Ganz im Gegensatz zu Anwälten oder Steuerberatern erhoben die Schweizer Banken für Beratungsdienstleistungen lange Zeit keine Gebühren. Die Institute hielten sich bis vor einigen Jahren unter anderem schadlos, indem sie hohe Transaktionspreise auf den Wertschriftenhandel der Kunden verrechneten.

Mit dem Aufkommen von Internetbanken begannen diese Erträge aber zusehends zu schmelzen, und den traditionellen Banken drohten die Margen zu entschwinden. Folglich stellen die Banken schon seit einiger Zeit Überlegungen an, vermehrt Beratungsgebühren einzuführen. Dies zum Unwillen der Bankkundschaft, die auch heute noch die unentgeltliche Beratung weitgehend als Selbstverständlichkeit empfindet.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Doch es geht nicht nur um den drohenden Margenverlust: Auch weitere Argumente haben die Schweizer Banken dazu veranlasst, ihre Preispolitik im Bezug auf die Beratungsgebühren zu überdenken: Durch die unentgeltliche Beratung steigt der Anreiz auf Seiten der Banken, die Beratungskosten über den Verkauf von Produkten wettzumachen, welche die höchsten Provisionen versprechen. Darunter kann die Glaubwürdigkeit der Bank leiden.

Ferner lassen sich viele Kunden bei einer traditionellen Bank beraten, um anschliessend bei einer Internetbank die Transaktion zu tätigen. Dieses Trittbrettfahrer-Verhalten gibt es nicht nur im Bankgeschäft. Es erfreut sich bei fast allen über das Internet erhältlichen Produkten einer grossen Beliebtheit.

Vorreiter werden bestraft

Beratungsgebühren sind allerdings im Private- und im Retailbanking nicht dasselbe. Denn es gibt viele Unterschiede sowohl bei den Eigenschaften der Kunden als auch bei den Produkten und Dienstleistungen. Die hochprofitablen Private-Banking-Kunden besitzen umfangreichere Vermögen, bewegen häufiger grosse Volumen und haben komplexere Probleme. Zudem ist der Kundenstamm im Private Banking internationaler. Während das Retailgeschäft sich immer mehr in Richtung Standardisierung und Massengeschäft bewegt, ist das Privatbankengeschäft durch eine starke Individualität und Komplexität geprägt.

Wie schlecht Beratungsgebühren bei den Bankkunden ankommen, zeigt das Beispiel der Deutschen Bank. Anfangs 2001 führte sie ein neues Preismodell für alle Kundenkategorien ein. Es handelte sich um eine Kombination von reduzierten Transaktionspreisen und einem Jahresfixum für die Wertpapierberatung. Dieser Service umfasste neben der effektiven Beratung allerdings auch administrative Dienstleistungen wie die Depotverwaltung. Für ein Anlagevermögen zwischen 0,5 und 1 Mio Euro verrechnete die Bank ein jährliches Fixum von 0,6%. Ab 1 Mio Euro Vermögen sank dieser Wert auf 0,2%. In beiden Fällen wurden mindestens 300 Euro in Rechnung gestellt. Die Transaktionspreise bewegten sich mit 0,1 bis 0,3% pro Handel im Bereich der Internetbanken. Als Folge dieser Innovation verlor die Bank 38000 Kunden sowie 2,8 Mrd Euro Anlagevermögen. Durchschnittlich also über 73000 Euro pro Kunde.

Die Mängel dieses Modells liegen im Rückblick auf der Hand: Wenn die Kunden auf Anraten der Bank eine erfolgreiche Anlagestrategie realisiert haben, benötigen sie für die nächsten Jahre keine Beratung mehr. In diesem Fall erscheint es ihnen überflüssig, die jährliche Beratungsgebühr zu bezahlen.

Müssen die Kunden andererseits infolge einer schlechten Performance ihrer Anlagen Jahr für Jahr teure Portefeuille-Umschichtungen vornehmen, war offenbar die Beratung schlecht.

Die Deutsche Bank verteidigt ihren Weg. Inzwischen hat sie das Beratungsentgelt wie auch den jährlichen Minimalbetrag sogar um 16% angehoben.

Trotz der leidvollen Erfahrungen der Deutschen Bank scheinen Beratungsgebühren im Private Banking europaweit zaghaft Einzug zu halten. Dies besagt eine Studie von IBM, die im letzten Jahr mit 105 führenden Vermögensverwaltungsfirmen und Privatbanken aus 13 der wichtigsten europäischen Finanzzentren durchgeführt wurde. Während im letzten Jahr 5% aller befragten Institute die Beratungsgebühr als wesentlichsten Bestandteil ihrer Preisgestaltung betrachteten, wollen in zwei Jahren schon 7% diesen Weg einschlagen. Auch bei Schweizer Privatbanken weichen seit einigen Jahren die traditionellen Gebührenkonstrukte langsam aber sicher innovativeren Gebührenmodellen. Gesonderte Beratungsgebühren zu erheben, bildet aber keineswegs den Mittelpunkt der aktuellen Preismodelle.

All-in-Fees sind im Kommen

Vielmehr ist in der Anlageberatung und in der Vermögensverwaltung ein eindeutiger Trend in die Richtung der Preisbündelung zu erkennen. Die so genannte «All-in-fee» umfasst neben einer Pauschale, etwa für Administration und das Reporting, auch die Beratung selber. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hat beispielsweise seit 2002 ein Pauschalpreismodell. Für ein Gesamtvermögen von bis zu 1 Mio Fr. mit einem Aktienanteil von 5% verlangt die Bank eine «All-in-fee» von 0,75%. Bei einem Aktienanteil von über 65% steigt diese Gebühr auf 1%. Die Beratung hat beim Modell der Preisbündelung keinen separaten Preis, sondern wird unabhängig von ihrer Inanspruchnahme quasi im Paket mit anderen Dienstleistungen verrechnet. Die «All-in-fee» wird in den meisten Fällen mit Transaktionspreisen kombiniert. Bei der ZKB beträgt sie 150 Fr. pro Handelsauftrag.

Beratungsdienstleistungen, die den Rahmen des Üblichen sprengen, werden durch die Privatbanken oft weiterverrechnet. Die Erhebung dieser Beratungsgebühren geschieht aber im Gespräch mit den Kunden und im Zusammenhang mit weiteren Gebühren.

Dies verdeutlicht einen weiteren Trend bei Schweizer Privatbanken: Die zunehmende Individualisierung der Preise. Diesem Trend folgen beispielsweise auch die Bank Julius Bär und die Privatbank Cosba, ein Partnerunternehmen der Raiffeisengruppe. Es wird mit jedem einzelnen Kunden ein individuell abgestimmtes Gebührenkonzept vereinbart, das auch jährlich neu angepasst werden kann. Da die Kunden sich quasi selber ihr Paket schnüren, stossen die Gebühren wohl eher auf Akzeptanz, womöglich auch Beratungsgebühren.

Ende der Quersubvention

Die Einführung von Beratungsgebühren in der Anlageberatung und in der Vermögensverwaltung steckt vielfach noch in den Anfängen. Vorteile für die Kunden liegen darin, dass es ein Schritt in Richtung Preiswahrheit ist. Denn weniger beratungsintensive Anleger haben bisher sehr beratungsintensive Kunden quersubentioniert: Und zwar egal, ob in einer «All-in-fee» versteckt oder über das individuelle Pricing.

Beratungsgebühren stossen bei vielen Kunden auf grosse Ablehnung. Ein Grund für diese Zurückhaltung liegt wohl darin, dass eine objektive Bewertung der erhaltenen Gegenleistung sehr schwierig ist. Darunter kann die Vergleichbarkeit der Preise zwischen den einzelnen Anbietern leiden. Ein anderer Grund kann mit dem Sprichwort umschrieben werden: «Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.»

Die ZKB hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie hat bemerkt, dass die Vorteile von Beratungsgebühren bestehenden Kunden schwieriger zu vermitteln sind als Neukunden. Naheliegend also, dass bei der Einführung von Beratungsgebühren den Kundenbetreuern eine immer wichtigere Rolle zukommt. Die ZKB hat dieses Problem erkannt: «Die Kundenbetreuer müssen sicher stellen, dass für die Kunden ein Mehrnutzen ersichtlich wird. Dies setzt wiederum voraus, dass die Mitarbeiter frühzeitig in die Entwicklung eines solchen Gebührenmodells miteinbezogen werden.»

Die Privatbank Cosba hat die Erfahrung gemacht, dass die Einführung von Beratungsgebühren einen hohen Kommunikationsaufwand erfordert. Gemäss Kommunikationschef Dirk Schmidt sind die Kunden mit dieser Gebühreninnovation noch nicht sehr vertraut, weswegen sie ihnen «wohldosiert» schmackhaft gemacht wird. Weiter meint er: «Wir stellen bei der Bekanntgabe unserer Preisvorstellungen immer wieder sehr differenzierte Kundenreaktionen fest.»

Nach wie vor betrachten Privatbanken die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung als ihr Kerngeschäft. Weitere Dienstleistungen wie Steuerberatung oder Finanzplanung dienen oft lediglich als Abrundung des Angebots. Für solche Dienstleistungen werden in der Regel nach Schwierigkeits- und Komplexitätsgrad abgestufte Beratungsgebühren pro Stunde verrechnet. Dementsprechend variieren die Preise, wobei auch hier die Individualisierung der Preisgestaltung vermehrt zum Zug kommt.

In diesem Dienstleistungsbereich zeigen sich die Vorteile, die eine Grossbank hat. Denn komplexe Fälle benötigen Spezialisten, deren Beschäftigung sich nur ab einer bestimmten kritischen Grösse lohnt. Die Akzeptanz solcher Beratungsgebühren ist bei den Kunden hoch. Eine Finanzberatung etwa wird nicht jedes Jahr durchgeführt, die Kunden können aber so viel sparen.

Gebühr für das Ausfüllen der Steuerunterlagen

Auch für Steuerberatung sind die Kunden gerne bereit zu bezahlen. Denn das Ausfüllen von Steuererklärungen wird immer komplizierter und ist von den Kunden allein kaum zu bewerkstelligen. Die Bank Julius Bär hat zum Beispiel eine spezielle Software entwickelt, die den deutschen Kunden beim Ausfüllen der Steuererklärung hilft. Das Echo bei den Kunden ist sehr positiv. Eigene Beratungsgebühren sind bei den speziellen Dienstleistungen der Privatbanken schon heute Realität. In der Anlageberatung und in der Vermögensverwaltung sieht das aber anders aus.

Dort finden zwar Überlegungen statt, Beratungsgebühren vermehrt gesondert in Rechnung zu stellen. Die Kunden sind dafür jedoch noch nicht bereit; vielmehr verlangen die Anleger nach einer «All-in-fee». Diese Feststellung gilt europaweit: Gemäss der erwähnten IBM-Studie werden 2006 22% der befragten Institute die Preisbündelung als wichtigsten Bestandteil ihrer Preisgestaltung betrachten. Im Vergleich zu 2003 würde dies einen Anstieg von 7 Prozentpunkten bedeuten.

Doch allfällige europäische oder gar weltweite Trends spielen nur eine untergeordnete Rolle. Denn nach wie vor werden 30% aller grenzüberschreitenden Vermögensanlagen bei Schweizer Privatbanken getätigt. Die Schweiz bildet dadurch noch immer das unbestrittene Zentrum des internationalen Privatkundengeschäfts und setzt viele Trends.

Performancegebühren: Nur die Leistung soll zählen

Beratungsgebühren sind nicht nur in der reinen Anlageberatung ein Thema. Diskutiert werden auch Kommissionen für spezielle Dienstleistungen wie die Finanzplanung sowie die Steuer- und Erbschaftsberatung. Ein besonderes Problem ergibt sich daraus, dass der Wert einer Beratung nur sehr schwer einzuschätzen ist. Der Hebel für die Bemessung kann an verschiedenen Stellen angesetzt werden. Ähnlich wie bei Steuerberatern könnte eine Beratungsgebühr pro Zeiteinheit erhoben werden. Weitere Möglichkeiten sind volumenabhängige Beratungsgebühren, z.B. nach dem Depotvolumen oder der Grösse der Erbschaft, sowie ein fixer Jahresbetrag.

Einige Bankiers vertreten aber die Auffassung, die Zukunft gehöre performanceabhängigen Kommissionen. Aus welchem Grund?

Der Informationsstand der Privat-Banking-Kunden nimmt laufend zu und dadurch auch ihre Fähigkeit, Berater in eigener Sache zu sein. Daher ist es durchaus denkbar, dass schon in absehbarer Zeit die Bereitschaft einiger Kunden sinken wird, für etwas zu bezahlen, das sie nur selten oder gar nie in Anspruch nehmen.

Logisch wäre die vermehrte Einführung von speziellen Beratungsgebühren. Wer für Beratung gesondert bezahlt, wird im Gegenzug auch die entsprechende Qualität verlangen. Um die Beratungsqualität zu messen, werden die Kunden aber kaum die Länge der Sitzungen heranziehen. Sie werden als Massstab wohl das wählen, was objektiv am nächsten liegt: Die Performance.