Mit seinen heute knapp 450 Angestellten in den Niederlassungen Schweiz, Deutschland, Österreich, England, Spanien, Belgien, Holland und Frankreich ist das chinesische Unternehmen Kerry Logistics in der Alten Welt noch ein Zwerg. Doch das Expansionstempo und das Mutterhaus haben für die Konkurrenz ernst zu nehmende chinesische Dimensionen. Denn bis in zwei, drei Jahren will der neue Europa-Chef, Michael Dieckmann, in Ost- und Zentraleuropa 500 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

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Investitionen in Millionenhöhe

Im Mai gehen die Niederlassungen in Polen, Ungarn und

Tschechien auf. Das Mutterhaus in Hongkong investiert dafür einen zweistelligen Millionenbetrag, wie der ehemalige Generalmanager von Bax Global Europa (heute Tochter der Deutschen Bahn) im exklusiven Gespräch mit der «Handelszeitung» am Schweizer Kerry-Sitz in Basel sagt. Der Hamburger hatte letzten September in der Hansestadt den Europa-Sitz eröffnet. Seine Mission: «Unsere Auflage ist es, zu wachsen, Fusionen und Akquisitionen sind für uns kein Thema.»

Obwohl für Kerry in Europa eine eigene Infrastruktur vorerst keine Priorität hat, setzt sie im Gegensatz zur Basler Panalpina nicht prinzipiell auf eine «Assetlight»-Strategie. Dieckmann: «Für langfristige, treue Kunden sind wir bereit, Infrastrukturen aufzubauen und dafür aus eigener Hand zu investieren.» In Frage kämen Lagerhäuser und die Kontraktlogistik. Das passt ins Bild mit Kerrys bisherigen Aktivitäten.

Einstieg in Indien und den USA

Dass die Chefs in Hongkong für die Auslandexpansion keine Kosten scheuen und mit aller Kraft aufs Gaspedal drücken, zeigen der kürzliche Einstieg beim bedeutenden indischen Logistiker Reliable Freight Forwarders (51%-Beteiligung), das Joint Venture mit dem führenden europäischen Chemielogistiker Talke Logistics von Anfang Jahr sowie das Joint Venture mit dem Logistiker Lynden aus Seattle ebenfalls 2007. Zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht publik war ein Joint Venture mit dem führenden europäischen Supply-Chain-Solutions-Anbieter Wincanton. Der Einstieg Kerrys in Grossbritannien, Spanien und Partnerschaften in den USA waren 2005 erfolgt. Kerry verfügt heute weltweit über 6000 Angestellte, davon 4000 in China, wo das Netz 120 Filialen umfasst.

Ein Blick auf die Kurs-, Umsatz-und Gewinnentwicklung der Muttergesellschaft von Kerry Logistics, die am Hongkonger Hang Seng Index kotierte Kerry Properties Limited, bestätigt das fulminante Wachstumstempo. Der Titel legte in den letzten zwei Jahren über 200% zu und übertraf auch den florierenden Hang Seng Index deutlich (siehe Grafik). Der Konzernumsatz, zu dem die Logistiksparte 64% beiträgt, stieg innert Jahresfrist um 57% auf 1,24 Mrd Fr. (2005), der Gewinn legte um 35% auf 477 Mio Fr. zu.

Ziel: Die Nummer eins zu werden

Die Nervosität, die Kerry gemäss Branchenkennern im Markt verursacht, hat stark damit zu tun, dass hinter der Expansions- und Einkaufslust Kerrys die Besitzerin, das Milliardenkonglomerat Kuok Group aus Singapur, steht. Zur Gruppe gehören neben Kerry Properties Ltd die renommierte Hotelkette Shangri-La, die «South China Morning Post» und «Bangkok Post», das Schifffahrtsunternehmen PACC Line und die Jerneh Insurance.

Nach Aussagen Dieckmanns haben die Chinesen aus heutiger Sicht keine Pläne, bei den Schweizer Marktleadern Kühne + Nagel und Panalpina einzusteigen. Überraschend: Die potenziellen Schweizer Kunden will Kerry nicht mit günstigen Angeboten anlocken. «Wir wollen keinen Preiskampf», so Dieckmann. Die Kunden sollen zu Kerry wechseln, weil Kerry dank 700 Lizenzen in China das ganze Logistikangebot aus einer Hand und ohne Unterlieferanten abwickeln könne. «Das Produkt verlässt unser Haus nie.»

Der chinesische Logistikmarkt wird auf 360 Mrd Dollar geschätzt, das jährliche Wachstum auf 25 bis 30%. Kerry Logistics gehört bereits heute zu den führenden Anbietern. In zehn Jahren will sie die klare Nummer eins im Reich der Mitte sein.