Der Spätherbst ist bei den Krankenkassen die Zeit der unangenehmen Botschaften. Jahr für Jahr orientieren sie ihre Versicherten über die massiv gestiegenen Prämien. Umso überraschender kommt der Brief, den die Angestellten der Grossbank Credit Suisse Mitte November erhalten haben: Statt einer Prämienerhöhung kündigt das Schreiben einen massiven Rabatt von 20 Prozent für Privatpatienten an.

Hinter dem Tiefpreisangebot stehen die Krankenversicherung Sanitas und die Privatklinikgruppe Hirslanden. Ihre Offerte an die CS-Mitarbeiter ist nur der erste Schritt einer breit angelegten Marktoffensive. In den nächsten Jahren sollen bis zu 100 000 Versicherte auf das neue Angebot mit dem Namen H-Care umsteigen, definiert Hirslanden-CEO Robert Bider das ehrgeizige Ziel.

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Mit dem Vorpreschen der beiden Partner Sanitas und Hirslanden kommt Bewegung in den Schweizer Gesundheitsmarkt. Seit 1996 sind die Durchschnittsprämien Jahr für Jahr um 6,2 Prozent gestiegen (siehe Grafik auf Seite 23). Durch den Preisdruck haben die Privatpolicen mit ihren exklusiven Leistungen stark an Attraktivität verloren. Seit 1996 ist die Zahl der halbprivat und privat Versicherten von 2,4 auf 1,8 Millionen gesunken. Mit Kampfpreisen sollen die Kunden wieder in diese Zusatzversicherungen gelockt werden.

Doch lässt sich der aggressive Rabatt von 20 Prozent auch längerfristig halten? «Wir haben das Modell sorgfältig durchgerechnet», hält Sanitas-Chef Otto Bitterli fest, «die tieferen Prämien können wir durch eine optimierte Leistungserbringung wieder hereinholen.» Einsparungen ergeben sich durch die Zusammenarbeit mit der Privatklinik-Gruppe Hirslanden. Gemäss einer kürzlich publizierten Studie der Universität St. Gallen arbeiten die privaten Spitäler in der Schweiz rund zehn Prozent günstiger als die öffentlichen Spitäler. Im H-Care-Modell sollen sich die Versicherten deshalb prioritär in einem der zwölf Hirslanden-Spitäler oder einer Partnerklinik behandeln lassen. Dann entfällt für sie der Selbstbehalt von 1500 Franken.

Einen weiteren gewichtigen Beitrag zu den tieferen Prämien leisten die Ärzte: Die Hirslanden-Gruppe hat mit bislang 500 Schweizer Ärzten – darunter auch namhaften Professoren – günstigere Tarife ausgehandelt. Bis Ende Jahr soll die Zahl sogar auf 800 steigen. Dass die Ärzte mitmachen, ist für Hirslanden-CEO Bider der eigentliche Erfolg des H-Care-Modells: «Als wir ihnen die Idee vor fünf Jahren erstmals präsentierten, > stiessen wir noch auf starke Ablehnung.» Als Privatklinik habe Hirslanden den Ärzten jedoch Vorteile zu bieten: «Die Ärzte sind unsere Kunden. Sie sind in keine Hierarchie eingebunden und deshalb weitgehend von administrativen und Führungsaufgaben entlastet.»

Ihr neues Modell bieten Sanitas und Hirslanden zunächst nur als Kollektivversicherung für Konzerne mit mindestens 500 Mitarbeitern an, neben der CS zum Beispiel Siemens oder Maus Frères (Manor). Später sollen auch kleinere Firmen mitmachen können. Der Vorteil für die Krankenkasse: Bei einer Kollektivversicherung liegen die Verwaltungskosten deutlich tiefer, es braucht keine teuren Werbekampagnen, und es gibt kaum säumige Prämienzahler. Aber auch die Firmen sollen vom Modell profitieren: In der Privatklinik Hirslanden ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Patienten rund zwei Tage kürzer als in den öffentlichen Spitälern. Für die Arbeitgeber bedeutet dies weniger Absenzen.

Robert Bider von der Hirslanden-Gruppe erwartet, dass der Vorstoss die Konsolidierung unter den Privatspitälern beschleunigen wird. Schon heute stehen die privaten Kliniken – die Hirslanden als Nummer eins hat einen Marktanteil von 20 Prozent – unter starkem Druck. Wie der St.-Galler Professor Franz Jaeger in einer vor Monatsfrist publizierten Untersuchung festhält, verfügen die privaten Spitäler über «deutlich kürzere Wettbewerbsspiesse» als die öffentlichen. Margrit Kessler von der Schweizerischen Patientenorganisation begrüsst es, dass mit dem H-Care-Modell mehr Wettbewerb in den Gesundheitsmarkt kommt. Vor allem für die Privatpatienten sei das Angebot heute unbefriedigend. Insbesondere bei den öffentlichen Spitälern hat Kessler Qualitätsmängel festgestellt. «Mir sind Klagen von Patienten bekannt, die von anderen Ärzten behandelt wurden, als dies ursprünglich vereinbart war.» Die Vertrauensbeziehung zum Arzt ist laut Kessler ohnehin das wichtigste Kriterium beim Abschluss einer Krankenversicherung. Dass bereits 500 Ärzte beim neuen Modell mitmachen, sei deshalb als gutes Zeichen zu werten.