Der Regionalzug von Neuenburg nach La Chaux-de-Fonds schraubt sich gemächlich die Juraflanke ins Val-de-Ruz hoch, die Sicht in der milden Herbstsonne ist atemberaubend. Unten liegt tiefblau der Neuenburgersee, und in der Ferne leuchten die Alpen in makellosem Weiss. Hier, in dieser idyllischen Landschaft, wird harter Stahl bearbeitet. Stück um Stück der Klingenrohlinge stanzt die Maschine unter ohrenbetäubendem Lärm aus dem Stahlband. Tausende sind es täglich, die von der Stanzmaschine automatisch in die auf Paletten bereitgestellten Behälter fallen.

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Verarbeitet wird ein besonderer Stahl in einer besonderen Fabrik. Der Stahl ist eine speziell strapazierfähige Legierung mit Eigenschaften, die jenen des Federstahls ähnlich sind. Eine solche Fabrik gibt es sonst in dieser Gegend nicht, wo die weltbekannten Uhrenateliers das Feld beherrschen. Auf 862 Metern über Meer, in Les Geneveys-sur-Coffrane – von Neuenburg aus in zwanzig Minuten erreichbar –, prangt unübersehbar und gleich neben dem Bahnhof das Firmenlogo von Felco. Die Firma stellt Garten- und Drahtscheren der Spitzenqualität her, die aus diesem kleinen jurassischen Dorf mit seinen knapp 1500 Einwohnern in 100 Länder exportiert werden.

«Wir machen praktisch alles selbst hier», sagt Felco-Chef Laurent Perrin, der 2005 den SVC-Unternehmerpreis für die Westschweiz gewann. Die Wertschöpfung der Firma liege bei 90 Prozent. Die Aluminiumgriffe der Rebscheren werden zwar auswärts hergestellt: bei der Prétat SA in Cornol JU. Sie ist wie Felco eine Tochter der Flisch Holding, benannt nach dem Fimengründer und Grossvater des heutigen Chefs, Felix Flisch, und sie produziert zu rund 50 Prozent für Felco. Doch sonst wird praktisch alles in Eigenregie hergestellt. Die Klingen der Gartenscheren werden zum Teil gar von Hand geschliffen. «Diese Feinarbeit», sagt Perrin auf dem Rundgang durch die Fabrikhallen, «machen ausschliesslich Frauen.» Nur sie hätten die dazu nötige Feinmotorik. Zugekauft wird nur etwas Kleinzeug, etwa die Feder für die Gartenscheren oder gewisse Schrauben und Stifte für die Befestigung der Klingen an den Scheren.

Die Gartenschere Felco 2 ist seit Jahrzehnten der absolute Renner – oft kopiert und nie erreicht. 2006 hat das Unternehmen rund 400 000 dieses Typs verkauft. Sämtliche Teile der Felco 2 sind auswechselbar. Die Gartenschere, mag sie noch so alt sein, ist permanent rundum erneuerbar. «Die Profis wechseln die Klinge jedes Jahr einmal aus», sagt Perrin. Felco verkauft pro Jahr ebenso viele einzelne Klingen, wie sie Scheren absetzt. Dass auch ein traditionelles Produkt fortlaufend verändert werden muss, lässt sich an der Felco 2 exemplifizieren. Das Grundmodell wurde zu mittlerweile zwölf verschiedenen Varianten weiterentwickelt: für Linkshänder oder Leute mit kleinen Händen, mit Dreh- oder besonders ergonomisch geformtem Griff. Auch eine Vollstahlschere ist erhältlich.

Felco stellt pro Jahr über eine Million Scheren her. 90 Prozent davon sind für den Weinbau, die Landwirtschaft und den Garten bestimmt, der Rest sind Drahtscheren. Diese werden speziell für die Elektro- und Kabelindustrie gefertigt. Aber auch viele Hochseeschiffe und die europäischen Hubschrauber, die Eurocopter, sind mit Kabelscheren von Felco ausgerüstet. «Für den absoluten Notfall», sagt Laurent Perrin, «falls die Seilwinde durchgetrennt werden muss.»

Insgesamt setzt Felco mit 150 Beschäftigten 45 Millionen Franken um – 90 Prozent davon im Export. 50 Prozent des Absatzes gehen nach Europa, vor allem nach Deutschland, Frankreich und England. Am Markt für Profischeren hält Felco 25 Prozent und ist damit führend. Verkaufsgesellschaften bestehen in Belgien, Deutschland, Frankreich und Australien. Die Distributionskanäle sind von Land zu Land unterschiedlich, Generalimporteure und Grossisten spielen eine tragende Rolle. Doch in den USA werden jetzt schon 30 Prozent der Gartenwerkzeuge online vertrieben. Amerika ist mit 25 Prozent der Verkäufe grösster Einzelmarkt. In den übrigen Teil der Welt gehen 15 Prozent der Produkte. Entwicklungspotenzial sieht Felco besonders in Osteuropa, Ostasien und Lateinamerika. «Die Märkte im Westen sind weitgehend gesättigt», sagt Perrin, «wir müssen jetzt in neue Regionen expandieren.» Welche Potenziale in den Agrarmärkten Südamerikas schlummern, zeigt ein Vergleich der abgesetzten Werkzeuge in den USA und in Chile. Im südamerikanischen Weinbauland liegen die Verkäufe unter zehn Prozent des US-Absatzes.

«Wir sind fast so perfektionistisch wie die Deutschschweizer», sagt Felco-Chef Laurent Perrin und verweist dabei auf die Bündner Wurzeln seines Grossvaters, der Felco 1945 gegründet hat. Neben der Präzision, die nicht zuletzt auf der feinmechanischen Tradition im Neuenburger Jura gründe, sei die Innovation der wichtigste Treiber für den Erfolg des Unternehmens. Und in dieser Hinsicht ist Felco mitnichten eine Lowtech-Firma. So kostete die Entwicklung der neusten Gartenschere fürs Amateursegment rund 1,2 Millionen Franken. Nicht ohne Stolz verweist Perrin darauf, dass Felco sogar die Maschinen für die eigene Produktion mindestens zum Teil selbst entwickelt und herstellt.

Felco

Firmenname: Felco SA
Sitz: Les Geneveys-sur-Coffrane NE
Umsatz: 45 Millionen Franken
Angestellte: 150
Produktionsstandort: Schweiz
Exporte: 90 Prozent
Produkte: Garten- und Drahtscheren