Hilfsbereit gab sich der Rotary Club bisher hauptsächlich gegenüber sozial Schwächeren. Jetzt bieten zumindest die Rotarier in Thalwil auch Hilfe für ihresgleichen: Besorgt über die steigende Kaderarbeitslosigkeit hat der Service-Club ein Forum für arbeitslose Führungskräfte durchgeführt. Über 150 Betroffene haben an den drei Abendveranstaltungen teilgenommen, an denen über Neuorientierung, Stellensuche und Selbstständigkeit referiert und diskutiert wurde. Mit teils beträchtlichem Erfolg. «Mehrere haben dank dem Forum wieder eine Festanstellung - bei Rotary-Mitgliedern selbst oder von ihnen vermittelt», sagt Irène Gubler, Leiterin des RAV Thalwil und Mitorganisatorin. Gubler bekommt aus dem hochkarätigen Netzwerk auch immer wieder Hinweise auf offene Stellen. Zudem haben sich inzwischen einige Teilnehmer aus dem Banken und Marketing-Sektor zusammengetan. Sie wollen Erfahrungen austauschen und vielleicht sogar gemeinsam Projekte planen.

Eine zweite Runde der Networking-Anlässe ist bisher nicht geplant. RAV-Leiterin Gubler hofft aber auf «Nachahmer». Denn «das Angebot für arbeitslose Führungskräfte ist zu klein, gemessen an der rasanten Zunahme von Betroffenen». Im Juli waren knapp 10600 Menschen arbeitslos gemeldet, die als letzte Beschäftigung eine Kaderfunktion angaben. Das sind 54% mehr als im Jahresdurchschnitt 2002. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen ist verglichen dazu «nur» um 43% (auf 143672) gestiegen.

Einige Kantone haben auf die rasante Zunahme der Kaderarbeitslosigkeit zwar reagiert: Der Kanton Genf beispielsweise testet derzeit drei Weiterbildungskurse, zwei für Bankenkader und einen für Führungskräfte über 40 Jahre, die den Betroffenen bei der Neuorientierung in eine andere Branche helfen und noch dieses Jahr eingeführt werden sollen. Im Kanton Schwyz steht den Stellenlosen mit Managementbackground seit letztem März ein individuelles Coaching-Programm offen. Neue Wege punkto Kader-Betreuung eingeschlagen hat auch Graubünden. Dort beginnt man im kommenden Oktober mit einem eigenen achtmonatigen Qualifizierungsprogramm, das ebenfalls stellenlosen Kadern aus den Kantonen Glarus und St. Gallen sowie aus Liechtenstein offen steht (vgl. Kasten).

*Nichts Geeignetes*

Doch all die Bemühungen zeigten bisher kaum Wirkung. So finden viele Kaderleute keine geeignete Umgebung, in der sie ihre Arbeitslosigkeit so sinnreich wie eben möglich gestalten können.

Ein Mangel herrscht, wie es das Beispiel Graubünden zeigt, vor allem bei Qualifizierungsprogrammen mit Praxisbezug. Diese ermöglichen den Betroffenen einer Arbeit nachzugehen und Struktur in den Alltag zu bringen. Das wäre gerade heute wichtig, da die Stellensuche, mit meist über sechs Monaten, länger dauert als noch während der letzten Rezession und eine Rückkehr in die angestammte Branche seltener gelingt.

«Besonders für Führungskräfte, die aus dem Banking kommen, aber auch für Marketing- oder Verkaufskader gibt es zu wenig solcher Programme», sagt Franz Duss, Projektleiter beim Fachverein Arbeit und Umwelt (FAU). Der Verein bietet in Bern, Zürich, Luzern und St. Gallen Programme zur vorübergehenden Beschäftigung von qualifizierten Erwerbslosen. In Gruppen oder alleine arbeiten die Betroffenen an Projekten zum Thema Arbeit und Umwelt (vgl. Kasten).

Die sechsmonatigen Einsätze sind derzeit überbucht. 120 Stellenlose gehen beim FAU ihrer Arbeit nach. Hugo Zimmermann, ist einer davon. Nach neun Jahren Selbstständigkeit will er sich neu orientieren und hofft durch sein Projekt «Innovations-Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Kleinunternehmen» eventuell eine neue Aufgabe in der Lehrtätigkeit oder der Wirtschaftsförderung zu finden. «Es ist für mich nicht nur ein Beschäftigungsprogramm, sondern eine neue berufliche Perspektive», sagt Zimmermann, der lange als Unternehmensberater im Bereich Marketing gearbeitet hatte. «Das Projekt hilft aber auch, neues Selbstvertrauen zu gewinnen und neue wertvolle Kontakte zu knüpfen.» Das sei wichtig, «denn mein altes Netzwerk konnte sich meiner neuen Situation leider nicht anpassen», sagt Zimmermann.

Von FAU hat Zimmermann durch eigene Recherchen und aus seinem Bekanntenkreis erfahren. Den Weg dorthin musste er aber via seinen RAV-Berater gehen. Denn ohne Überweisung des zuständigen RAV bleiben die Programme und Kurse den Betroffenen verschlossen. Wegen dieser Regelung ergeben sich weitere Schwierigkeiten, mit denen sich arbeitslose Führungskräfte oft konfrontiert sehen. Denn: «Viele Berater können die höheren Erwartungen und Bedürfnisse von Führungskräften nur schwer abdecken», sagt Nils Walt, von Fahrni Walt Consulting. Die Beratungsfirma führt für das RAV Schwyz Coachings durch. Konflikte entstehen laut Walt aber häufig auch, weil RAV-Berater nicht genügend orientiert sind über die Berufsbilder von Kaderleuten: Diese müssten, wie vorgeschrieben, monatlich bis zu zwölf Bewerbungen schreiben, obwohl dies oft gar nicht möglich sei.

Dass die Vermittlungszentren für ehemalige Direktoren und Geschäftsleitungsmitglieder nicht «optimiert» sind, stellt auch FAU-Leiter Duss immer wieder fest.

*Solothurn vorbildlich*

In den Zentren selbst reagiert man zögerlich auf das heikle Verhältnis Berater-Kader. Die meisten, so auch Zürich, sind nach Branchen organisiert. Da derzeit vor allem Führungskräfte aus der Finanzbranche betroffen sind, treffen sie automatisch auf in etwa die gleichen Berater, lautet die vorherrschende RAV-Meinung. Dass es auch anders geht, zeigt der Kanton Solothurn. Dort erhalten arbeitslose Führungskräfte schon seit Ende der 90er Jahre eine Spezialbetreuung. Zwar führt der Erstkontakt der arbeitslosen Führungskräfte auch in Solothurn über die «normalen» Arbeitsvermittlungszentren. Aber «Führungskräfte, die es aufgrund der Branche oder ihrer Konstellation schwieriger haben, wieder eine Stelle zu finden, werden direkt ins RAV Plus überwiesen», sagt Isabelle Zimmermann-Remund, die die Kaderleute betreut (vgl. Nachgefragt). Hier durchlaufen die Betroffenen eine Reihe von Kursen und Programmen. «Als erste Massnahme legen sie im Rahmen eines Kaderbegleitkurses mit individuellem Coaching eine Bewerbungsstrategie fest, und zwar schriftlich», sagt Zimmermann-Remund. Sie hat der hohen Nachfrage wegen ihr Arbeitspensum von 50 auf 70% ausgeweitet. Als letztes Mittel diskutiert sie mit den Führungskräften Einsätze in Qualifizierungsprogrammen. Dazu kommt es bei ihren Kadern aber nur selten. Die meisten haben bereits vorher wieder eine Festanstellung. «Ist jemand offen genug und anpassungsfähig - auch in aussergewöhnlicheren Situationen -, muss er kaum länger als ein halbes bis drei viertel Jahr suchen.»

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