Da schwingt Stolz mit. «In Mexiko kennt man uns mittlerweile beinahe besser als in der Schweiz», sagt Jean-Pierre Krähenbühl, CEO der Ulrich Jüstrich AG in Walzenhausen, einem kleinen Dorf in Appenzell-Ausserrhoden. Das 1930 gegründete Unternehmen setzt auf eine Verkaufsschiene, die auch im Zeitalter des Teleshoppings erfolgreich ist: Der Just-Berater besucht Kundinnen und Kunden zuhause. «Das hören wir nicht so gerne», sagt Krähenbühl, wenn er darauf angesprochen wird, dass Just als einer der erfolgreichsten «Hausierer» bezeichnet wird. «Erfolgreich» lässt er gelten, aber das mit dem «Hausierer» kratzt in seinen Ohren. Was den Erfolg angeht: Die beiden Enkel des Gründers, Hansueli und Marcel, haben die Firma mit Elan und mit dem Prinzip ihres Grossvaters ins dritte Jahrtausend geführt.

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Bieder und erfolgreich

Der geschindelte Gebäudetrakt am Dorfeingang ist nicht zu übersehen. Er wirkt schon ein bisschen bieder. Aber hinter der Fassade gibt es eine moderne Fabrikations-Infrastruktur und Labors, in denen Wellness-Produkte ausgetüftelt werden. Diese gelangen in 20 Ländern in den Verkauf, abgesetzt von 60000 Personen nicht im Laden oder in einem Shop-in-the-Shop-Geschäft, sondern im Direktverkauf oder im Partysystem.

Käme Ulrich Jüstrich in den Showroom, der an dem Ort eingerichtet worden ist, wo sein Sohn die ersten Kunden empfangen hat, würde er aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Zwar gibt es im Glasschrank, in welchem die Produktepalette präsentiert wird, noch links unten ein kleines Kompartiment, in dem Bürsten zu sehen sind. Aber in diesem grossen Präsentationsraum ist das nur noch ein kleines Mosaik einer Angebotspalette, die Hautpflege- und Heilmittel umfasst. An der Wiege dieses Unternehmens standen zwar die Produktion und der Verkauf von Bürsten.

Von Bürsten und Bezirzung

Mit ihnen ist der Gründer in Buenos Aires von Haus zu Haus gezogen und hat Furore gemacht. Seine Schilderungen sind filmreif. Er beschreibt, wie ihn eine glutäugige Se–ora so verwirrt hat, dass er das Verkaufsgespräch kaum führen konnte. Tempi passati. Die heutigen Vertreter der Firma Just sind gut geschult, verkaufen nicht nur Bürsten, sondern vor allem auch Produkte, die ohne künstliche Zusätze hergestellt werden und in allen Lebenslagen Hilfe bringen. Pro Jahr werden bis zu einem halben Dutzend Neuheiten lanciert. Die Produktepalette umfasst 140 Artikel darunter sogar eine Parfüm-Linie mit dem Namen des Tennisspielers Roger Federer.

Wenn CEO Jean-Pierre Krähenbühl den Glasschrank öffnet, in dem die «Renner» des Hauses ausgestellt sind, wähnt man sich in einem Verkaufsgespräch mit einem Just-Berater. Das «31 Kräuteröl» ist offenbar ein Heilmittel gegen alle Unbilden, angefangen von Rheuma über Migräne bis hin zu Unwohlsein. Tausende von Kundinnen und Kunden schwören auf das, was in Walzenhausen entwickelt worden ist. Die Rohstoffe werden in kontrollierten Kulturen angepflanzt und in Zeiten geerntet, in denen sie für die Verarbeitung am günstigsten sind.

Krähenbühl illustriert dies am Beispiel Edelweiss. Es spielt in der Produktion der Kosmetik- und Heilmittel der Firma Just eine wichtige Rolle und wird in ausgewählten Standorten angepflanzt, aber nicht einfach drauflos geerntet, sondern nach einem bestimmten Rhythmus. Wer ihm und Marcel Jüstrich zuhört, könnte beinahe auf die Idee kommen, dass man es mit Sektierern zu tun hat so werden zum Beispiel Ringelblumen, Kamille oder Malve nach geheimgehaltenen Verfahren verarbeitet.

Just, ein Unternehmen, das sehr verschwiegen ist und gemäss Schätzungen 300 Mio Fr. umsetzt, hat Wellness «gepredigt», bevor dieser Begriff in aller Leute Mund war. «Einkaufen heisst nicht nur, Geld ausgeben, man vergisst oft, dass der Mensch auch eine Seele hat», sagte Firmengründer Ulrich Jüstrich.

Produkt zuhause anfassen

Heute beschäftigt die Jüstrich AG 350 Menschen. Die Koffer, in de-nen die Just-Produkte vorgestellt werden, gibt es immer noch, den Haus-zu-Haus-Verkauf auch. Auch die Feststellung von Firmengründer Ulrich Jüstrich, «dass die Kundin es schätzt, wenn sie das Produkt bei sich zu Hause anfassen und prüfen kann und die Chance hat, zu reklamieren, wenn sie nicht zufrieden ist», hat immer noch Gültigkeit. «Es ist wichtig, dass der Berater sich freundlich verabschiedet, auch wenn kein Verkauf zu Stande kommt und man sich darauf verlassen kann, dass der Service immer klappt.» Auch das ist immer noch ins Stammbuch der Berater geschrieben. Das gehört auch nach bald 75 Jahren zu den Standards der Nachkommen, welche beide eine Stage in den USA gemacht haben. Hansueli Jüstrich als Buchhalter und Marcel Jüstrich als Staubsaugerverkäufer. Wie sein Grossvater ist Marcel von Haus zu Haus gezogen und hat erfahren, was es heisst, am Abend noch nichts verkauft zu haben. Und wie sein Grossvater hat er gelernt, negative Erlebnisse wegzustecken und nach vorne zu schauen.

Gegen die Selbstbedienung

Wenn Marcel Jüstrich über seine Erfahrungen mit dem Verkauf von Staubsaugern spricht, erinnern sie an das Buch, das heute noch als eine Art Bibel für die Kundenberater gilt. Dort schrieb Ulrich Jüstrich vor Jahrzehnten: «Der Einkauf ist in den letzten Jahren durch die Selbstbedienung weit gehend entpersonifiziert worden. Die Beratung findet nicht mehr statt. Die Kassiererin kennt die Kundin nicht mehr persönlich. Ein Vertrauen zwischen dem Kunden und der Person, welche kassiert oder die Gestelle auffüllt, gibt es nicht mehr.» Genau hier setzte Ulrich Jüstrich ein.

«Ein Just-Berater muss eine grosse Frustrationstoleranz und eine grosse Sozialkompetenz haben», sagen Krähenbühl und Marcel Jüstrich. Ein Kunde, der heute Nein sage, werde sich beim nächsten Besuch vielleicht anders besinnen. «Nie aufgeben. Das habe ich am eigenen Leib erfahren», sagt Marcel Jüstrich. Man spürt, dass er seinen Grossvater bewundert, der als Auswanderer auf einem Schiff, zusammen mit Desperados, nach Argentinien reiste, wo sich heute noch einer der wichtigsten Produktionsstandorte des Unternehmens befindet. Aber die Expansionspläne sind heute weiter abgesteckt. Im Visier stehen vor allem Deutschland und die Region Asien.