Irgendwo in Zürich: Ein Business-Abend der feineren Sorte - die wenigen Damen tragen Kostüm, die Herren den dunklen Anzug. Nur ausgewähltes Publikum hat Zutritt. Alle warten gespannt auf den Ehrengast des Abends: Peter Wuffli kommt. Der Chef der UBS trägt vor und nimmt Stellung - aber fast noch wichtiger als die Rede des Bankiers ist das, was danach kommt: Zusammentreffen im überschaubaren Kreis - man kennt sich, tauscht die neuesten Gerüchte aus, man hilft sich.

Denn: Der Abend mit Wuffli war nicht irgendein Treffen. Hier ging es um Beziehungspflege: Der Ehemaligenclub des IMD hatte geladen - zu einem von etwa zwölf Anlässen, die über das Jahr verteilt die Bande zwischen den Absolventen der Kaderschmiede aus Lausanne stärken. «Ein sehr lebendiger Kreis», berichtet Klaus Stöhlker, der dabei war: Das IMD mache professionelle Netzwerk-Arbeit, bringe seine Ehemaligen immer wieder zusammen, fördere den Aufbau von Kontakten, sagt der Zürcher Kommunikationsberater.

In turbulenten Zeiten sind Anlässe wie der des IMD besonders wichtig. Rezession in vielen Branchen lässt Karrierewege in unsicheres Gelände führen - und weil mancher Auftrag ohne Vitamin B nicht zu bekommen ist, zählen die richtigen Verbündeten. Netzwerke und Seilschaften bieten geschäftlichen Zusammenhalt in schwierigem Umfeld. «Man greift gern zurück auf Leute, die man kennt», beschreibt Heinrich P. Stampfli, Mitinhaber der Orbis Executive Search AG, Zürich, das ganz normale Rudelverhalten der Alphatiere im Geschäft.

Die Einsicht der Netzwerker in einer Wirtschaft nahe dem Nullwachstum: Beziehungen helfen, doch noch an die nächste Beförderung oder einen Anschlussjob zu kommen. Kommunikator Stöhlker, zu dessen Lebensmotto die Regel «Jeden Tag zwei neue Menschen kennenlernen» gehört, bestätigt die Einsicht: «Wer Karriere machen will, sollte viele geeignete Mitstreiter kennen.» Das schaffe Absicherung für den Aufstieg auch in ungemütlichen Wetterlagen.

Dass Netzwerke und Seilschaften nützlich sind, hat auch die Wissenschaft schon vor Jahren bestätigt. «Ein Drittel der Top-Manager ist mit Unterstützungsnetzwerken weiter gekommen», ermittelte Erwin K. Scheuch, Pionier der Erforschung von Beziehungsnetzen und Seilschaften, heute Emeritus der Universität Köln. In seinen Studien stellte er fest: Mentoren, die weiterhelfen, sind wichtig für das berufliche Fortkommen. Wenn einem Aufsteiger ein oder zwei Mentoren unter die Arme griffen, beschleunige das die Karriere. «Über 30 Prozent der Top-Manager bekennen, zu einem Personenkreis zu gehören, der sich gegenseitig hilft», fand Scheuch bei seinen Analysen heraus.

Was zählt, ist dazuzugehören: Wichtige Netzwerke in der Wirtschaft sind etwa die Ehemaligenklubs - die Zugehörigkeit zu einer Alma Mater schweisst zusammen, auch in der Zeit nach dem Diplom. Alumni des IMD sind auch mit denen von Harvard vernetzt - in der Schweiz gibt es manche gemeinsame Veranstaltung. Auch die HSG betreibt wirkungsvolle Alumni-Arbeit: «Eine gute Plattform für Kontakte im deutschsprachigen Europa», urteilt Netzwerker Stöhlker.

Dass der Ehemaligen-Gedanke zieht, haben längst auch Unternehmen entdeckt - mit Erfolg etwa die McKinsey-Unternehmensberatung. «The Firm», wie sich die Beratung intern nennt, schliesst mit den Ihren ein Bündnis auf Lebenszeit. Wer ausscheidet, wird Mitglied bei den McKinsey-Alumni. Hier gibt es, wie in anderen Klubs dieser Art, Jahresfeiern, Vorträge, Weiterbildungen. «Eines der bestgepflegten Beziehungsnetze», taxiert Stefan Vogler, Chairman der Werbeagentur Grey Worldwide, Zürich, die Qualität des Meckie-Netzes, dessen Devise «Wir kennen uns, wir helfen uns» schon vielfach gut funktioniert hat.

*Geben ist seliger als Nehmen*

Wer von einem Netzwerk getragen werden will, muss freilich auch seine Regeln einhalten - egal ob es sich um den Rotary-Club, den Alumni-Verein der Universität oder einen Kreis ehemaliger WK-Teilnehmer handele: Vorgabe eins formuliert Berater Stöhlker: «Beitragen, Nutzen bieten.» Wer bei einer Seilschaft mitmache, müsse den anderen etwas offerieren können - Informationen, Wissen und Kontakte etwa. Wer das nicht bringt, taugt nicht für das B-Netz: «Wer sich nur hinsetzt und wartet, dass er mitgenommen wird, dürfte kaum lange dabei bleiben.»

Eine andere Überlebensregel: Offenheit und Toleranz. «Jeden im Netzwerk nehmen, wie er ist, und als Verbündeten ansehen», rät Gert Rippl, früher Geschäftsführer des Versandhauses Conrad Electronic und heute professioneller Aufsichts- und Verwaltungsrat, Hirschau. Nur mit dieser Bereitschaft zum Bündnis über die Charakter- und Haltungsunterschiede hinweg lasse sich ein Nutzen für alle erreichen.

*Gefahr von Inzucht und Qualitätsverlust*

Überdies ist es wichtig, selbst neue Kontakte zu suchen und diese in das Netzwerk einzubringen: «Beziehungen leben davon, dass Vertrauen geschaffen und weitergegeben wird», sagt Grey-Chef

Vogler. Auch hier ist also Geben gefragt: Wer zwei Menschen, die einander nützen können, zusammenbringt, hat zwei neue Freunde im Geschäft gewonnen - und sein eigenes Netz gestärkt.

Management per Beziehung hat freilich auch Kehrseiten. Eine davon nennt Personalberater Stampfli: «Das Netz darf nicht dazu führen, dass man nur noch mit Menschen zu tun haben will, die man kennt.» Das führe zu Inzucht und Qualitätsverlust - denn häufig befinde sich beispielsweise der Beste für eine bestimmte Aufgabe ausserhalb des Beziehungsnetzes.

Wenn in solchen Situationen dennoch nur auf Vitamin B gebaut wird, bekommt die Seilschaft schnell einen negativen Beigeschmack: «Es gibt unterschiedlichen Filz. Der eine ist unvermeidbar, sogar nützlich, den anderen gilt es vehement zu bekämpfen», sagen Peter Brogle und Martin Wedenberg in der Studie «Corporate Governance» für das Wirtschaftswissenschaftliche Zentrum der Universität Basel.

Ihr Beispiel: Der Verwaltungsrat der SAir-Group. Hier habe ein Kartell regiert, das sich überwiegend aus Mitgliedern des Verbandes Economiesuisse und Verbündeten der SAir-Hausbank Credit Suisse rekrutierte - ein, wie sich später herausstellte, für die Fluggesellschaft verhängnisvolles Beziehungsgeflecht: Die Swissair ging pleite, alle Verwaltungsräte verloren in der Folge ihren Posten.

Das ist der Preis der Seilschaft: «Wenn man mitmacht, muss man bereit sein, die Konsequenzen zu tragen», sagt Werbemann Vogler. Das Risiko: Wenn einer stürzt oder die gemeinsame Sache schief geht, werden die anderen mitgerissen.

Aber was dann für die Betroffenen das Ende eines Arbeitsfeldes bedeuten kann, ist für ein Unternehmen oft die notwendige Bereinigung - Motto: die alte Seilschaft geht, die neue kommt. Denn egal ob ein neuer Generaldirektor oder ein neuer Abteilungsleiter installiert wird - seine bewährte Sekretärin und ein paar Vertraute bringt er in vielen Fällen gleich mit.

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