Die Ausbeute der beiden grossen Razzien auf dem Flughafen Zürich-Kloten vom letzten Jahr lässt das Ausmass erahnen. Unter die Lupe der Zollbehörden genommen wurden drei Schmuggler, die nach Libyen unterwegs waren. Es stellte sich heraus, dass sie regelmässig nach China reisten, sich dort mit Fälschungen eindeckten und diese in die Maghreb-Staaten und nach Europa verschoben: Gefunden wurden allein bei diesen drei Gaunern 6233 Uhren verschiedener Marken.

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Bei der zweiten Razzia waren es 5155 gefälschte Uhren von 32 verschiedenen Marken. Bei Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Ware einen Verkaufswert von 50000 Dollar gehabt hätte und dass den Schmugglern ein stolzer Gewinn von 30000 Dollar sicher gewesen wäre.

CHINESEN SIND «WELTMEISTER» IM FÄLSCHEN

Michel Arnoud gehört zu den Fachleuten, welche sich bei der Fédération de l'Industrie horlogère Suisse (FH) in Biel mit Fälschungen befassen. Er geht davon aus, dass gegen 90% der Fälschungen aus China kommen, 10% stammen aus Europa, wo vor allem High-Class-Modelle nachgeahmt werden.

«Die Fälscher werden nicht nur immer zahlreicher, sondern auch immer raffinierter», stellt er fest und erwähnt das Beispiel einer gefälschten Chopard-Uhr. Sie war mit einem Automatikwerk aus chinesischer Produktion ausgestattet und sah täuschend echt aus. Die Fälscher hatten einfach ein Plättchen mit falschen Angaben auf den Rotor geklebt.

Was den Fahndern in Kloten in die Fänge ging, ist allerdings ein Klacks, verglichen mit südamerikanischen Verhältnissen: In Paraguay wurden ungefähr im gleichen Zeitraum zwar «nur» 9200 Uhren beschlagnahmt, in drei Produktionsbetrieben entdeckten die Behörden aber Einzelteile für die Herstellung von 70000 bis 80000 gefälschten Uhren. Noch toller war die Ausbeute in Argentinien, wo nicht nur insgesamt 22000 Uhren, sondern 700000 Einzelteile entdeckt wurden.

FH LEISTET WICHTIGE AUFKLÄRUNGSARBEIT

Wie aus Berichten über diese Länder hervorgeht, wird einiges unternommen, um den Fälschern das Handwerk zu legen: Mehr Razzien, mehr Fachleute und mehr Mittel für die Fahndung. Besonders ernst scheinen es die brasilianischen Behörden zu nehmen. Es werden nicht nur Zollposten neu gebaut, sondern Hotels überwacht, wo Touristen absteigen, und Busse untersucht, in denen sie unterwegs sind. Aber wer mit Uhrenfachleuten spricht, denkt unwillkürlich an eine Hydra, bei der die Köpfe immer wieder nachwachsen.

Innerhalb der FH ist eine spezielle Gruppe für die Fälschungsbekämpfung zuständig: «Wir analysieren gefälschte Uhren, achten darauf, dass die Herkunftsbezeichnung geschützt wird, sensibilisieren die Behörden und klären die Konsumenten auf», nennt Arnoud die wichtigsten Aufgaben. Sie werden Jahr für Jahr grösser. Allein 2001 wurden dem Schweizer Fälschungsdienst 1017 Muster zur Überprüfung eingereicht. Sie repräsentieren 116271 auf allen fünf Kontinenten beschlagnahmten Uhren. Dabei gilt es zu beachten, dass in dieser Zahl nur beschlagnahmte Uhren enthalten sind, von denen hinterher Muster zur Analyse eingereicht wurden. Die FH-Spezialisten haben in diesem Zusammenhang 652 Berichte geschrieben; das sind 20% mehr als im Vorjahr. Bei den meisten untersuchten Mustern handelte es sich um Marken oder Nachahmungen von Modellen, um den Missbrauch von schweizerischen Bezeichnungen wie «Swiss made» oder um falsche technische Angaben (Chronometer, Dichtigkeit) und falsche Edelmetallstempel (Feingehalt, Hersteller, Garantie).

Wie vom Schmuckspezialisten Daniel Simonin (Goldschmiede Bolli AG) zu erfahren ist, gibt es einen beliebten Trick: Eine Edeluhr wie etwa die Rolex wird in Teile zerlegt. Mit ein paar wenigen echten Teilen werden, unter Zuhilfenahme nachgebauter Teile, ein paar neue Uhren gebaut. Beim Kunden wird dann auf Originalarmband, Originalzifferblatt oder den originalen Schriftzug verwiesen.

markenHERSTELLER bleiben stumm

Zugeknöpft geben sich die Hersteller und Anbieter von Uhren, werden sie auf die Falsifikate angesprochen. Klar doch, niemand gibt gerne zu, dass sein Produkt Zielscheibe von Fälschungen ist. Nur fällt auf, dass bei Meldungen über Zollfahnder-Erfolge immer wieder die gleichen Marken auftauchen: Rolex, Cartier, Lacoste, Cucci und Armani. Im Juli haben französische Zollbeamte auf dem Flughafen Charles De Gaulle 43000 gefälschte Uhren dieser Marken geschnappt. Bei Richmont wurde zuerst zugesagt, diesbezüglich ein paar Fragen schriftlich zu beantworten, seither herrscht Funkstille. Bei der Swatch-Gruppe erklärt Pressechefin Béatrice Howald wenigstens, wieso das Unternehmen diesbezüglich nicht auskunftsfreudig ist. Das sei eine heikle Angelegenheit, die man nicht gerne an die grosse Glocke hänge. Aber wie bei vielen Herstellern, die von Fälschungen betroffen sind, gibt es auch bei Swatch eine eigene Crew, die sich damit beschäftigt.

Möglichkeiten, gefälschte Uhren unter die Menschheit zu bringen, bietet neuerdings auch das Internet. Man erinnert sich an den Fall ricardo.de, der das Kölner Landgericht ausgiebig beschäftigte. Der Firma wurde vorgeworfen, gefälschte Uhren via Internet angeboten zu haben. Die Zahl der Auktionen auf der Basis Consumer-to-Consumer-E-Commerce wird immer grösser. Neben Uhren wird so alles offeriert, was man sich vorstellen kann. Vor kurzem bot ein Amerikaner sogar seine Niere zum Kauf an É

fälschernetze

Banditen im Smoking

Nach der herkömmlichen Meinung ist der Uhrenfälscher eine düstere Person, die ihre Tätigkeit im schäbigen Keller eines baufälligen Gebäudes im dunkelsten Teil eines verrufenen Quartiers ausübt, in das sich die Polizei schon seit langem nicht mehr wagt und es der Mafia überlässt, so etwas wie eine Ordnung ausserhalb des Gesetzes herrschen zu lassen.

Dieses Zerrbild gehört ins Reich der Kriminalromane. In Wirklichkeit nutzen die Fälscher etablierte Kanäle. Sie wenden sich an spezialisierte Zulieferanten, bei denen sie die Bestandteile für die Uhren (Werk, Gehäuse, Armband, Zifferblatt) bestellen. Diese Lieferanten sind mit modernen und leistungsfähigen Maschinen ausgerüstet. Die Fälscher versehen die erhaltenen Teile in ihren eigenen Werkstätten oder durch einen skrupellosen Zulieferanten mit einer Marke. Diese Kennzeichnung findet oft, um die Zollkontrollen zu umgehen, an Ort und Stelle statt, also in der Nähe des Gebietes, wo die Uhren verkauft werden.

Die gefälschte Marke oder jede andere unstatthafte Angabe (geografische und technische Angaben, Edelmetallstempel usw.) wird einem Ausstattungsteil oder sogar am Werk angebracht. Hierauf erfolgt die Endmontage.

Das Fälschungswesen beschränkt sich aber nicht allein auf die Fertigung. Das Fälschungsdelikt besteht manchmal in einer Abänderung eines Produktes. Auf diesem Gebiet ist der Einfallsreichtum der Fälscher grenzenlos. Nachstehend die häufigsten Methoden:

nKauf kompletter Uhren, die bekannte Modelle nachahmen und eine zulässige, jedoch wenig bekannte Marke tragen. Diese wird unsichtbar gemacht und durch eine Marke mit hohem Bekanntheitsgrad ersetzt.

nKauf von Uhren, deren Marke sich durch das Entfernen eines oder mehrerer Buchstaben auf einfache Weise fälschen lässt (aus der wenig bekannten Marke «Noris» wird die bekannte Schweizer Marke «ORIS»).

nKauf von Original-Uhren in Stahl und Ersetzen der Ausstattung durch Teile aus Edelmetall (Rezyklierung von gestohlenem Gold).

nKauf von Original-Uhren, die man ohne Einwilligung des Markeninhabers abändert, zum Beispiel in Bezug auf gefasste Steine (Rezyklierung von illegal erworbenen Edelsteinen, Ersatz von Diamanten durch falsche Brillanten usw.).

Die Ausstattungsteile (Gehäuse, Zifferblätter, Armbänder) und Uhrwerke stammen vor allem aus zwei Quellen. Aus Südostasien (China, Hongkong, Südkorea, Japan, Taiwan, Thailand) einerseits und aus den europäischen Uhrenregionen (Deutschland, Italien, Frankreich, Schweiz anderseits. (hz)