglich Noten und Sprachkenntnissen; häufig wird das nach dem Uni-Abschluss in der Praxis erworbene Anwaltspatent vorausgesetzt. Weiterbildung in Europa und den USA oder in Form von berufsbegleitenden Masterdiplomen ist als Karriereschritt ein Must.

Jura-Studien bieten nahezu alle Schweizer Universitäten mit Ausnahme des Tessins an. Die Uni Lausanne lehrt neben dem Schweizer Recht auch das französische, Freiburg unterrichtet im Nebenfach Menschenrechte und Demokratie. Unis begeben sich damit in den Fokus von Rankings, die nicht für alle Arbeitgeber, Unis und Studierenden nachvollziehbar sind. Da die universitäre Ausbildung in der Schweiz meistens als sehr gut bezeichnet und entsprechend gelobt wird, aber nur den Grundstein bildet und daher wenig Raum für Spezialisierung bietet, bestehen etwa aus Sicht von Accenture keine markanten Qualitätsunterschiede. Auch Swiss Life betont, dass die schweizerischen Rechtsfakultäten erfahrungsgemäss substanziell nicht weit auseinander liegen. Wichtig für die Arbeitgeber ist die Funktion, in welcher der Jurist bzw. die Juristin arbeiten möchte.

Mangelnde Praxisnähe

Ein Uni-Ranking für Rechtswissenschaften ist daher nicht das Thema, dagegen wird auf Arbeitgeberseite oft die Praxisnähe bemängelt. UBS-Mediensprecher Axel Langer kommentiert die Praxisnähe an den Schweizer Unis so: «Es besteht noch Verbesserungspotenzial.» Die CS Group gibt sich dagegen erfreut, dass dem Bankenrecht an den Schweizer Unis zunehmend grössere Bedeutung zukommt. «Generell würden wir es jedoch begrüssen, wenn neben der dogmatischen Ausbildung auch der Umsetzung des Gelernten erhöhtes Gewicht beigemessen würde. Es genügt nicht, wenn ein Unternehmensjurist zwar theoretisch sagen kann, wie ein Problem rechtlich zu lösen ist, er muss auch einen Weg zur praktischen Umsetzung aufzeigen und an die Hand nehmen können.»

Die meisten Universitäten versuchen, den Mangel an Praxis etwas aufzuholen und verpflichten Juristen aus Unternehmen in die Auditorien beispielsweise tun das Swiss Life und die Credit Suisse Group, deren Praktiker an Veranstaltungen als Dozenten oder Autoren bzw. Mitautoren von Publikationen öffentlich in Erscheinung treten. Ernst & Young ist nach Aussagen von Eva Schielly Saccomanno, Head of Human Resources Management, Sponsor des Nachdiplomstudiums Master in Business Law MBL an den Unis Genf und Lausanne.

Die UBS pflegt nach eigenen Aussagen in der Regel keine speziellen Kontakte zu Jus-Studenten. Mitbewerber CS bietet dagegen dem Nachwuchs die Möglichkeit, während des Studiums Praktika zu absolvieren oder in Teilzeitpensen dort zu arbeiten. Praxisorientierte wissenschaftliche Dissertationen werden im Rahmen des CS-Academic-Research-Programms unterstützt, wenn sie von strategischer Bedeutung für die Grossbank sind.

An der Uni St. Gallen, für viele an ökonomischer Ausbildung interessierte Studenten noch immer die erste Adresse, gibt es derzeit rund 120 Jura-Studenten. Die meisten streben nach dem Uni-Abschluss mit dem Masterdiplom das Anwaltsexamen an. Danach locken je nach Neigung Jobs bei Gerichten, in Anwaltspraxen, Banken oder der Privatindustrie, in nationalen und internationalen Unternehmen, im Journalismus usw.

Für Direktor Thomas Geiser von der Universität St. Gallen ist klar, dass Ausrichtung und Renommee der Kaderschmiede einen starken Zulauf bewirkten. In St. Gallen versucht man nicht nur praxisorientiert zu lehren, betont Geiser, sondern legt auch Wert auf humanistische Bildung. Dazu gehören Fächer wie Philosophie, Soziologie, Ethik und Geschichte, die ein Viertel des Programms ausmachen.

Der fliegende Hörsaal

In St. Gallen wie auch an anderen Hochschulen nimmt besonders das Europarecht an Bedeutung ständig zu. Das zeigt sich auch im rund eineinhalb Jahre dauernden berufsbegleitend ausgerichteten Masterstudium im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht, das in Europa und den USA stattfindet. Das Studium wird mit dem Universitätsdiplom «Executive Master of European and International Business Law M.B.L.-HSG» abgeschlossen. Wer es erlangt, profitiert vom Bonus, der HSG-Absolventen am Arbeitsmarkt zuteil wird, ist Rektor Peter Gomez überzeugt.

Themen, die auf den Nägeln brennen, wie Innovation, Cyber Law and Biotech, werden vor Ort, in diesem Fall in Austin Texas, vermittelt, Corporate Governance in Wien, Mergers & Acquisitions in Frankfurt, Europarecht in Luxemburg (mit der Europarechtskoryphäe Carl Baudenbacher), American Law in New York usw. Dieses System der «flying university», wo man sich ins Herz der Kompetenzzentren begibt, ist einzigartig. Andere Universitäten, u.a. die Uni Bern, bieten ebenfalls ein zweisemestriges Nachdiplomstudium an mit dem Titel LL.M (Legum Magister). An der Universität Zürich beginnt im Herbst ein Nachdiplomstudium «Internationales Wirtschaftsrecht», die ETH bietet ein Nachdiplomstudium unter dem Titel «Geistiges Eigentum» an. Daneben findet man in der ganzen Schweiz eine grosse Anzahl Seminarien für «alles, was Recht ist».

Anforderungen an Juristen

Wer vom Arbeitgeber gefördert werden will, muss als förderungswürdig gelten

Die besten Berufschancen der Absolventen des Rechtsstudiums bzw. Juristen mit Anwaltspatent haben solche, die ihre speziellen Kenntnisse anbringen oder vertiefen möchten. Voraussetzung sind sehr gute Englischkenntnisse und je nach Einsatzgebiet das Anwaltspatent. Finanzdienstleister setzen je nach zu besetzender Stelle auch ein LLM im europäischen Finanzmarktrecht oder in Common-Law-Jurisdiktion voraus. Einige Unternehmen bieten Unterstützung bei der Weiterbildung. Ein paar Beispiele:

Accenture AG Zürich:

Anwaltspatent von Vorteil.

Grundvoraussetzung Wirtschafts-, Aktien- und Vertragsrecht. Je nach Position werden zusätzliche Kenntnisse in Arbeits- oder Mietrecht oder Qualifikation als Patentanwalt bzw. weiter gehende Kenntnisse im Immaterialgüterrecht vorausgesetzt.

Credit Suisse Group

Anwaltspatent ist in bestimmten Gebieten zwingend. Immaterialgüterrecht, IT-Recht, M&A-Experten, Kreditspezialisten, Finanz- und Produktespezialisten.

Beteiligung an Weiterbildungskosten wird im Einzelfall geprüft.

Ernst & Young Ltd.

Das E&Y-Team besteht aus Rechtsanwältinnen und -anwälten und/oder Inhabern des Notariatspatentes. Abgeschlossenes Jus-Studium an einer Schweizer Hochschule sowie das Anwaltspatent sind ein Must. Bereiche: Wirtschaftsrecht mit Fokus Vertrags- und Gesellschaftsrecht, M&A, Sanierungen und Konkursrecht, Immaterialgüterrecht, Informationstechnologie, Telekom und Medien, Finanzmarktrecht, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht.

Weiterbildung: Firmeninterne Praktika während der Studienzeit möglich. Einmal pro Jahr zweitägiges Erfahrungsaustauschseminar. Ernst & Young ist Sponsor des NDS Master in Business Law MBL an den Universitäten Genf und Lausanne. In- und externe Weiterbildung, Besuch von Seminaren z.B. an den Unis St.Gallen und Zürich. Nach der Einarbeitungszeit haben junge E&Y-Anwältinnen und -Anwälte die Möglichkeit, ein Jahr lang am Legal Desk bei einer Anwaltskanzlei in New York zu arbeiten.

Migros-Genossenschafts-Bund

Patentrecht, Wirtschaftsrecht und Arbeitsrecht.

MGB beteiligt sich «grosszügig in gezielter Weiterbildung».

Swiss Life

Spezialkenntnisse z.B. in Gesellschaftsrecht, M&A, Markenrecht, Versicherungsrecht, BVG, Stiftungsrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht, Aktienrecht, Verwaltungsrecht usw. Europarecht und internationales Recht spielen wegen der Tätigkeit in mehreren europäischen Ländern eine Rolle.

Jobs in Rechts- und Steuerdienst, Kundenberatung sowie in «anspruchsvollen Stabs-, Linien- und Managementfunktionen».

UBS AG

Grundsätzlich wird im UBS-Rechtsdienst das Anwaltspatent vorausgesetzt. Spezifisches Know-how in allen möglichen Rechtsbereichen wie Öffentliches Bankenrecht, Vertragsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Wertpapierrecht, Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht, Immaterialgüterrecht, Datenschutzrecht, Strafrecht, Börsenrecht usw.

Perfekte englische Sprachkenntnisse, erworben im Sprachgebiet, evtl. LLM mit Schwergewicht im Europäischen Finanzmarktrecht oder einer Common- Law-Jurisdiktion.

Weiterbildung z.B. für ein MBL: Unterstützung wird im Einzelfall geprüft. Unterstützung direkter Kosten ist grundsätzlich nicht vorgesehen. (wi)