Es gibt Nachrichten, die man mit einer gewissen Ratlosigkeit zur Kenntnis nimmt. Die jüngsten Lippenübungen des amerikanischen Notenbankpräsidenten gehören dazu. Was ist davon zu halten, wenn der oberste Währungshüter mit einem Mal davon absehen will, Inflation zu bekämpfen? Und sich stattdessen den Kopf darüber zerbricht, mit welchen Methoden man die Preise bei schleppender Nachfrage eventuell doch noch zum Tanzen bringt? Was Alan Greenspan in seiner verklausulierten Sprache als «unwillkommenen substanziellen Rückgang der Inflation» bezeichnet hat, markiert nichts weniger als eine Zäsur in der neueren Wirtschaftsgeschichte. Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert gibt die amerikanische Währungsbehörde damit zu verstehen, dass sie sich vor sinkenden Preisen fürchtet und sich nach Teuerungsimpulsen sehnt.

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Der Wandel im Rollenverständnis schürt Misstrauen, weil er auf eine wachsende Hilflosigkeit hinter den Kulissen schliessen lässt. Nach Abschluss des zweiten Irak-Feldzugs sind die wirtschaftlichen Handlungsspielräume der Bush-Administration kleiner denn je. Auf ihrem eigenen Territorium stösst die expandierende Ordnungsmacht heute geld- und fiskalpolitisch an Grenzen. Selbst in Bezug auf den Wechselkurs benehmen sich die Falken im Weissen Haus neuerdings wie eine eingekesselte Truppe, die strategisch keine Optionen mehr hat. Von Souveränität zeugen die Bestrebungen der Washingtoner Nomenklatura, den US-Dollar koordiniert nach unten zu reden, jedenfalls nicht.

Zwölfmal in Folge hat Alan Greenspan die kurzfristigen Zinsen seit Januar 2001 gesenkt und damit – rein theoretisch – den Nährboden für einen kräftigen Aufschwung geschaffen. Entgegen gängiger Lehrbuchweisheit erweist sich das monetäre Kleid jedoch immer noch als zu eng, um die lahmende Konjunktur wieder auf Touren zu bringen. Bei chronischer Sparabstinenz und anhaltender Investitionsunlust sind die Vereinigten Staaten unfähig, ihre angestammten Asymmetrien im Austausch mit dem Rest der Welt unter Kontrolle zu bringen.

Nach wie vor beträgt das Defizit in der Leistungsbilanz – das heisst die Lücke zwischen den jährlichen Gesamtausgaben der Amis im Ausland und dem, was sie ausserhalb ihres Territoriums an Einkommen erzielen – mehr als fünf Prozent ihres Bruttoinlandprodukts.

George Bush und seine Supply-Side-Berater machen keinerlei Anstalten, die riesigen Fehlbeträge im Haushalt zu reduzieren. Langfristig hat die über ihre Verhältnisse lebende Supermacht gar keine andere Wahl, als die Notenpresse anzuwerfen, ihr Geldangebot zu erhöhen und den US-Dollar damit noch weiter unter Druck zu setzen. Als Emittenten einer globalen Referenzwährung befinden sich die Amerikaner – zumindest vorläufig noch – in der komfortablen Lage, ihren defizitären Staatshaushalt auf dem Rücken ausländischer Gläubiger sanieren zu können.

Ein schwächerer Dollar liegt auch kurzfristig im Interesse der USA, und dies gleich in mehrfacher Hinsicht: Die Konkurrenzfähigkeit der amerikanischen Exporteure nimmt zu, was sich auf die Konjunktur tendenziell stimulierend auswirkt. Im gleichen Umfang kommt es bei sinkendem Dollarkurs zu einem Inflationsimport. Aus dem Blickwinkel der US-Notenbank ist dieser Effekt durchaus erwünscht, stellt er doch eine Versicherungsprämie gegen deflationäre Gefahren dar. Unter einer wechselkursbedingten Verschlechterung ihrer Wettbewerbsposition leiden im Übrigen vorab die Europäer. Somit taugt die Politik des schwachen Dollars auch als verkappte Handelswaffe und setzt – last but not least – die Hüter des Euro unter Zwang, die Geldschleusen ihrerseits weiter zu öffnen.