Am 3. Dezember 2003 hat die EU-Kommission Geldbussen von insgesamt 101,44 Mio Euro gegen die Unternehmen des Kohlenstoff-Graphit-Kartells verhängt. Zwischen 1988 und 1999 hatten sechs Unternehmen 90% des europäischen Markts für Spezialprodukte aus Kohlenstoff und Graphit kontrolliert und wettbewerbswidrige Preiserhöhungen durchgesetzt.

Nicht alle Unternehmen traf die Strafe aus Brüssel gleich schwer. Der britischen Morgan Crucible Co. wurden sämtliche Sanktionen erlassen, weil sie der EU-Kommission entscheidende Informationen zur Aufdeckung des Kartells zur Verfügung gestellt hatte. Gegenüber einem weiteren Unternehmen, der französischen Carbone Lorraine SA, wurde die Geldbusse um 40% reduziert.

Das Kohlenstoff-Graphit-Kartell ist nur einer von zahlreichen Fällen, in denen die EU-Kommission hohe Geldbussen verhängt hat (siehe Grafik). Das Beispiel bestätigt die internationale Tendenz, Kartellsünder strenger zu bestrafen. Viele Länder haben zudem auch die Möglichkeit eingeführt, die verantwortlichen Manager mit Gefängnis- oder Geldstrafen persönlich zur Rechenschaft zu ziehen (siehe Tabelle).

Werden derartige Verhältnisse bald auch in der Schweiz Realität werden? Am 1. April 2004 wird das revidierte Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft treten. Dieses sieht vor, dass Unternehmen mit einem Höchstbetrag von bis zu 10% des in den letzten Jahren in der Schweiz erzielten Umsatzes gebüsst werden können.

*Direkte Sanktionen*

Derartige direkte Sanktionen sollen im Falle wettbewerbsrechtlicher Todsünden angeordnet werden können. Es sind dies:

-Preis-, Mengen- oder Gebietsabreden zwischen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbern;

-Abreden über Mindest- oder Festpreise sowie Marktaufteilungen, die auf Erlangung eines absoluten Gebietsschutzes ausgerichtet sind. Derartige Abreden dürfen auch nicht zwischen Wettbewerbern verschiedener Marktstufen getroffen werden, beispielsweise zwischen einem Hersteller und einem Importeur oder einem Importeur und einem Händler;

-die missbräuchliche Ausübung von Marktmacht, wie der Verweigerung von Geschäftsbeziehungen, Koppelungsgeschäfte, der Diskriminierung von Handelspartnern oder der Erzwingung von unangemessenen Geschäftsbedingungen.

*Bonusregelung*

Die direkten Sanktionen werden durch eine Bonusregelung ergänzt. Diese in den USA und in der EU seit längerem praktizierte Regelung erlaubt es, auf eine Geldbusse ganz oder teilweise zu verzichten, wenn ein Unternehmen an der Beseitigung der Wettbewerbsbeschränkung mitgewirkt hat.

Die Geldbusse kann nur gegenüber einem einzigen Unternehmen vollständig erlassen werden, nämlich dem Unternehmen, das der Wettbewerbsbehörde als erstes Informationen zur Aufdeckung der Wettbewerbsbeschränkung geliefert hat. Andere Unternehmen können grundsätzlich nicht mit einem vollständigen Erlass der Geldbusse rechnen. Falls das Unternehmen die wettbewerbsbeschränkende Tätigkeit eingestellt und im Verfahren mitgewirkt hat, kann die Geldbusse aber auch in der Schweiz bis um 50% reduziert werden.

Um die mit der Einführung von hohen Geldbussen verbundene Rechtsunsicherheit zu mindern, können geplante Wettbewerbsbeschränkungen bei der Wettbewerbskommission gemeldet werden. Gestützt auf eine Meldung muss die Wettbewerbskommission innert fünf Monaten entscheiden, ob sie die gemeldete Wettbewerbsbeschränkung als unbedenklich erachtet oder ob sie ein formelles Verfahren eröffnen will. Leitet die Wettbewerbskommission innert fünf Monaten weder eine Vorabklärung noch eine Untersuchung ein, ist das Unternehmen in Bezug auf den gemeldeten Sachverhalt von wettbewerbsrechtlichen Sanktionen befreit.

*Schärfere Mittel für Weko*

Mit dem neuen Wettbewerbsrecht sollen nicht nur die Strafen verschärft, sondern soll auch die Entdeckungswahrscheinlichkeit erhöht werden. Diesem Ziel dienen neben der Bonusregelung vor allem auch die weit gehenden Untersuchungsbefugnisse. Die Wettbewerbskommission (Weko) soll deshalb neu auch Hausdurchsuchungen durchführen und Beweismaterial sicherstellen können. Hausdurchsuchungen, wie sie beispielsweise jüngst vom deutschen Kartellamt bei Holcim Deutschland und weiteren Zementherstellern durchgeführt wurden, werden in naher Zukunft auch in der Schweiz stattfinden können.

Aufgrund dieser verschärften Sanktionen und Untersuchungsbefugnisse ist es unerlässlich, dass die Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit dem neuen regulatorischen Umfeld anpassen. Dazu sind die Möglichkeiten der Übergangsfrist zu nutzen. Von besonderer Bedeutung ist die rechtzeitige Einführung von Compliance-Programmen. Diese verbessern nicht nur die Chancen, dass wettbewerbswidriges Verhalten im Unternehmen rechtzeitig entdeckt wird, sondern können bei der Sanktionsbemessung auch als Reduktionsgrund berücksichtigt werden.

Mit der Einführung der direkten Sanktionen und der Bonusregelung hat der schweizerische Gesetzgeber juristisches Neuland betreten. Er hat sich dabei offensichtlich von ausländischen Regelungen leiten lassen. Es ist daher absehbar, dass europäische Verhältnisse bald auch in der Schweiz Realität werden. Umso wichtiger ist es, dass sich Unternehmen rechtzeitig auf das geänderte wettbewerbsrechtliche Umfeld einstellen.

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Der Verfasser ist für Kartell- und Wettbewerbsrecht verantwortlicher Partner bei Naegeli & Streichenberg Rechtsanwälte in Zürich. Er ist Mitorganisator und Tagungsleiter der vom Europainstitut Basel am 8. Juni 2004 organisierten Veranstaltung über die Koordination zwischen dem schweizerischen und europäischen Wettbewerbsrecht.

Das neue Kartellgesetz ist auch Thema am 6. Juli 2004 an der Fachtagung in Zürich-Opfikon des Euroforums. Experten erläutern und diskutieren Chancen und Risiken der Revision für Schweizer Unternehmen. Mit dabei ist auch Weko-Präsident Stoffel. Information und Anmeldung bei: Euroforum HandelsZeitung Konferenz AG, Seestrasse 344, 8027 Zürich, Telefon 01 288 94 64,

E-Mail: monika.lusser@euroforum.ch, oder auf www.euroforum.ch.