Die Post und die Migros sind Schweizer Volksunternehmen. Der gelbe und der orange Riese geniessen hohes Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung. Was jeweils in nationalen Spitzen-Rankings für Markenstärke resultiert. Bis vor kurzem gehörten eine Migros-Filiale und eine Poststelle quasi zur Standardausstattung einer Schweizer Gemeinde.
Doch die Zeiten ändern sich. Die Digitalisierung setzt den beiden Konzernen in ihrem Kerngeschäft arg zu. Der wöchentliche Gang auf die Post und in die Migros – früher ein Volkssport – ist seit längerem passé. Die Fussgängerzonen mit ihren Konsumentenhorden entvölkern sich. Und auch die Shoppingcenter wirken je länger, je mehr wie Konsum-Kathedralen ohne Gläubige.
Das eigentliche Kerngeschäft der Volkskonzerne leidet
Gleichzeitig entsteht ein zeit- und ortsunabhängiges Schlaraffenland: die internetgetriebene E-Commerce-Wirtschaft. Sie potenziert Angebotsvielfalt, Nutzungsformen und Mitbewerber um ein x-Faches. Das stationäre Geschäft kommt da nur noch schwerlich mit. Die Folge: Der Detailhandel der Migros und die Postfilialen – die eigentlichen Kerngeschäfte der Volkskonzerne – leiden. Die Umsätze stagnieren, die Margen schrumpfen, Personal wird reduziert. Gelber wie oranger Riese sehen in ihren Paradedisziplinen zusehends rot.
Die finanzielle Konsequenz für die beiden Konglomerate ist so überraschend wie bedenklich: Post und Migros sind ertragsseitig immer stärker von ihren konzerneigenen Finanzdienstleistern abgängig. Im Geschäftsjahr 2018 steuerten die Postfinance und die Migros Bank fast die Hälfte zum jeweiligen Betriebsergebnis der Mutterkonzerne bei.
Der klassische Detailhändler ist also, zumindest in einer Ertragsbetrachtung, zum halben Finanzkonzern mutiert. Dabei arbeitet die Migros Bank hochrentabel: Auf 1 Franken bleiben 53 Rappen in der Kasse. So verwundert es nicht, dass jene 1344 Migros-Bank-Mitarbeitenden im letzten Jahr einen Pro-Kopf-Reingewinn von gut 150 000 Franken auswiesen. Der grosse Rest des orangen Riesen, aus Handel und Industrie bestehend, kommt mit seinen über 105 000 Mitarbeitenden auf magere 2600 Franken.
Die Migros Bank ist der Goldesel für den Genossenschaftsbund
Nun könnte man argumentieren, dass die erfolgreich geführte Migros Bank ein Glücksfall ist für den gebeutelten Genossenschaftsbund. Sozusagen dessen Goldesel. Doch gerade das volatile Finanzgeschäft eignet sich denkbar schlecht als Ergebnisanker. Gerade die Postfinance hat gezeigt, wie aus einer gepflegten Cashcow in wenigen Jahren ein mageres Rindvieh werden kann. Deren Gewinnbeitrag hat sich mehr als halbiert. Die Aussichten sind trübe.
Zwar kann die Migros Bank, im Gegensatz zum gelben Rivalen, aufs solide Kreditgeschäft bauen. Doch der Immo-Boom ist vorbei, der Markt gesättigt, es herrscht ein Verdrängungswettbewerb. Und neue Online-Applikationen konkurrenzieren verstärkt Retail-Institute wie die Migros. Duttis Bank könnte so bald zur Hypothek für die Migros werden.