Die Schweizer Post ist zurzeit total überlastet und will die Reissleine ziehen. Sie möchte die grössten 100 Paketauftraggeber der Schweiz mit Kontingenten belegen. «Wir haben seit dem Beginn der Notlage eine enorme Zunahme an Paketen zu bewältigen», sagt Post-Sprecher Oliver Flüeler

Trotz diverser Massnahmen würde die Paketmenge weiter «massiv ansteigen». Der Post-Sprecher warnt: «Wir können die schiere Menge nicht mehr bewältigen. Damit ist die Paketversorgung der Schweiz als Ganzes gefährdet».

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Deshalb wollte die Post ab sofort – also ab diesem Freitag – bei den 100 grössten Paketkunden diese «Notfallsmassnahme» festlegen. Das heisst, Onlinehändler dürfen nur noch beispielsweise 4000 anstatt 7000 Pakete aufgeben. «Die Post sieht diese Massnahme als dringend notwendig zum Schutz ihrer Mitarbeiter und um die Versorgung der Schweiz mit Paketen aufrechtzuerhalten», sagt Flüeler

«Rücksichtnahme aller Akteure»

Einer der betroffenen Onlinehändler wäre Digitec Galaxus. «Für unsere Kunden bedeuten Kontingente, dass sie länger auf ihre Bestellungen warten müssen», sagt Digitec-Sprecher Alex Hämmerli

Er habe Verständnis für die Situation der Post, bedauere aber, dass so eine Massnahme notwendig ist: «Unser Kontingent läge unter dem, was wir täglich an Paketen verarbeiten. Und wir haben erst kürzlich mehr als 200 neue Mitarbeiter eingestellt, damit wir das Bestellvolumen stemmen können», sagt Hämmerli. Die Bestellmenge beim grössten Schweizer Onlinehändler sei immer noch auf dem Niveau der Vor-Weihnachtszeit, so Hämmerli.

Massnahmen sind «einschneidend»

Noch deutlicher wird der Verband des Schweizerischen Versandhandels (VSV): «Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen», schreibt der Verband in einer Mitteilung von Freitagmorgen. Man sei offen für konstruktive Lösungen und versuche mit der Post neue Wege zu finden. 

Eine Kontingentierung sei «einschneidend». Der Verband weist auch darauf hin, dass verschiedene Onlinehändler extra ihre Kapazitäten aufgestockt hätten. Diese Bemühungen würden jetzt zunichte gemacht. 

Private Kuriere müssen aushelfen

«Die Schweizer Post ist am Anschlag und kann die Paketflut nicht mehr bewältigen», schreibt auch die Schweizer Vermittlungsplattform für Express-Kurierdienste Annanow in einer Mitteilung vom Freitag.

Das Startup möchte nun mit seinem Angebot in die Presche springen. Mit rund 5000 Shops sowie rund 100'000 Taxis und Kurieren bietet Annanow schweizweit Sofortauslieferungen an.

Zurzeit ist jeder Tag «Black Friday»

«Die Schweizer Post ist deutlich überfordert, hadert mit Personalengpässen und Lieferschwierigkeiten. Millionen bestellter Pakete werden nicht aus den Lagern der Händler abgeführt und überlasten die gesamte Infrastruktur», kritisiert das Startup in einer Mitteilung vom Freitag. Man verarbeite zurzeit bis zu 5000 zusätzliche Pakete pro Tag, sagt Annanow-Gründer Daniel Gradenegger. «In dieser Krise ist für den Online-Handel jeder Tag Black Friday.»

Annanow habe vor zwei Wochen einen Aufruf gestartet, um schweizweit Kuriere und Transportbetriebe zu mobilisieren. «Diesem Aufruf sind hunderte Transporteure gefolgt. Über unsere Plattform können wir derzeit auf rund 10‘000 Kuriere zurückgreifen», sagt Gradenegger.

Um den «faktischen Lieferstopp der Post» zu kompensieren, würden nun viele Händler, wie Migros, Manor oder Jumbo auf private Liefernetzwerke ausweichen. «Dass ein Staatsbetrieb wie die Post derart an seine Grenzen kommt, ist symptomatisch dafür», sagt Gradenegger. Man setze deshalb auf ein «cloudbasiertes und dezentrales Liefernetzwerk», welches sich nun während dieser Belastungsprobe bewährt habe.

Antrag beim UVEK

Der Post scheint das Anliegen ernst zu sein: «Wir möchten deutlich betonen, dass die Zeit eilt, wenn wir nicht einen Kollaps der Paketversorgung der Schweiz riskieren wollen», sagt Post-Sprecher Oliver Flüeler.  Doch nach den massiven Protesten von Freitagmorgen von diversen Onlinehändlern oder vom Verband des Schweizerischen Versandhandels krebst die Post nun offenbar zurück, wie das Portal «20 Minuten» schreibt

Die Notfallmassnahme werde nun nicht wie vorgesehen umgehend eingeführt, teilt die Post mit. «Ausserdem werden wir einen Antrag an das UVEK einreichen», heisst es.