An bester Lage in Basel eröffnet bald eine neue, mehrstöckige Kantonalbankfiliale. Schon heute wirbt sie in den Schaufenstern des einstigen OVS-Modehauses am Barfüsserplatz. Jeder läuft daran vorbei, denn der «Barfi» bildet so etwas wie das Zentrum der Stadt. Perfekte Lage also für eine neue Bankfiliale. Dumm nur, dass sie nicht der Basler Kantonalbank (BKB) gehört, sondern der Bank aus dem Nachbarkanton.

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Als die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) bekannt gab, in Basel eine Niederlassung zu bauen, rumorte es in der Zunft. Eine ungeschriebene Regel wurde verletzt. Und in den beiden Basel, die eine alte Hassliebe zueinander pflegen, wurde emsig getratscht. Hanspeter Hess vom Verband der Kantonalbanken bestätigt: «Eine Retail-Filiale im Kanton einer anderen Kantonalbank ist ein Novum.»

Zwar gab es schon immer wildernde Hypothekarberater und Private-Banking-Ableger. Erstmals aber bricht eine Kantonalbank im Massengeschäft physisch – und explizit – in einen fremden Markt ein. Mit Schaltern und Bankomaten. Es dürfte nicht der letzte Angriff sein, denn der Markt steht im Umbruch. 

Die 24 Banken werden gerne verwechselt

Nach der Ankündigung der Filiale in Basel hätten sich mehrere Kantonalbänkler bei ihm gemeldet, sagt BLKB-Chef John Häfelfinger beim Treffen in der Basler Altstadt. «Und es waren nicht die Leute der BKB. Mit denen kommen wir gut aus.» Kleinste Details wollten sie wissen. Offiziell geht es bei der Stadtfiliale darum, die «in Basel arbeitenden und in die Stadt ausgewanderten Baselbieter» zu bedienen.

Doch jeder weiss: Der BLKB-Chef hat mehr vor. Die spitzbübische Freude am Marketing-Stunt kann er nur schwer verheimlichen. 

Häfelfinger ist nicht alleine. Die Kantonalbanken driften auseinander. Immer öfter grasen sie jenseits des Hages, die Digitalisierung verstärkt diesen Trend. Apps und Websites kennen keine Grenzen. Konsumenten, die Bankgeschäfte online tätigen, eröffnen auch ein Konto bei einer etwas weiter abgelegenen Bank, wenn die Konditionen stimmen.

Doch es gibt ein Problem: Wenn 24 Banken mit ähnlichen Logos und Namen auftreten, ist die Verwechslungsgefahr gross. In der alten Welt mussten die Kunden nicht wissen, wer hinter dem Kantonalbank-Schild steckte. Doch wenn Banken gegeneinander antreten, rächt sich die eingeübte Einheit. Erst recht in der digitalen Welt.

«Die Kantonalbanken sind aufgrund ihres regionalen Fokus stärker als andere von der Digitalisierung betroffen», sagt Verbandsdirektor Hess. «Die Digitalisierung kann zu einer Loslösung von physischen -Geschäftskreisen führen. Dies steht potenziell im Widerspruch zur Ausrichtung auf das eigene Kerngebiet.»

Eigentlich gibt es nur zwei Lösungen: miteinander digitalisieren oder gegeneinander. Doch von einem Miteinander ist wenig zu spüren. Die Entwicklung gemeinsamer Produkte sei derzeit «kein Thema», sagt Hess

Angriff mit dem Geld der Kollegen

Den Internetangriff vorgemacht hat die Glarner Kantonalbank (GLKB). 2012 lancierte sie mit Hypomat eine Plattform für Online-Hypotheken. Ihr Zielmarkt: die Schweiz. Der Aufschrei: riesig. «Es war uns klar, dass das Animositäten geben würde», erzählt GLKB-CEO Hanspeter Rhyner. «Wir hätten das ja durchaus mit anderen Banken zusammen gemacht, aber wir fanden keine Partner.» Die Glarner hätten nicht so angeeckt, hätten sie nicht wenige Jahre zuvor bei den anderen Banken Kapital aufgenommen. Bei Kantonalbanken, die sie nun direkt angriffen.

Inzwischen verwaltet die GLKB über ihre «Kreditfabrik» auch Hypotheken für Pensionskassen, weshalb ihr Kritiker vorwerfen, die Margenerosion im Kreditgeschäft zu befeuern. Rhyner hält mit einem chinesischen Sprichwort dagegen: «Wenn der Wind der Veränderung bläst, sollte man nicht Mauern aufstellen, sondern Windmühlen.»

Darauf setzt auch BLKB-Chef Häfelfinger. Seine engsten Partner sind nicht Kantonalbanken, sondern Firmen wie Swissquote, True Wealth oder die Bâloise. Mit ihnen will er wachsen. «Man bewegt sich in den Schwerpunkten klar auseinander», sagt er. «Jeder muss seinen Weg finden.»

Gemeinsam wären die Kantonalbanken in der Schweiz Marktführer. Ihre Bilanz ist fast dreimal so gross wie die der Raiffeisen-Gruppe (siehe Grafiken). Doch die 24 Banken bilden eher einen lockeren Club als eine Gruppe. Die Zürcher Grossbank ZKB ist gemessen an der Bilanz fünfzigmal so gross wie die jurassische Kantonalbank. Es gibt börsenkotierte Banken und solche in reinem Staatsbesitz.

Einige geschäften nur im Heimkanton, andere haben Töchter im Ausland. Die Basler Kantonalbank besitzt mit der Bank Cler gar eine schweizweit tätige Tochter, die Kantonalbanken direkt konkurrenziert. «Es wäre ehrlicher, ‹BKB› an die Filialen zu schreiben», sagt ein Banker. «Dann wäre es wenigstens klar.» Doch um Transparenz geht es nicht. Das Bild der geeinten Familie soll gewahrt bleiben. 

Keine Hypotheken für Basler in Appenzell

Einer, der von Expansionen in fremde Gebiete nichts hält, ist Ueli Manser, Chef der Appenzeller Kantonalbank. Ihn interessiert nur seine Region. Selbst im ausserrhodischen Herisau verzichtet er auf eine physische Präsenz, obwohl es dort seit 1996 keine eigene Kantonalbank mehr gibt. Die dortige Filiale betreibt die St. Galler Kantonalbank. 

«Wir wollen unsere Kunden kennen», sagt Manser. «Wenn Sie als Basler bei uns eine Hypothek wollen, mache ich keine Offerte. Für ein Lohnkonto schicke ich Sie zu Ihrer eigenen Kantonalbank.»

Eher traditionell sieht es auch Pascal Niquille, Chef der Zuger Kantonalbank. Er habe das Glück, in einer prosperierenden Gegend tätig zu sein, weshalb er die Kräfte auf diese konzentrieren wolle, sagt er. Die Konkurrenz nimmt er selbstbewusst und gelassen.

Logos der Kantonalbanken von Neuenburg, Waadt, Basel, Wallis, Bern und Tessin

Zunehmender Wildwuchs: Logos von Kantonalbanken

Quelle: HZ/hec

Eines macht aber auch Niquille klar: «Wir Kantonalbanken sind keine Familie.» Das Wort habe etwas Zwingendes. Er möchte sich seine Partner aussuchen können, und das gehe in einer Familie nicht. Die Informatik lagere er lieber an die Swisscom aus, als dass er mit Kantonalbanken ein Gemeinschaftswerk gründen würde. «Dann kann ich wenigstens mit gutem Gewissen auf Qualität pochen und die Preise drücken.»

Wildwuchs bei Logos und Brands

Verbandsdirektor Hess hat sich damit abgefunden, dass seine Banken unkoordiniert eigene Wege gehen. Eine Gruppenstrategie gibt es nicht. Der Verband kümmert sich um die Marke und das politische Lobbying. Letzteres wird von allen Kantonalbankern gelobt. Man finde meist schnell eine gemeinsame Position, sagt GLKB-Chef Rhyner. «Und das trotz der grossen Unterschiede.»

Schwieriger wird es bei der Marke. Immer mehr Banken ändern das Logo nach eigenem Gusto ab. Die Walliser bauen Sterne ein, die Freiburger brechen es optisch auf. Auch der Name scheint vielen nicht mehr zu gefallen. Vor allem in der Romandie treten einige nur noch unter ihrer Abkürzung auf. Im Tessin heisst die Bank aus historischen Gründen Banca dello Stato.

Auch BLKB-Chef Häfelfinger hat einen Angriff auf die Marke vor. Schon bald werde die BLKB einen neuen Auftritt lancieren, der zu reden geben werde, sagt er. Details verrät er noch nicht. Aber warum er es macht: «Wir wollen unsere Meinungen stärker kommunizieren und brauchen eine Marke, die über die Region hinaus funktioniert.» Für Basel alleine wäre das nicht nötig.