Der Konsumentenschutz hat keine Freude an den Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Swisscom. Darin erhöht der Telekom-Gigant den Preis für den Erhalt einer Papierrechnung auf 2.90 Franken. Zudem werden für Überweisungen am Postschalter neu 3 Franken fällig. Der Konsumentenschutz sieht die Änderung als Versuch, Kunden zur Nutzung der digitalen Dienstleistungen zu drängen, um noch mehr Daten zu generieren. Die Swisscom sieht das anders: Grund seien die hohen Kosten der Papierrechnungen.
Die Swisscom unternehme alles, um an möglichst viele Daten heranzukommen, so Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz. «Die Swisscom entwickelt sich zusehends zu einer riesigen Datenkrake.»
Auch für die Überweisung am Postschalter werden neu Gebühren fällig. Swisscom nimmt dafür bald Zahlungen in seinen Shops entgegen. Mehr dazu lesen Sie hier.
«Möglichst alle Interaktionen online durchführen»
Für den Konsumentenschutz ist es stossend, dass analoge Dienstleistungen zunehmend kostenpflichtig werden. Das Ziel der Swisscom sei dabei offensichtlich: «Kunden sollen möglichst alle Interaktionen online durchführen.» Damit könne der Kundenstamm möglichst umfassend im «digitalen Datentopf» vereint und gewinnbringend bearbeitet werden.
Die Swisscom kann diesen Vorwurf nicht nachvollziehen, schreibt Mediensprecherin Sabrina Hubacher auf Anfrage der «Handelszeitung». Bei eBill- und E-Mail-Rechnung habe die Swisscom keinerlei Zugriff auf das Bankenportal und die Prozesse zur Zahlung und die Informationen würden durch die Bank gehosted. «Die Bankdaten verbleiben beim Online-Banking jederzeit beim Kunden beziehungsweise im Bankenportal, Swisscom hat keinen Zugriff darauf.» Bei Kreditkartenzahlung verfüge Swisscom ebenfalls nicht über Dateninformationen. Swisscom nutze diese Daten nicht zu Vermarktungszwecken und gebe sie auch nicht an Dritte weiter.
Die Swisscom hatte die Neuerungen mit dem Aufwand begründet, der durch den Versand der Rechnungen entstünde. Papierrechnungen würden das Unternehmen jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. «Diese hohen Kosten sollen nicht alle mittragen, genau wie diejenigen für die Zahlungen am Postschalter», teilte die Firma mit. «Wir wollen unsere Kunden zum Umdenken anregen. Papier und Postversand sind nicht nachhaltig.»
Schwieriges Opt-out
Das will der Konsumentenschutz nicht gelten lassen. Gegen diese Begründung sprächen weitere Änderungen der AGB. Die Swisscom stelle sich darin eine «Blankovollmacht für den möglichst ungehinderten Umgang mit Kundendaten aus». Dazu gehört etwa die Erstellung von Kundenprofilen und die Weitergabe von Kundendaten an Werbevermarkter.
Auch hier widerspricht die Swisscom. Die Datenbearbeitung sei transparent in der Allgemeinen Datenschutzerklärung festgehalten, so Swisscom-Sprecherin Hubacher. An den Vermarkter Admeira würden nur Altersgruppe, Geschlecht und Wohnregion weitergegeben. Die Datenweitergabe an Admeira sei zudem nach dem aktuellen technischen Stand anonymisiert (K-Anonymisierung) und eine Re-Identifikation damit nahezu unmöglich. Allfällige weitere Datentypen würden erst weitergegeben, nachdem die Kunden ihr explizites Einverständnis (Opt-in) dazu gegeben hätten.
Zudem ermöglicht die Swisscom ausdrücklich die Möglichkeit eines Opt-out zur Datenbearbeitung. Dieses diene indes nur der Wahrung des Scheins, so der Konsumentenschutz. Es sei fast unmöglich die entsprechenden Stellen auf der Swisscom-Internetseite oder im eigenen Kundenprofil zu finden. Zudem werde das Opt-out wahrscheinlich nach dem nächsten Systemupdate deaktiviert, befürchtet der Konsumentenschutz.
Die Swisscom kann auch diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Mit dem Link www.swisscom.ch/datenverwendung komme der Kunde nach der Eingabe seiner Login-Daten direkt an die richtige Stelle im Kundencenter und könne seine Opt-ins/Opt-outs jederzeit selbst verwalten, so Hubacher.
Zudem sei die Aussage falsch, dass das Opt-out nach dem nächsten Systemupdate wieder deaktiviert sein dürfte.
Sofortiges Kündigungsrecht
Der Konsumentenschutz bezweifelt die rechtliche Verbindlichkeit der Preisanpassungen, weil diese nicht direkt in die AGB verlinkt seien. Für die Swisscom ist dagegen klar, dass es «keinen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch auf eine kostenlose Papierrechnung» gebe. Zudem hätten Kunden ein Sonderkündigungsrecht und könnten ab Info-Erhalt bis spätestens zum Inkrafttreten der Änderung (1. Oktober 2019) kündigen.
Kunden können Rechnungen weiterhin gebührenfrei im Onlinebanking abwickeln, so die Swisscom. Zudem stellt ihnen das Unternehmen eine neue Bezahlmöglichkeit zur Verfügung: Ab Oktober können Zahlungen in den «Shops» getätigt werden.