Sechs Monate, nachdem der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) den Mindestkurses von 1,20 je Euro aufgegeben hat, ist der Franken noch immer stärker als dieses Niveau. Und selbst in viereinhalb Jahren wird sich die eidgenössische Währung noch nicht komplett von ihrer Rally nach dem SNB-Schritt erholt haben, zeigen Schätzungen von Analysten.
Das wäre ein schwerer Schlag für die Schweizer Wirtschaft. Die weltweit stärkste Entwicklung beim Franken in diesem Jahr lastet bereits auf dem Wachstum und begünstigt einen Rückgang der Verbraucherpreise. SNB-Chef Thomas Jordan steckt in der Klemme, weil die Lage jenseits der Grenze im Euroraum noch schlimmer aussieht.
«Erwarten nur eine langsame Bewegung»
«Es ist schwer, den Franken allzu negativ zu betrachten, wenn die Probleme der Eurozone existieren und festgefahren sind», erklärt Peter Frank, Leiter G-10-Devisenstrategie bei Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA in London. Beim Schweizer Franken «erwarten wir nur eine langsame Bewegung» nach unten. Frank prognostiziert zum Jahresende einen Kurs von 1,06 je Euro, der sich im März 2016 auf 1,10 abschwächt. Der Franken notierte am Freitag um 9:17 Uhr bei 1,0421 je Euro.
Die Medianschätzung aus einer Bloomberg-Umfrage liegt für Ende 2015 bei 1,05 Franken je Euro. Basierend auf den Prognosen wird sich der Franken bis Ende 2018 lediglich auf 1,19 je Euro abschwächen.
Ein Dilemma für die SNB
Jordan und die SNB stehen vor einem Dilemma. Sie sind nicht willens, eine «unkontrollierbare» Ausweitung der SNB-Bilanz hinzunehmen, die eine Deckelung der Währung riskieren würde. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach dem Franken stetig nicht nur als sicher geltender Hafen während Griechenlands Schuldenkrise, sondern auch weil die Europäische Zentralbank Milliarden von Euro in den Währungsraum pumpt, um das Wachstum anzukurbeln.
Doch selbst nachdem Griechenland in dieser Woche eine Einigung mit den Gläubigern erreicht hatte, schwächte sich der Franken nicht ab, sondern verzeichnete den stärksten Zweitagesgewinn in diesem Monat. Die Aufwertung sorgte dafür, dass der Franken gemessen an der Kaufkraftparität gegenüber Euro und Dollar mindestens 31 Prozent überbewertet war, zeigen entsprechende Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Jordan hatte gesagt, die Landeswährung sollte sich im Laufe der Zeit abschwächen, während sich die Weltwirtschaft erholt und Anleger sich nach Alternativen zu dem Schweizer Einlagensatz von minus 75 Basispunkten umschauen.
Aufgabe des Franken-Deckels hatte ihren Preis
Die Aufgabe des Franken-Deckels hatte ihren Preis. Die Wirtschaft dürfte im zweiten Quartal in ihre erste Rezession seit dem Jahr 2009 abgerutscht sein, ergab die jüngste monatliche Umfrage von Bloomberg. Die Verbraucherpreise in der Schweiz lagen in jedem der drei Monate bis Juni um ein Prozent oder mehr unter dem Vorjahresniveau.
«Selbst wenn das sehr schmerzhaft ist, stellt sich die Frage, welche effektiven Schritte sie einleiten können», sagt Steven Englander, Leiter G-10-Devisenstrategie bei Citigroup Inc. in New York, dem weltgrössten Devisenhändler. «Für den Fall dass diese griechischen Risiken immer wieder aufkommen, macht es keinen Sinn, jetzt irgendwas Dramatisches zu versuchen, weil man später sonst den Einsatz erhöhen muss.»
Keine massgeblichen Veränderungen am Horizont
Citigroup zufolge dürfte der Franken bis zum Jahresende bei 1,05 je Euro gehandelt werden. Am 15. Januar, dem Tag als der Mindestkurs gekippt wurde, schoss der Franken auf den Rekordkurs von 85,17 Rappen je Euro hoch. Der Index von JPMorgan Chase & Co. zur Darstellung der weltweiten Wechselkursvolatilität erreichte damals den höchsten Stand seit etwa eineinhalb Jahren.
Adam Myers, Leiter europäische Währungsstrategie bei der Sparte für Firmenkunden und Investmentbanking von Credit Agricole SA in London, zufolge zeichnen sich keine massgeblichen Veränderungen am Horizont ab. In den kommenden zwei Jahren entwickelt sich der Franken seiner Einschätzung nach gegenüber dem Euro «nahezu flach».
(bloomberg/ccr)