Prometheus, Schöpfer der Menschen und gemäss verlässlichen Quellen voll urgewaltigen Trotzes, klaute das Feuer und brachte es gegen den Willen von Zeus zu den Menschen. Da der allgewaltige Weltenherrscher diese Missetat des titanischen Lausebengels nicht schätzte, liess er ihn an einen Felsen im Kaukasus schmieden, wo dem Übeltäter ein Adler die immer nachwachsende Leber aus dem Leib hackte. Damit nicht genug. Auch die Menschheit musste bestraft werden. In einem Racheakt zur erfolgreichen Stressbewältigung liess Zeus darum von Hephaistos das verführerische Weib Pandora schaffen. Ihr gab man die berühmte verhängnisvolle Büchse, in der alle nur denkbaren und undenkbaren Übel eingeschlossen sind. Sicherheit ist relativ. Pandora öffnete die Büchse, und die Übel verbreiteten sich über die Welt. Auch in der Folge und heute wurde und wird die Büchse gelegentlich geöffnet, und neue Unbilden entstehen. Vielleicht ist sie auch ganz einfach schlecht gemacht und undicht.
Jedenfalls ist neuerdings Sars daraus entwichen.

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Was auf einem Viehmarkt in Guangdong mit einem mutierten Coronavirus begann, kostet Kanada heute 30 Millionen Dollar pro Tag und verhindert den Transfer eines in San Diego beheimateten Pandabären in die chinesische Provinz zwecks Honeymoon. Auch hat die katholische Kirche von Singapur die Praxis der Beichte im dunklen Beichtstuhl ausgesetzt und gewährt den Gläubigen stattdessen Generalabsolution. Den Kirchentreuen in Ontario werde wegen Sars-Gefahr neuerdings der Kommunionswein vorenthalten. Das Virus inspiriert die Modeschöpfer zur Kreation prachtvoller Schutzbekleidung und fanatasievoller Masken und erlaubt es dem zurückgetretenen obersten Chinesenführer Jiang, die drastisch verjüngte, neuerdings 60 Jahre junge oberste chinesische Führungsriege um Herrn Hu beim Management der Sars-Krise zu beobachten. So kann er notfalls die Jungen wieder zurückstufen und selbst aufs Neue das Heft in die Hand nehmen. Schliesslich ist klar, dass nicht Unfähigkeit und Missmanagement, sondern eben das verwünschte Virus für den Niedergang von nationalen und internationalen Fluggesellschaften verantwortlich ist.

Wenn Sie dies lesen, haben die neuen Erreger vielleicht schon tausend oder mehr Menschen getötet und zehntausend befallen. Weltweit herrscht grosse Besorgnis, ja mancherorten Panik. Gemessen an der Konkurrenz aber scheint mir dies doch eine ziemlich lausige Killerrate: Jährlich sterben über eine Million Menschen an Malaria, zwei bis drei Millionen an Tuberkulose und fünf Millionen Personen an den Folgen des Rauchens. 1999 schätzte die Food and Agricultural Organization der Uno, dass in jenem Jahr über 30 Millionen Menschen verhungert sind. Und jedes Jahr werden mindestens sieben Millionen Menschen wegen Unterernährung blind. Der erfolgreichste Wolf des Menschen ist aber zweifelsfrei der Mitmensch, der beispielsweise in Ruanda innerhalb weniger Tage eine halbe bis eine Million Mitbewohner niedermetzelte.

So betrachtet, entspricht die Faszination, mit der man zurzeit auf dem Narrenschiff Erde auf die Coronaviren starrt, tief greifendem Verhältnisblödsinn und scheint dem absurden Theater entnommen. Schliesslich werden die Verluste durch einen von Fundamentalisten aller Schattierungen geförderten weltweiten Bevölkerungszuwachs von nach wie vor 90 bis 100 Millionen zusätzlicher Erdenbürger pro Jahr mehr als weltgemacht. Die Zuchtbedingungen für neue Feinde aus Pandoras Büchse werden dadurch zunehmend verbessert. Trotzdem verbrennt man auf dem Narrenschiff innert der nächsten zehn bis zwanzig Jahre die noch übrig gebliebenen Regenwälder und vernichtet damit unermessliche Bibliotheken und Schatzhäuser von genetischen Informationen und Heilmitteln, bevor man sie entdecken konnte. Die in Hunderten von Jahrmillionen entstandenen Ölvorräte werden innerhalb der nächsten 60 Jahre abgefackelt sein – oder sind es 90 Jahre? Um die Energieversorgung danach sollen sich die Enkel kümmern. Und unsere nächsten Verwandten, die grossen Menschenaffen, sind schon in zehn Jahren endgültig ausgerottet. Die Supercoronaviren sind wir – Pandoras Büchse braucht gar keine Löcher.