Air Berlin ist insolvent, fliegt aber weiter - vorerst. Der Betrieb ist zunächst für drei Monate gesichert, dank finanzieller Hilfe der deutschen Bundesregierung. Im Hintergrund finden Verhandlungen über den Verkauf von Teilen der Airline statt, und überall in Europa schauen die potenziellen Gläubiger, dass sie nicht auf Schulden sitzen bleiben. So auch in der Schweiz, wo Air Berlin in Zürich zu den wichtigsten Carriern zählt. Die wichtigsten Fragen und Antworten für Passagiere und zur Zukunft der Airline:
Was bedeutet die Insolvenz für die Schweizer Luftfahrt?
Air Berlin fliegt in der Schweiz Zürich, Genf und Basel an. Die wichtigsten Verbindungen sind die nach Düsseldorf und nach Berlin. In Zürich war die Berliner Fluggesellschaft lange die Nummer zwei, ist dieses Jahr aber hinter Edelweiss auf den dritten Rang gerutscht, wie es auf Nachfrage beim Flughafen heisst. Derzeit betreut Air Berlin in Kloten noch 5 Prozent der Passagiere.
Da Air Berlin angekündigt hat, den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten, soll sich für die Fluggäste an den Schweizer Standorten nichts ändern. Für den Fall, dass es zu finanziellen Ausfällen kommt, hat der Flughafenbetreiber in Zürich Massnahmen getroffen. Über die Details schweigt er sich aus. Der Genfer Flughafen dagegen hat seine Massnahmen öffentlich gemacht: Er verlangt die Flughafengebühren jetzt im Voraus, sagte Flughafensprecher Bertrand Stämpfli der Nachrichtenagentur dpa. Sollte diese ausbleiben, müsste der Pilot die Gebühren in Höhe von rund 500 Franken bar oder per Kreditkarte bezahlen, sobald er gelandet ist.
Werden Flüge in die Schweiz ausfallen?
Der Flughafenbetreiber in Zürich geht davon aus, dass alle Flüge in die Schweiz aufrecht erhalten werden. Allerdings kann es im Zuge der Übernahmen dazu kommen, dass Strecken neu verteilt und auch Landeslots von Air Berlin verkauft werden. Das birgt also eine mittelfristige Unsicherheit für Passagiere. Der Flughafenbetreiber geht allerdings davon aus, dass eventuell wegfallende Verbindungen von anderen Airlines übernommen werden.
Wer wird Air Berlin übernehmen?
Letztlich ruhen die Hoffnungen vor allem auf der Lufthansa, die seit längerem über die Übernahme von Teilen von Air Berlin verhandelt. Auch mit der Billigfluglinie Easyjet gebe es Gespräche, sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Damit sollten vor allem die Start- und Landerechte von Air Berlin auf deren Heimatflughafen in Berlin sowie in Düsseldorf gesichert werden. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Slots soll der Staatskredit zurückgezahlt werden.
Gegen die Übernahmepläne hat sich Ryanair vehement ausgesprochen und Beschwerde eingelegt bei der deutschen Wettbewerbsbehörde, dem Bundeskartellamt, und bei der EU-Wettbewerbskommission. Als Grund nannten Unternehmensvertreter den «offensichtlichen Komplott» zwischen der deutschen Regierung, Lufthansa und Air Berlin. Ein Insider sagte gegenüber Reuters zu den Übernahmeverhandlungen mit Lufthansa und Easyjet: «Ziel war es, Ryanair draussen zu halten.»
Welche Folgen hat der Schritt von Air Berlin am Aktienmarkt?
Der Wert der Air-Berlin-Aktie erlebt nach Bekanntwerden der Insolvenz eine Berg- und Talfahrt. Zunächst verlor der Titel am Dienstag 51 Prozent an Wert und sackte auf 38 Cent ab. Später erholte sich die Aktie deutlich und lag wieder bei rund 51 Cent, um am Mittwochmorgen erneut um 11 Prozent nachzugeben und derzeit um 45 Cent zu pendeln.
Auswirkungen hatte die Air-Berlin-Insolvenz vor allem auf die Konkurrenz. Die Titel von Ryanair, Easyjet und Lufthansa liegen seit dem Bekanntwerden deutlich im Plus und holen auch heute am Vormittag nochmals auf.
Was passiert mit meinem Flugticket?
Die gebuchten Flugtickets bleiben weiterhin gültig, erklärt Air Berlin. Sie können eingesetzt werden, da alle Flüge planmässig durchgeführt werden sollen. Eine Entschädigung wäre im Falle eines Ausfalls fällig, von dem die Airline bislang aber nicht ausgeht.
Der Flugbetrieb soll normal weitergehen, heisst es auf der Webseite der Airline. Alle Flüge von Air Berlin und Niki Airlines finden demnach statt. Dafür sorgen soll ein Brückenkredit der Bundesregierung über 150 Millionen Euro. Der deutsche Verkehrsminister schränkt allerdings ein: Der Flugbetrieb sei vorerst bis November gesichert. «Air Berlin hat Eigenmittel, nach wie vor, und in Kombination der verfügbaren Mittel und dem Kredit des Bundes gehen wir davon aus, dass der Flugverkehr bis Ende November gesichert ist», sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin.
Mir ist die Situation zu unsicher, kann ich mein Ticket zurückgeben?
«Darauf gibt es leider keine einfache Antwort. Solange Air Berlin den Flugbetrieb offiziell aufrecht erhält, haben Sie nach Schweizer Recht zunächst kein Anrecht darauf», sagt Reisejurist Rolf Metz. «Das bedeutet, es würden die üblichen Stornogebühren anfallen. Das Bundesgericht allerdings hat den Vertrag über Personenbeförderung als Auftrag definiert, und diese können jederzeit widerrufen werden. Wenn Air Berlin eine Rückgabe ablehnt, müssten Sie darauf allerdings im Zweifel klagen. Da ist es dann immer eine Frage, ob sich der zeitlich und finanzielle Aufwand lohnt.»
Kann ich weiterhin mit Air Berlin reisen?
Das ist sicher eine Vertrauensfrage. Die Passagierzahlen sind in den vergangenen Monaten bereits stark zurückgegangen. Von Seiten von Air Berlin steht dem Ticketerwerb aber nichts im Wege: Es soll weiterhin möglich sein, alle Flüge zu buchen.
Kann ich künftig auch noch meine Flugmeilen einlösen?
Grundsätzlich ja, schreibt das Reiseportal Reisetopia. Denn das Vielfliegerprogramm Topbonus ist nicht an Airberlin gebunden, sondern an Noch-Besitzer Etihad. Wie es allerdings mittelfristig aussieht, lässt sich derzeit schwer abschätzen. Wenn Air Berlin aufgelöst oder verkauft wird, können Kunden die Meilen dort wahrscheinlich nicht mehr einlösen. Bei den bisherigen Air-Berlin-Partnern sollten sie zwar weiterhin gültig sein. Gesichert ist das aber nicht. Reisetopia rät den Meileninhabern darum, ihre Flugmeilen möglichst innerhalb der Drei-Monats-Frist einzulösen, in welcher der Flugbetrieb von Air Berlin noch gesichert ist.
Wenn Air Berlin tatsächlich den Flugbetrieb einschränkt oder sogar einstellt und mein Flug dadurch entfällt, bekomme ich dann Entschädigung?
Reisejurist Rolf Metz sagt: «Die gute Nachricht: Air Berlin wäre in diesem Fall verpflichtet, das Ticket zurückzubezahlen und eventuell sogar eine Entschädigung gemäss der Verordnung über Fluggastrechte zu leisten. Die schlechte Nachricht: Das ist hinfällig, wenn der Airline das Geld ausgeht. Dann könnten Ticketbesitzer allenfalls als Gläubiger an der Insolvenzmasse partizipieren. Diese zu verteilen dürfte allerdings Jahre dauern und es ist unsicher, dass Passagiere letzten Ende überhaupt noch eine Summe erhalten.»
Was bedeutet die Insolvenz für die Mitarbeiter?
Air Berlin beschäftigt derzeit rund 8500 Mitarbeiter. Ihre Zukunft ist derzeit offen. «Wir haben grosse Sorge um die Arbeitsplätze der Beschäftigten», erklärte die Gewerkschaft Verdi. «Unser Priorität liegt jetzt auf der Sicherung der Arbeitsplätze», sagte Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. Hoffnungsträger ist hier wieder die Lufthansa: «Lufthansa beabsichtigt, diese Verhandlungen zu einem schnellen und positiven Ergebnis zu führen», hiess es in einer Mitteilung des Unternehmens. Das biete «auch die Möglichkeit zur Einstellung von Personal».
Wer kümmert sich jetzt um die Insolvenz?
Der Insolvenzverwalter der Reiseportale fluege.de und ab-in-den-urlaub.de soll die zweitgrösste deutsche Fluggesellschaft Air Berlin durch die Insolvenz begleiten. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg habe Lucas Flöther zum Sachwalter von Air Berlin bestellt, sagte ein Sprecher des Rechtsanwalts aus Halle an der Saale am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Das hatte zuvor die «WirtschaftsWoche» berichtet. Flöther war mit der Abwicklung der Leipziger Holding Unister bekannt geworden.
Bei welchen Airlines es Snacks und Getränke während des Fluges gratis gibt, sehen Sie in der Bildergalerie: