Schon nach der Vorspeise hatte er, ohne es zu wissen, keine Chance mehr auf den neuen Kaderposten im Private Banking. Für diesen Job standen zwei Kandidaten zur Auswahl. Das Zünglein an der Waage war am Ende das gemeinsame Mittagessen mit den Vorgesetzten. «Als der eine Kandidat nach dem ersten Gang genüsslich das Messer ableckte, war er aus dem Rennen. So hat er sich ganz unbewusst die Karriere weggeschleckt», erzählt Benimm-Expertin Lucia Bleuer.

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Damals war sie Leiterin des Direktoren- und Kundenrestaurants des ehemaligen Bankvereins, heute gibt sie Seminare zum Thema Benimm. «Beim Händeschütteln ist es wichtig, seinem Gegenüber in die Augen zu schauen. Die Herren möchte ich zudem bitten, nicht zu fest zuzudrücken – das erweckt den Eindruck, dominieren zu wollen. Und jetzt probieren Sie das bitte einmal mit Ihrem Nachbarn aus.» Unter der Aufsicht von Lucia Bleuler beginnt nun das grosse Shakehands. Es ist die erste Übung eines so genannten Smalltalk-Seminars und gleich eine sehr wichtige, denn vom ersten Eindruck hängt sehr viel ab. Nicht nur privat, sondern auch im Geschäft. «Wenn Sie ein Auto kaufen, dann vertrauen Sie auch eher dem Verkäufer, der zuvorkommend und höflich ist», erklärt Seminarleiterin Bleuler.

Was zunächst wie eine Binsenwahrheit klingt, ist für viele Berufstätige die entscheidende Stolperfalle auf der Karriereleiter. Denn schlechte Umgangsformen oder Tischmanieren können schon beim Einstellungsgespräch das Aus bedeuten – spätestens jedoch beim Anstreben einer Führungsposition.

Daran sollen die Seminarteilnehmer in Zukunft nicht scheitern. Denn hier lernen sie alles: vom Vorstellen und Miteinander-bekannt-Machen bis zum richtigen Outfit. Wer an dieser Veranstaltung teilnimmt, wurde entweder vom Arbeitgeber hergeschickt (wie die beiden Männer aus der Vertriebsabteilung eines Energiekonzerns) oder spendiert sich den Kurs für 590 Franken gleich selbst (wie die Frau, die kürzlich in ihrer Bank zur Direktorin befördert wurde). Allesamt versprechen sie sich mehr Sicherheit im Umgang mit Kunden, bei geschäftlichen Anlässen und Präsentationen.

Dass Benimm-Regeln wieder en vogue sind, merkt die Seminarleiterin Bleuler an der steigenden Nachfrage nach ihren Kursen. «Es gibt einen richtigen Trend. Besonders junge Menschen wollen mehr zum Thema Benehmen lernen. Denn sie sind die Kinder der 68er-Generation, bei der Benimm oft als konservativ und spiessbürgerlich verpönt war», sagt Bleuler. Heute fällt man dagegen eher bei mangelhaftem Benehmen auf. Und zwar negativ.

Das ist auch bei ABB Schweiz der Fall. Hier spielen kulturelle und emotionale Kompetenz sowohl bei Bewerbungen als auch bei Beförderungen eine wichtige Rolle. «Gutes Benehmen ist schon bei der Auswahl unserer Trainees ein Punkt, auf den wir achten. Da wir nur eine begrenzte Zahl an Plätzen haben, sind unsere Vorgaben sehr ambitioniert. Ein gutes Auftreten ist dabei von Vorteil», sagt ABB-Sprecher Lukas Inderfurth. Waren die Anforderungsprofile der Unternehmen in puncto Benehmen lange Zeit ziemlich lasch, gewinnt dies nun an Bedeutung. Denn bei der heutigen Lage auf dem Arbeitsmarkt wird das Nadelöhr immer enger, und die Unternehmen haben eine grosse Auswahl an Bewerbern. So können sie auch wieder mehr auf diese so genannten Soft Skills achten. Bei Bewerbungsgesprächen muss man sich daher darüber im Klaren sein, dass ein gepflegtes Äusseres, ein respektvoller Ton und Zuvorkommenheit ebenso wichtig sind wie die Fachkompetenz. Ein Mittagessen gehört daher ebenso zum Bewerbungsverfahren wie andere Tests. «Beim Essen versuchen wir, eine stressfreie Situation zu schaffen. Aber wenn jemand das Essen in sich reinschaufelt, ohne zuzuhören, oder sich gegenüber dem Personal arrogant verhält, dann fällt das natürlich negativ auf», sagt Thomas Gartenmann, Recruting Director und Partner der Boston Consulting Group (BCG) in Zürich. Aber es ist bei BCG auch selbstverständlich, dass die Lernfähigkeit des Bewerbers überprüft wird. «Wenn ein Kandidat in diesem Bereich Defizite hat, dann fragen wir ihn, ob er sich vorstellen kann, diese abzulegen», fügt Gartenmann hinzu.

Für solche Fälle gibt es dann die zahlreichen Knigge- und Benimm-Seminare, die derzeit einen richtigen Boom erleben. Bei einigen Unternehmen gibt es aber auch Kurse, die intern regelmässig angeboten werden – wie das «Butler-Seminar» bei IBM Schweiz. Seminarleiter ist hier ein zertifizierter Butler. Unter der Überschrift «Umgangsformen heute» lernen die Teilnehmer zum Beispiel Begrüssungsrituale, Smalltalk, Körpersprache oder die wichtigsten Regeln der Bestecksprache kennen. «Obwohl diese Kurse am Abend stattfinden und ein symbolischer Kostenbeitrag verlangt wird, sind sie stets ausgebucht», sagt Barbara Bourouba, Human-Resources-Leiterin bei IBM Schweiz, und liefert auch die Erklärung dafür: «Die Menschen wissen eben, wie wichtig diese Dinge inzwischen sind.»

Für Mitarbeiter mit sehr viel Kundenkontakt wie beispielsweise im Verkauf gibt es zudem den Kurs «Auftreten und Präsentieren». Hier geht es nicht einfach um Präsentationstechniken, sondern um Themen wie Begrüssen, Vorstellen und Erscheinungsbild.

Denn beim ersten Eindruck gilt: Kleider machen Leute. Schon nach drei Sekunden ist entschieden, ob man auf sein Gegenüber sympathisch wirkt – oder eben nicht. Bei einem Verkaufsgespräch kann die Mickymaus-Krawatte schon das Aus bedeuten. Wer sich passend kleidet, wirkt erfolgreicher und glaubwürdiger. Daher ist es entscheidend, sich an den Dresscode seiner Firma zu halten. Bei IBM wurde dieser im vergangenen Jahr neu definiert. «Das kam dadurch, dass die letztjährige Sommermode gerade für Damen sehr casual und dem Umfeld innerhalb unserer Firma nicht angemessen war», sagt Personalchefin Bourouba. «Wir möchten, dass unsere Belegschaft auch mit ihrer Kleidung internen und externen Kunden Respekt zollt.» Besonders bei Banken und Versicherungen hat das Erscheinungsbild einen hohen Stellenwert. Turnschuhe, tiefe Ausschnitte oder Motivsocken sind hier nicht erwünscht. Die Credit Suisse hat daher Anfang des Jahres eine Broschüre für das Schalterpersonal und die Kundenberater publiziert. Darin werden die Kleidervorschriften der Bank zusammengefasst. Outfit ist eben auch Kommunikation und spiegelt die innere Haltung.

«Achten Sie darauf, dass Sie nie drei Farben oder Muster gleichzeitig tragen», erklärt Lucia Bleuler den Seminarteilnehmern. Die Krawatte hat die optimale Länge, wenn ihre Spitze gerade den Gürtel berührt. Weisse Socken gehören nur in den Freizeitbereich. Schuhe sollten im gleichen Ton oder dunkler als die Hose sein. So viele Regeln!

Der Herr aus der Vertriebsabteilung des Energiekonzerns schaut reichlich zerknirscht an sich herab und meint: «Morgen soll wieder meine Frau meine Kleider aussuchen.»

Zehn Benimm-Regeln
Hätten Sie es gewusst?


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Sie wollen einen Kunden und Ihren neuen Assistenten miteinander bekannt machen. Wer wird wem zuerst vorgestellt?


Der Assistent wird dem Kunden zuerst vorgestellt. Grundsätzlich stellt man die jüngere der älteren Person vor, die weniger prominente Person der prominenteren, den Herrn der Dame. Dahinter steckt die Idee, dass der Ranghöhere beziehungsweise die Frau den Namen des Rangtieferen beziehungsweise des Mannes zuerst erfahren soll.


Bei einem Businessanlass wird Champagner gereicht. Stossen Sie mit Ihrem Chef an, sodass die Gläser klirren?


Das sollten Sie lieber lassen. Angestossen wird eigentlich nur bei besonderen Gelegenheiten wie Hochzeiten oder Geburtstagen und unter Freunden oder in der Familie. Dann darf man allerdings mit jedem Getränk die Gläser klirren lassen. Bei einem geschäftlichen Anlass bleibt es beim Zuprosten, wobei man nicht vergessen darf, seinem Gegenüber in die Augen zu schauen.


Sie haben ein Abendessen im Restaurant beendet. Wohin mit der Serviette?


Die Serviette wird locker zusammengelegt und mit der schmutzigen Seite nach innen neben dem Teller deponiert. Sie gehört weder auf den Stuhl noch auf den Teller – das gilt auch für Papierservietten.


Auf dem Tisch steht ein Behälter mit Zahnstochern. Ist das die Legitimation dafür, nach dem Essen eine gründliche Zahnreinigung vorzunehmen?


Davon raten wir dringend ab. Zahnstocher sollten nur im äussersten Notfall und hinter vorgehaltener Hand zum Einsatz kommen. Und auf gar keinen Fall dann, wenn andere Gäste noch am Essen sind. Für die ausführliche Zahnpflege gehen Sie lieber auf die Toilette.


Sie haben sich zu einem Meeting verspätet. Entschuldigen Sie sich beim Eintreten?


Um das Gespräch nicht noch mehr zu stören, warten Sie mit Ihrer Entschuldigung besser bis zur nächsten Pause. Setzen Sie sich möglichst schnell und leise auf Ihren Platz. Sollten Ihre Kollegen bei Ihrem Eintreffen ohnehin das Gespräch unterbrechen, sollten Sie Ihre Entschuldigung sofort vorbringen.


An einem Apéro unterhalten Sie sich angeregt mit einem anderen Gast, der offensichtlich einige Jahre älter ist als Sie. Ist es eine freundliche Geste, ihm das Du anzubieten?


Das hängt davon ab, ob Sie eine Frau oder ein Mann sind, denn beim Duzen gelten ähnliche Regeln wie beim Vorstellen: Die Dame bietet dem Herrn das Du an, die ältere Person der jüngeren und die prominentere Person der weniger prominenten.


Als echter Suppen-Maniac wollen Sie keinen Tropfen verkommen lassen. Darf man kleinere Suppentassen am Schluss austrinken?


Das ist kein Problem. Halten Sie die Tasse dazu an einem der Henkel fest.


Sie gehen ins Theater. Das Publikum sitzt bereits. Wie kämpfen Sie sich am höflichsten zur Mitte einer engen Sitzreihe durch?


Auf dem Weg zum Platz wird der Reihe das Gesicht zugekehrt und möglichst zügig vorbeigegangen. Den Rücken zu zeigen, wäre extrem unhöflich. Das gilt für alle Orte, wo es Sitzreihen gibt. Die einzige Ausnahme ist die Kirche: Dort blickt man mit den Augen immer in Richtung Altar.


An einem Meeting muss der Kollege oder die Kollegin neben Ihnen laut niesen. Was tun Sie?


Sie sagen nichts und tun so, als wäre nichts geschehen. Es könnte dem Niesenden peinlich sein, oder er fühlt sich sogar als Störenfried. Dies muss man nicht mit einem «Gesundheit!» auch noch verstärken.


Sie fahren mit einem Kunden oder Ihrem Chef im Lift. Beim Einsteigen haben Sie ganz richtig dem anderen den Vortritt gelassen. Ist das beim Aussteigen auch notwenig?


Nein. Aus praktischen Gründen kann aus einem Lift derjenige zuerst aussteigen, der am nächsten an der Tür steht.


So vermeiden Sie, dass sich Ihr Chef an Ihnen vorbeiquetschen muss.