Wer es bis zum vierzigsten Geburtstag nicht schafft, in der Poleposition auf dem Weg nach ganz oben zu sein, hat schlechte Karten. Wer schlau ist, wartet gar nicht ab, sondern macht sich sofort selbstständig. Dann sind die Chancen grösser, etwas bewegen zu können.

Heute setzen nur noch die Grössenwahnsinnigen auf eine Karriere in einem grossen Unternehmen. Denn die Wahrscheinlichkeit, die oberste Karrieresprosse in einem Schweizer Konzern zu erreichen, mag zwar etwas grösser sein als die Chance für einen Sechser im Lotto, doch als Grundlage für eine vernünftige Lebensplanung ist sie dennoch viel zu klein. Und die klassischen Karrierechancen dürften sich in den nächsten Jahren weiter verschlechtern. In Zeiten immer

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flacherer Hierarchien wird es kaum genügend Posten und Pöstchen in den Unternehmen geben, mit denen man die eifrigen Karrieristen versorgen kann.

In den letzten Jahren hat fast unmerklich ein Strukturwandel stattgefunden, den man zunächst für eine Begleiterscheinung der Rezession gehalten hat: der Abbau von Stellen vor allem im Bereich des mittleren Managements. In der Schweiz gingen in den letzten zehn Jahren im Finanzsektor einige Zehntausend Arbeitsplätze verloren. Die Verwaltung begann ebenfalls damit, Stellen abzubauen, und auch in Industriekonzernen haben sich die Reihen der Angestellten im Bereich des Managements gelichtet.

Lange Zeit glaubte man, Firmen reduzierten den Personalbestand nur kurzfristig, um später, wenns wieder aufwärts ginge, wieder aufzustocken. Doch die Fakten zeigen heute ein anderes Bild: Die Arbeit kann mit weniger Leuten bewältigt werden. Überflüssig sind vor allem jene, die nicht selber Wertschöpfung generieren, sondern Aufsichtsfunktionen haben: die Manager auf der mittleren Führungsebene. Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass Angestellte im Management künftig zu einer raren Sorte Arbeitnehmer gehören werden. In den vergangenen Jahren wurden zum Beispiel in den USA doppelt so viele Managementpositionen abgeschafft wie neue geschaffen.

Schuld daran sind drei Entwicklungen, die in den letzten zehn Jahren das Arbeitsleben in den meisten Firmen gründlich verändert haben. Erstens hat die Einführung der Informationstechnologie die herkömmlichen vertikalen Dienstwege abgelöst. An ihre Stelle sind je nach Bedarf flexible und temporäre horizontale Organisationsstrukturen gerückt. Zweitens üben viele Angestellte je nach Projekt verschiedene Funktionen aus: einmal eine Vorgesetztenfunktion, ein anderes Mal eine einfache Teilnehmerfunktion. Drittens werden durch die wachsende Anzahl von Teamarbeiten viele der klassischen Überwachungsfunktionen in den Unternehmen überflüssig. Es wimmelt in der Wirtschaft von gut Ausgebildeten, die während des Studiums und später im Job gelernt haben, sich zu organisieren und selbstständig zu arbeiten. Aufpasser, die pedantisch auf die Einhaltung aller Vorgaben und Prozesse achten, brauchts so nicht mehr.

Vor allem die horizontalen Organisationsstrukturen machen viele Manager überflüssig. Immer mehr Aufgaben werden nicht mehr innerhalb einer Abteilung oder einer Division erledigt. Stattdessen werden Spezialisten beigezogen, die man für die Bewältigung einer Aufgabe braucht. Ein Projekt zum Beispiel, das vor zehn Jahren vielleicht noch ganz allein von der HR-Abteilung vorangetrieben wurde, wird heute mit internen Partnern aus den Bereichen Corporate Communications und Marketing realisiert. Multifunktionalität ist für viele der Angestellten selbstverständlich geworden.

Die Informationstechnik hat dieser Arbeitsform zum Durchbruch verholfen. Ohne grossen organisatorischen Aufwand lassen sich relevante Informationen innerhalb eines Unternehmens verbreiten. Die Spezialisten sucht man sich in den verschiedenen Abteilungen zusammen. In den meisten Schweizer Firmen, die Niederlassungen im Ausland haben, ist die Arbeit in internationalen Teams längst Standard. Dass bei einem Projekt nicht nur Leute aus einer anderen Abteilung dabei sind, sondern auch Mitarbeiter, die bei Bedarf per Videokonferenz aus Deutschland, Frankreich oder den USA zugeschaltet werden, versetzt niemanden mehr in Erstaunen. Je nach Aufgabenstellung sind die Teams schnell aufgebaut und genauso schnell wieder aufgelöst. Neben der klassischen Organisationsstruktur eines Unternehmens, die auf Linienfunktionen baut, entsteht eine sich zum Teil selbst organisierende Struktur.

Diese Entwicklung steht erst am Anfang, denn mit den ad hoc gebildeten Teams lässt sich viel besser auf die wechselnden Herausforderungen des Marktes reagieren als mit den starren Strukturen, die heute in den Organigrammen festgeschrieben sind. Firmen, die schnell und innovativ auf die Herausforderungen reagieren wollen, greifen zu diesen bislang als unkonventionell geltenden Organisationsformen. Da die meisten Managementpositionen Linienfunktionen sind, geraten sie mit deren abnehmender Bedeutung unter Druck. Sie werden je länger, je mehr zu einem Anachronismus und zum Relikt einer Zeit, als man mit starren Strukturen gewinnen konnte.

Nicht nur weil die klassischen Säulen des Unternehmensaufbaus mit solchen Teams in Frage gestellt werden, spielen die klassischen Hierarchiepositionen in dieser Arbeitsform immer weniger eine Rolle. So ist es ganz selbstverständlich, dass man in einem Projektteam die Position auf dem Driver’s Seat hat, in einem anderen Team aber nur einfaches Teammitglied ist. Genauso selbstverständlich ist es, dass nicht zwingend der eigentlich ranghöchste Projektmitarbeiter an der Spitze stehen muss. Titel sind noch kosmetischer Natur und befriedigen höchstens die eigene Eitelkeit. Sie haben mit einer Funktion nur noch wenig zu tun.

Der Wegfall der Hierarchiestrukturen hat für Leute, die Karriere machen wollen, gravierende Konsequenzen: Die Leiter, die sie hochklettern wollen, ist weg. Zwar werden noch toll klingende Titel vergeben, doch in Teamarbeiten und in horizontalen Strukturen fühlen sich die wahren Shaker und Maker, die etwas bewegen wollen, ausgebremst. Zwar sind Projektteams schneller bereit, auf neue Herausforderungen zu reagieren, aber für den Einzelnen können sie eher wie Bremsklötze wirken. Da Konsens innerhalb von Projektgruppen oft entscheidender ist als das Vorankommen, fällt es Kadern in der teamorientierten Firmenwelt schwer, rasch Fortschritte zu erzielen. Sie kommen nicht so schnell voran, wie sie das gerne hätten – mit Folgen für das Ego. Die Zeiten, in denen Einzelne in einer mittleren Kaderstufe ihren Stempel einer Abteilung oder einem Bereich aufdrücken konnten, sind im Projekt- und Teamzeitalter vorbei.

Waren einst Militärköpfe als Führungspersönlichkeiten gefragt, wird nun eher der ausgleichende Typ gesucht, der Prozesse steuern kann, ohne die Geduld zu verlieren und Leute zu verschrecken. Kein Wunder, dass viele zupackende Leute, die etwas bewegen wollen, nach kurzer Zeit im Job feststellen: «Ich bin kein Konzernmensch.» Oft werden Entscheidungen in Teams vertagt, Prozesse verzögert, Zeit und Chancen vertan. Die Folge: Frustration. Die Lösung: ab in die Selbstständigkeit. Um den vierzigsten Geburtstag ist nicht der schlechteste Zeitpunkt.