Bei mir gibt es kein Pflichtenheft», sagt Domenic Steiner, während wir durch den Tunnel vom Thermoplan-Werk 1 ins Werk 2 gehen. «Wenn ich sehe, dass jemand gut ist, dann erhält er mehr Verantwortung. Und wenn es der Richtige ist, dann nimmt er sie gerne an und wächst damit. Ich investiere in die Menschen und dabei kommt viel zurück. Im Grunde genommen sind wir einfach eine Familie.»
Eine wachsende Familie: Das Unternehmen in Weggis ist im derzeitig mauen Wirtschaftsklima ein Phänomen. Von 1999 bis 2000 wurde die Produktionsmenge verdoppelt, nachdem die Verträge mit Starbucks zustande gekommen waren.
Kürzlich hat Steiner 1300 McDonald's in England und Irland mit seinen Kaffeemaschinen ausgestattet. Mit Starbucks hat er Verträge bis ins Jahr 2010 abgeschlossen. Sobald das geplante Werk 3 gebaut sein wird, dürften zu den aktuell 120 Mitarbeitern noch 50 dazukommen.
Das Unternehmen wächst, und Steiner bleibt sich treu. «Ich mag kein Hire & Fire», sagt der Mann, der die Unternehmensführung nicht in Seminaren, sondern im Leben gelernt hat.
Es sei ihm wichtig, alle Anstellungsgespräche gemeinsam mit seiner Frau Esther zu führen wie auch die Gespräche Ende Jahr. Wer keine hohe Jobfluktuation in seinem Unternehmen will, muss sich bei Bewerbungen auch einmal auf seine Intuition verlassen und auf seine Erfahrung. Steiner hat beides.
Als global ausgerichtetes Unternehmen müssten seine Mitarbeiter Englisch sprechen, sagt Steiner. Deshalb beschäftigt er einen vollamtlichen Englischlehrer, der seine Mitarbeiter einzeln oder zu zweit unterrichtet.
Einer der Jungen habe erst kein Englisch gekonnt, sei aber fachlich hervorragend gewesen. Nachdem er nun Englisch gelernt habe, sei er jetzt drüben in den USA, wo er Schulungen durchführt. «Ich erhalte fast täglich Mails von ihm. Der Bursche ist ein echter Thermoplaner», sagt Steiner. Was charakterisiert einen Thermoplaner? «Er ist nicht aufdringlich und sehr kompetent. Mir gefallen Menschen, denen man in die Augen schauen kann.»
«In den letzten Jahren haben wir begonnen, die Strukturen zu professionalisieren, indem wir sehr qualifizierte Leute eingestellt haben. Wir haben nun ein sehr professionelles Kaderteam», sagt Steiner. Mit diesem Kaderteam macht er jeweils um 8.15 Uhr eine kurze Sitzung, um sich über die wichtigsten Neuigkeiten auszutauschen. Probleme werden danach bilateral behandelt.
Und dann hält Steiner an einem Montagearbeitsplatz an, auf dem ein Metallgehäuse steht: «Auf dieser Stufe der Produktion sehen Sie, wie die Kaffeemaschine allmählich Form annimmt.» Eine solche Maschine besteht aus bis zu 800 Einzelteilen, die zu 90% in der Schweiz hergestellt werden.
«Wichtig ist, dass die Aktien in Zukunft in Familienbesitz bleiben», sagt Domenic Steiner, «auch wenn später einmal ein CEO von aussen kommt.» Seine Frau Esther und er haben viel Freiheit in den unternehmerischen Entscheidungen, weil das Unternehmen nie finanzielle Fremdbeteiligungen angenommen hat auch wenn die Banken darauf gedrängt haben.
Die Steiners können schon während des Jahres Pläne für das nächste Jahr in die Wege leiten, ohne die Jahresabschlüsse abwarten zu müssen. Sie müssen nicht reagieren, sondern sie agieren und je nachdem ziemlich schnell. «Wenn wir nicht einmal aus dem Bauch heraus handeln könnten, dann hätte es manche Innovation wie etwa unseren Kaffeevollautomaten nie gegeben», sagt Domenic Steiner.
«Wir haben sehr viel in die Entwicklung neuer Produkte investiert, was so nur möglich war, weil wir niemandem Rechenschaft ablegen mussten», sagt Steiner, der aus Sicht der Bank oftmals als Risikofaktor galt.
Einmal hatte ihm die Bank vorgeworfen, dass er pro verdientem Franken eineinhalb Franken für die Entwicklung ausgebe. Aber Forschung und Entwicklung seien ihm wichtig, meint er.
Tüftler-Zentrum im Wallis
In St-Pierre-de-Clarges im Wallis hat Steiner ein Kreativ-Zentrum aufgebaut, in dem 13 Ingenieure fernab vom Tagesgeschäft neue Technologien entwickeln. Der Standort im Wallis geht darauf zurück, dass die ersten beiden Forscher Walliser sind. Es ist wohl einfacher, das Matterhorn zu versetzen, als einen Walliser zu entwurzeln.
Selbstverständlich wird nicht alles, was im Wallis ertüftelt wird, auf dem Markt lanciert. Aber die Ingenieure haben patentierte und unauswechselbare Produkte entwickelt; etwa das modulare System, bei dem Ersatzkomponenten eingesetzt werden, wenn einzelne Module in den Service gebracht werden. Die Maschine fällt so nicht aus.
Durch solche USPs (Unique Selling Propositions) muss sich Thermoplan nicht auf die branchenüblichen Preiskämpfe mit der Konkurrenz einlassen. «Wir schrauben die Preise durch Rationalisierung in der Produktion herunter», sagt Steiner, der einen Mitarbeiter eingestellt hat, der von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz geht, um bei der Montage die Rationalisierung voranzutreiben.
Keine definitive Sicherheit
Das alles ist schön und gut aber was ist, wenn nun plötzlich ein Grosskunde aussteigt? Was, wenn die Krise Weggis erreicht? «Wichtig ist, in guten Zeiten Substanz zu schaffen und zugleich die Fixkosten tief zu halten», sagt Steiner. Wenn er demnächst das Werk 3 baue, dann müsse das finanziell schnell verdaut sein. Sonst könnte es in Krisenzeiten eine problematische Altlast werden.
Und wer bei einem Umsatzeinbruch von 20% schon rote Zahlen schreibe, sei finanziell nicht stabil, meint Steiner. «Die Finanzen müssen stabil sein, auch wenn es einmal um eine Nachfolge geht egal, ob es ein Familienexterner oder -interner ist. Ich kann doch niemandem eine finanziell angeschlagene Firma übergeben.»
Um sechs Uhr früh beginnt Domenic Steiner täglich mit der Arbeit. Wenn es nach ihm geht, dann noch möglichst lange. «Aber wie lange das alles noch dauert, das bestimmt letztlich ein anderer», meint Steiner. Seitdem Ester und Domenic Steiner vor knapp 15 Jahren ihren Sohn und ihre Tochter verloren haben, ist ihnen bewusst, dass es keine definitiven Sicherheiten gibt.
Wer die Firma einst führen wird, das ist steht in den Sternen. Der Enkel der Steiners ist heute 21 Jahre alt, und er macht demnächst ein Praktikum in der Firma und die HSV. Domenic Steiner nimmt ihn mit in die USA, wenn er die neuen Starbucks-Verträge unterschreibt. «Ich will ihm zeigen, dass dies nicht alles einfach ist. Aber er soll diese Welt riechen und dann frei entscheiden können.»
Domenic Steiners
Führungsgrundsätze
1. Vertrauen aufbauen.
2. Menschen individuell fördern und aufbauen.
3. Persönliche Gespräche führen.
4. Die Türe zum Chefbüro ist immer offen.
5. Täglich eine Kadersitzung.
Zur Person
Der Bäckersohn Domenic Steiner kam am 20. 9.1937 in Olten zur Welt. Er absolvierte eine Lehre bei den SBB.1983 machte er sich mit seiner Frau Esther mit Geräten für die Gastronomie selbstständig und wurde mit Rahmautomaten weltweiter Marktführer. Später kamen Geräte für Milchaufbereitung dazu. Auf Wunsch der Kunden lieferte er bald auch die entsprechenden Kaffeemaschinen. Heute verkauft Thermoplan davon ca. 8700 pro Jahr. Das Unternehmen wurde kürzlich mit dem Innovationspreis der Zentralschweizer Handelskammer ausgezeichnet.