Im Jahre 1987 war es, als der Vacherin Mont d’Or todbringend durch die Lande zog und mit seinen Listerienbakterien angeblich 31 Zeitgenossen niederstreckte. Vor allem die Leichen von älteren Frauen und Kleinkindern säumten seinen Weg – auch wenn nie ganz klar wurde, wie die Kleinen überhaupt an den Käse herangekommen waren.

Eine monatelange Medienhysterie begleitete seine Todesspur und bescherte dem erschauernden Publikum Schlagzeilen von seltener Pracht: «Wunder! Mutter und Baby überlebten Killer-Käse» titelte etwa der «Blick».

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das mordende Milchprodukt war von derart gewaltiger medialer Durchschlagskraft, dass es ihm zeitweilig sogar gelang, das Waldsterben von den Titelseiten der Zeitungen zu verdrängen. Das war für einen Schmelzkäse eine reife Leistung, denn der unausweichliche Tod des gesamten Schweizer Baumbestandes war in den späten Achtzigerjahren das unangefochtene Schreckgespenst im Blätterwald.

Und was hat das alles mit Sars zu tun?
Wir reden von Medien-Hypes. Medien-Hypes sind ein ebenso verbiesterter wie vergnüglicher Vorgang. Verbiestert darum, weil sich in ihnen der zwanghafte Lemmingeffekt der Medienindustrie exemplarisch abbildet, vergnüglich deshalb, weil dann der hysterische kollektive Wahrheitsanspruch der Branche immer relativiert wird – wenn auch mit etwas zeitlicher Verzögerung.

Die regelmässig wiederkehrenden Weltuntergangsszenarien fallen unter den Begriff des so genannten Risikojournalismus. In den letzten zwölf Jahren hat diese Spezialität wie noch selten eine Blüte erlebt: Waldsterben, Rinderwahn, Amalgam, Ozonloch, schwindende Ölressourcen, Listerien, Genmanipulation, Herpes, Elektrosmog, Ebola, Treibhauseffekt, Sars. Stets wurde die Apokalypse beschworen, nie ist sie eingetreten.

Die Wissenschaft hat das Phänomen des Risikojournalismus recht gut erforscht. Hervorstechend dabei ist die verzerrte Wahrnehmung der Risikorealität durch die Medien: Hohes Risiko wird verharmlost, tiefes Risiko zur massiven Bedrohung. Die «New York Times» etwa publizierte im Schnitt auf 1000 Krebstote 0,02 Artikel zum Thema, auf 1000 Verkehrstote waren es 0,08 Artikel, auf 1000 Aids-Tote deren 2,3. Auf 1000 Flugzeugopfer hingegen erschienen 138 Artikel.

Diese Mechanik führt dazu, dass die Gesellschaft reduzierte Risiken als existenzielle Bedrohungen wahrnimmt. Wenn ein Importhuhn aus China mit einer Salmonelle erwischt wird, beruft der Bundesrat eine Sondersitzung ein. Wenn irgendwo in Mutters Natur ein Mikrogramm Nitrat auftaucht, bricht der Konsum von Kopfsalat vollständig ein.

Entwarner haben in dieser Medienökonomie keine Chance, gefragt sind nur Warner. So tauchen als Verstärker der Schwarzmalerei dann stets auch jene Pseudoexperten auf, die es sonst nie vor die Mikrofone geschafft hätten. Sie dürfen uns dann unwidersprochen die Vernichtung der Menschheit (siehe Sars, siehe Ebola), die Vernichtung der Umwelt (siehe Ozonloch, siehe Treibhauseffekt) oder zumindest die Vernichtung der US-Truppen im monatelangen Häuserkampf von Bagdad prophezeien.

Es gibt aber auch Tröstliches für all jene, die nun bereits mit der Gesichtssmaske durch die Kuoni-Filialen huschen: Die Zahl der Panikartikel einerseits und die reale Risikosituation andererseits, so zeigte eine Untersuchung, verhalten sich umgekehrt proportional zueinander. Als etwa nach 1993 die Schadstoffemissionen in der Luft deutlich zurückgingen, nahm die Zahl der Medienberichte über den Schrecken der Luftverschmutzung erst richtig zu.

Wenn Sie also in den nächsten Wochen und Monaten eine steigende Flut von apokalyptischen Sars-Berichten registrieren, dann können sie ziemlich sicher sein: In der Realität ist das Problem gelöst.