Kommando zurück bei Clariant. Der Spezialchemiekonzern legt den Plan für die Schaffung eines gemeinsam mit dem Ankeraktionär Sabic gehaltenen Geschäftsbereichs auf Eis. Der vor gerade erst neun Monaten aufgelegte Plan für ein gemeinsames Joint Venture ist damit gescheitert.
Die beiden Unternehmen seien übereingekommen, die Gespräche «vor dem Hintergrund der aktuellen Marktbedingungen» vorübergehend auszusetzen, hiess es am Donnerstag in einem Communiqué von Clariant. Die beiden Parteien hatten vorgesehen, Geschäfte zu einem neuen Bereich «High Performance Materials» zusammenzulegen.
Zu keinem Kompromiss bereit
Laut Hariolf Kottmann gab es unterschiedliche Vorstellungen bei der Ausarbeitung der Transaktion. «Und keine Seite war bereit, Kompromisse einzugehen», sagte der interimistische Konzernchef und Verwaltungsratspräsident im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. «Das ist rein geschäftlich», versicherte Kottmann.
Er habe auch keine Signale erhalten, dass sich die Saudis nicht mehr als Ankeraktionär von Clariant sähen. Die Gespräche mit Sabic liefen entsprechend weiter. Es sei nicht auszuschliessen, dass der Aufbau des gemeinsamen Geschäftsbereichs High Performance Materials (HPC) wieder aufs Tapet komme.
Mit HPC hätte Clariant Geschäfte mit einem Umsatz von 1,9 Milliarden Franken erhalten. Der vergangenen Herbst im Gegenzug eingeleitete Devestitionsprozess für die weniger dynamischen Geschäftsteile werden dennoch fortgesetzt. «Wir sind im Prozess des Verkaufens bereits so weit fortgeschritten, dass ein Abbruch unfair gewesen wäre gegenüber den Aktionären», sagte Kottmann.
Nächster Chef nicht zwingend von Sabic
Am Vortag hatte nach nur gut neun Monaten Konzernchef Ernesto Occhiello seinen sofortigen Rücktritt eingereicht. Ihn vertritt jetzt sein Vorgänger Hariolf Kottmann. Occhiello war vom Grossaktionär aus Saudi-Arabien bei Clariant installiert worden.
Der nächste Konzernchef muss nicht unbedingt wieder von Sabic kommen, sagte Kottmann zu AWP. Das Nominierungsgremium habe die Arbeit bereits aufgenommen und werde geeignete Kantidaten vorschlagen. Dass sich Occhiello an seinem Vorgänger und «Clariant-Übervater» aufgerieben haben könnte, stellte Kottmann in Abrede: «Mein Verhältnis mit Ernesto war sehr gut - es gab kein Zerwürfnis.»
Pigment-Geschäft wird durchgezogen
Clariant will dennoch den früher angekündigten Verkauf des Pigment-Geschäfts durchziehen. Dieser soll nach wie vor bis Ende 2020 abgeschlossen werden. Zudem wolle man neu das gesamte Geschäft mit Masterbatches veräussern. Also nicht nur die Standardprodukte, sondern auch die hochwertigen.
Künftig werde sich Clariant auf seine Kerngeschäftsbereiche Care Chemicals, Catalysis und Natural Resources fokussieren. Mit diesen werde man ein überdurchschnittliches Wachstum, eine höhere Profitabilität und eine stärkere Cashflow-Generierung erzielen.
Verlust im Halbjahr
Und für diese Bereiche nennt Clariant auch die Gewinnzahlen der ersten Halbjahres. Im «fortgeführten Geschäft» stagnierte der Umsatz bei 2,22 Milliarden Franken. Der operative Gewinn EBITDA vor Einmalefffekten sank um 2 Prozent auf 355 Millionen.
Inklusive der noch zu veräussernden Geschäfte schrieb Clariant im ersten Semester einen Verlust von 133 Millionen Franken. Dem steht ein Überschuss von 128 Millionen im Vorjahr gegenüber.
Analysten sind schockiert
Die Reaktionen auf die Entwicklungen bei Clariant wird auch auf der Analysten-Seite mit Beunruhigung aufgenommen: Die Bank Baader Helvea streicht Clariant von der Top-Pick-Liste und sagt, dass Sabic nun mit einem vollständigen Übernahmeangebot kommen könnte, fügt aber hinzu, dass das Angebot möglicherweise nicht sofort kommt.
Des weiteren sagen die Analysten, dass aufgrund der Entkonsolidierung des Pigment- und Masterbatchgeschäfts diese Geschäftsbereiche «ein Chaos sind». Des weiteren sagen die Analysten von Baader Helvea: «Wir sind schockiert über die Tatsache, dass CEO Occhiello gestern zurückgetreten ist und dazu die Zahlen vom ersten Halbjahr eine Katastrophe sind.»
(awp/tdr)