Während die Taggeldversicherung gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG) stetig an Bedeutung verliert, nimmt das Interesse der Versicherer und der Sozialpartner an der Taggeldversicherung nach Versicherungsvertragsgesetz (VVG) kontinuierlich zu. Der Grund liegt in der wesentlich grösseren Vertragsfreiheit, die das VVG gegenüber dem KVG einräumt. Dadurch wird es möglich, den individuellen Interessen der Betriebe und den unterschiedlichen Bestimmungen in den zahlreichen Gesamtarbeitsverträgen Rechnung zu tragen und Lösungen mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. So kann beispielsweise eine Koordination mit den Leistungen aus der beruflichen Vorsorge erreicht werden, die ein Jahr nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit Invalidenrenten auszurichten hat. Dabei kann der Anspruch auf eine Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge aufgeschoben werden, wenn die Krankentaggeldversicherung 80% des entgangenen Verdienstes abdeckt und der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Prämien übernimmt.

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Wohl deshalb haben sich die Betriebe mehrheitlich für eine Krankentaggeldversicherung mit einer Leistungsdauer von 720 bzw. 730 Tagen und einer Wartefrist von 24 Monaten für die Invalidenrente in der beruflichen Vorsorge entschieden, wodurch im Bereich der beruflichen Vorsorge Einsparungen erzielt werden können.

Probleme angepackt

Die häufigste Kritik an der Taggeldversicherung nach VVG betrifft den angeblich mangelnden Versicherungsschutz beim Austritt aus einem versicherten Betrieb (infolge Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, Wechsel des Arbeitgebers oder Krankheit). Dabei haben die Versicherer die bekannten Probleme schon längst angepackt und ohne gesetzlichen Zwang auf freiwilliger Basis weit gehend gelöst. Auch wenn wie bei allen Privat- und Sozialversicherungen hie und da Unstimmigkeiten auftauchen, ist eine freiwillige und flexible Lösung einer staatlich verordneten Einheitslösung mit einem Obligatorium allemal vorzuziehen; brächte diese doch zweifellos neue Probleme und erhebliche Mehrkosten für die versicherten Betriebe.

Aus einem Betrieb und damit aus dem versicherten Personenkreis einer Kollektivversicherung ausscheidende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht, in die Einzeltaggeldversicherung des jeweiligen Versicherers überzutreten. Dies gilt auch für arbeitslose Personen. Das Übertrittsrechts ist innerhalb einer Frist von 30 Tagen bzw. drei Monaten (je nach Versicherer) geltend zu machen. Die Versicherer gewähren den übertretenden Personen im Rahmen der geltenden Bedingungen und Tarife der Einzelversicherung ohne Gesundheitsprüfung den Versicherungsschutz bis zur Höhe der in der Kollektivversicherung garantierten Leistungen. Massgebend sind der Gesundheitszustand und das Alter beim Eintritt in die Kollektivversicherung. Dem Arbeitgeber obliegt es, die aus seinem Betrieb ausscheidenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf das Übertrittsrecht aufmerksam zu machen.

Die Privatversicherer haben sowohl unter sich als auch mit dem Verband der Krankenkassen (Santésuisse) Freizügigkeitsabkommen abgeschlossen. Aufgrund der zwei gleich lautenden Abkommen werden unzumutbare Härten für die Versicherten und die Arbeitgeber vermieden. Die Abkommen gelten einerseits für einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die den Arbeitgeber wechseln (Übertritt in eine andere Kollektivversicherung), und anderseits für Betriebe, die den Versicherer wechseln.

Anwendbar sind die Abkommen zudem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von einer Kollektivversicherung in eine Einzelversicherung übertreten und später wiederum in eine Kollektivversicherung eintreten, sofern dies ohne Unterbruch geschieht. Die den Abkommen beigetretenen Versicherungsgesellschaften und Krankenkassen verzichten beim Versichererwechsel auf das Anbringen neuer Versicherungsvorbehalte und berücksichtigen das Eintrittsalter in die ursprüngliche Kollektivversicherung, falls die Prämienberechnung eine Altersabstufung vorsieht. Zusätzliche Vorbehalte sind nur dann zulässig, wenn beim neuen Versicherer eine Leistungsausdehnung gewünscht wird.

Die Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeber wird vom Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU ebenso wenig tangiert wie die VVG-Taggeldversicherung. Hinzuweisen ist lediglich auf die Tatsache, dass Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland und unselbstständiger Erwerbstätigkeit in der Schweiz und im Ausland in der Schweiz nicht mehr AHV-beitragspflichtig sind. Um für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Versicherungsschutz im Rahmen einer VVG-Taggeldversicherung zu erlangen bzw. weiterzuführen, müssen die Arbeitgeber lediglich den AHV-Lohn der betroffenen Personen im schweizerischen Betrieb für die Prämienberechnung deklarieren. Anders als bei Versicherungen, die Renten ausrichten, stellt sich die Frage einer allfälligen Anrechnung von Beitragszeiten hier nicht.

Hans-Rudolf Müller ist Leiter Recht und Sozialpolitik, Ressort Technik Schweiz bei den Winterthur Versicherungen, Winterthur.

Fachwort: Krankentaggeldversicherung

Hauptzweck einer Krankentaggeldversicherung ist es, den Erwerbsausfall der versicherten Person ganz oder teilweise auszugleichen. Es existiert zwar kein Obligatorium für eine solche Versicherung. Die Arbeitgeber werden jedoch in den Gesamtarbeitsverträgen meist zum Abschluss von kollektiven Taggeldversicherungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet oder schliessen diese im Hinblick auf die gesetzlich geregelte Lohnfortzahlungspflicht oder Zusagen in Einzelarbeitsverträgen freiwillig ab. Die kollektiven Taggeldversicherungen können heute von den Privatversicherern und den Krankenkassen sowohl nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) als auch nach denjenigen des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) angeboten werden. (hrm)