Im Streit um das Agenturmodell von Valora droht die Eskalation. Die Gewerkschaft Syna will den Kioskkonzern vor Gericht zerren, wenn die im August anstehenden Vertragsverhandlungen erneut scheitern sollten. «Einige Kioskunternehmer baten Syna, diesen Weg zu gehen», sagt Zentralsekretärin Claudia Stöckli zur «Handelszeitung».
Syna bemängelt die Arbeitsbedingungen in den Kioskagenturen. Die Arbeitnehmerorganisation hat eine Hotline eingerichtet – «um die Mitarbeitenden zu schützen», wie es heisst. «Der Dienst wird rege genutzt», sagt Stöckli. Es seien zahlreiche anonyme Meldungen eingegangen. Es gebe Hinweise, dass es wieder zu Verstössen gegen das Arbeitsgesetz gekommen ist. Der neue heisse Draht zeige überdies, dass sich die Kioskmitarbeiter vor einem Stellenverlust fürchten.
Irritation in Muttenz
Die Rückmeldungen von der Basis bestätigen die Gewerkschaft in ihrem Vorgehen. Die Arbeitnehmerorganisation fordert eine Anhebung der Mindestlöhne und eine Ausweitung des Valora-GAV-Schutzes auf alle Kioskangestellten. Bisher sperrte sich Valora aber dagegen.
Valora-Sprecherin Misteli ist «überrascht und irritiert» über die Aussagen des Sozialpartners. «Sollte Syna den Weg vor Gericht beschreiten, können wir dies kaum verhindern», sagt sie. Und weiter: «Wir lassen uns nicht unter Druck setzen.»
Bund beendet Verhandlungen
Bereits vor einem Jahr stand Valora wegen Verletzungen des Arbeitsrechts am Pranger. Seinerzeit verstiessen die Franchise-Partner des Handelskonzerns wiederholt gegen Arbeitszeit-Vorschriften. Mitarbeiter mussten teilweise zehn Tage am Stück arbeiten, Pausen wurden verwehrt, der Gang aufs WC verweigert. Deshalb hatte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine interkantonale Fallkoordination eingeleitet.
Dieser Prozess ist mittlerweile abgeschlossen. Das Seco bestätigt entsprechende Recherchen der «Handelszeitung». «Die beteiligten Kantone sind durch ihre Teilnahme am Prozess über das Ergebnis informiert. Alle übrigen Kantone werden wir nächstens formell per Brief in Kenntnis setzen», sagt Sprecherin Antje Baertschi. Um die Ermittlungen abzuschütteln, hat Valora in einem Grundlagenpapier, das der Konzern im März beim Bund eingereicht hat, eine übergeordnete Verantwortung für seine Agenturen übernommen.
Nulltoleranz gegenüber Abweichlern
Die Agenturen müssen sich neuerdings vertraglich dazu bekennen, alle gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere im Bereich Arbeitsrecht, einzuhalten. Zudem haben die Agenturen und Valora vereinbart, dass der Mindestlohn aus dem Valora-Gesamtarbeitsvertrag für sämtliche Agenturangestellten gilt. In eigenen Audits prüft Valora überdies, ob die technisch-baulichen Arbeitsbedingungen den Vorschriften entsprechen. Schulungen sollen die Agenturleiter sensibilisieren. Negative Inspektionsberichte durch die Kantone müssen zwingend von den Agenturen an Valora weitergeleitet werden.
Valora bestätigt die entsprechenden Punkte. Konzernsprecherin Stefania Misteli gibt auch unumwunden zu, dass Konzernchef Müller keine Abweichungen duldet. «Verstösse werden von Seiten Valora in keiner Weise geduldet», heisst es in Muttenz.