Mit einem radikalen Schnitt beim Führungspersonal will Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger Ordnung schaffen in seinem kriselnden Industriekonzern. Drei der insgesamt sechs Vorstandsmitglieder müssen nach Korruptionsvorwürfen und hohen Verlusten in den Amerikas gehen.
Die Nachricht kam wie ein Donnerschlag: Mit Edwin Eichler, Olaf Berlien und Jürgen Claassen soll jedes zweite Vorstandsmitglied den Konzern zum Jahresende verlassen. Dies habe der Personalausschuss des Aufsichtsrats dem Gremium gestern empfohlen, teilte Thyssen Krupp mit.
Damit zieht Deutschlands grösster Stahlkonzern Konsequenzen aus dem Milliardendebakel beim Bau von Stahlwerken in Brasilien und den USA sowie der Aufdeckung einer Reihe von Korruptionsfällen.
Der Schritt diene den «notwendigen Veränderungen des Führungssystems und der Führungskultur im Konzern» und sei ein «klares Signal nach aussen und nach innen», heisst es in der Mitteilung. Endgültig soll der Verwaltungsrat an kommenden Montag entscheiden. Eichler, Berlien und Classen seien mit der einvernehmlichen Aufhebung ihrer Verträge einverstanden.
Von der Arbeitnehmerseite hiess es, Transparenz und Ehrlichkeit im Umgang miteinander seien nicht mehr in jedem Fall selbstverständlich gewesen. «Thyssen Krupp steht vor grossen Herausforderungen und braucht das Vertrauen der Kunden und der Beschäftigten. Das geht nur mit einem echten Neuanfang», sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Bertin Eichler einer Mitteilung zufolge.
Schadenersatzklagen
Auf Thyssen Krupp kommen nach der Aufdeckung eines Aufzugs- und Rolltreppenkartells gleich mehrere Schadenersatzklagen zu. Dem Berliner Landgericht liegen Schadenersatzklagen von Städten und der Bahn sowie von mehreren Bauunternehmen vor. Die EU-Kommission hatte bereits eine millionenschweren Geldbusse verhängt.
Berlien ist für den betroffen Unternehmensbereich Aufzugtechnik zuständig. Sein Vertrag sollte eigentlich erst am 31. März 2017 auslaufen.
In der Vergangenheit war der Essener Konzern auch mit einem Schienenkartell in die Schlagzeilen geraten. Es war im vergangenen Jahr aufgeflogen. Das Bundeskartellamt hatte daraufhin im Juli dieses Jahres wegen Absprachen zulasten der Bahn ein Bussgeld von 103 Millionen Euro gegen Thyssen Krupp verhängt.
Luxusreisen mit Journalisten
Claassen steht wegen Luxusreisen mit Journalisten und eigener Reisen in der Kritik. Die Staatsanwaltschaft Essen prüft die Aufnahme von Ermittlungen wegen Untreue. Claassen hatte bereits am vergangenen Wochenende den Aufsichtsrat gebeten, ihn bis auf weiteres von seinen Vorstandsaufgaben zu entbinden.
Der frühere Pressesprecher war im Vorstand für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben zuständig, sein Vertrag sollte ursprünglich bis 20. Januar 2016 gehen.
Edwin Eichler ist bisher im Vorstand für die Stahlsparte zuständig, sein Vertrag sollte am 30. September 2017 enden. Für seine Sparte Steel Americas mit den Werken in Brasilien und den USA sucht Thyssen Krupp Käufer. Die Anlagen haben sich als Milliardengrab erwiesen.
Der Bau und Hochlauf beider Werke hat nach Angaben von Hiesinger aus dem Mai bislang rund zwölf Milliarden Euro verschlungen. Die Prüfung der Projekte habe ergeben, dass die Planungen des früheren Vorstands deutlich zu optimistisch gewesen seien oder sich im Nachhinein als falsch erwiesen hätten, teilte Thyssen Krupp jetzt mit.
(jev/sda)