Die Kreuzfahrtbranche erlebt gerade einen Boom sondergleichen: Die Kunden stehen Schlange und jedes neue Schiff ist sofort ausgebucht. Doch das starke Wachstum hat auch Schattenseiten und könnten den Erfolg der Kreuzfahrten bremsen.
Der Markt macht den Kreuzfahrt-Reedereien keine Probleme. «Wir brauchen vor allem mehr Schiffe, um mehr Passagiere zu gewinnen», sagte Aida-Chef Felix Einhorn diese Woche auf der Fachmesse «Seatrade Europe» in Hamburg. Und seine Kollegin Wybcke Meier von Tui Cruises bringt es auf den Punkt: «Mehr Schiffe, mehr Kapazität, das wird die Passagierzahlen in die Höhe treiben.»
25,8 Millionen Passagiere im Jahr 2017
Der internationale Kreuzfahrtverband CLIA prognostiziert die Passagierzahl im laufenden Jahr auf weltweit 25,8 Millionen. Das wären gut 4 Prozent mehr als 2016 und satte 46 Prozent mehr als vor acht Jahren. Allein im vergangenen Jahr wurden 19 neue Schiffe zu Wasser gelassen.
In der Schweiz buchten 2016 gemäss CLIA-Zahlen rund 140'000 Personen eine Kreuzfahrt. Das entspricht einem Anteil von 1,7 Prozent der Gesamtbevölkerung, was im internationalen Vergleich ein überdurchschnittlicher Wert ist.
Viele Schiffe in Bestellung
Weil die Zeichen auch künftig auf Wachstum stehen, bestellen die Reedereien weiterhin was das Zeug hält. 75 Schiffe stehen in den Auftragsbüchern der vier Werften, die technologisch in der Lage sind, solche anspruchsvollen Schiffe zu bauen. Das bedeutet: Bis zum Jahr 2025 kommen noch einmal 250'000 Kabinen dazu - die globalen Kapazitäten steigen damit um mindestens 40 Prozent.
Weltweit werden im Jahr 2022 dann 30 Millionen Passagiere auf Kreuzfahrt gehen, 2026 schon 35 Millionen und 2030 erwartet die Branche schliesslich 40 Millionen Gäste. Für Kyriakos Anastassiadis, den Europa-Präsidenten von CLIA, ist selbst das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange: «Weltweit gibt es 1,3 Milliarden Touristen.» Da sei noch mehr drin.
«Wir hatten nie Überkapazitäten»
Zehn Vorstandsvorsitzende und Präsidenten hatten sich am Mittwoch bei der Fachmesse in Hamburg auf der Bühne versammelt, und sie alle schwärmten von der gesunden Entwicklung des Marktes und der regen Nachfrage der Kunden. «Wir hatten nie Überkapazitäten», sagte David Dingle, Chef der Reederei Carnival in Grossbritannien.
Und Karl J. Pojer von Hapag-Lloyd Cruises ergänzte: «Da ist genug Potenzial, das eingesammelt werden kann. Wir brauchen zielgruppengerechte Angebote und fantastische Schiffe.» Gerade im Super-Luxus-Segment liessen sich die Angebote noch ausweiten.
Hass auf Touristen in Hafenstädten
Doch an Land kommen viele Hafenstädte mit dem Wachstumstempo der Kreuzfahrtindustrie nicht mehr mit. In einigen Städten habe sich eine «Touriphobie» breitgemacht, also eine Abneigung gegen Touristen, weil viele Urlauber kämen und zum Beispiel Wohnungen an Touristen statt an Einheimische vermieteten, sagte der Chef der Pullmantur-Gruppe, Richard J. Vogel. Die Kreuzfahrtschiffe seien aber nur ein Teil des Problems - die weitaus meisten Besucher von Städten wie Barcelona oder Venedig reisten mit dem Flugzeug an, sagte er.
Die Branche sieht das Problem, offenbart aber auch eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang damit. «Wir brauchen mehr Kommunikation, Zusammenarbeit und Absprachen mit den Hafenbehörden», sagte Neil Palomba, Präsident der Kreuzfahrtreederei Costa Crociere.
Die Infrastruktur der Häfen und in den Hafenstädten müsste sich schneller entwickeln. Damit gemeint sind nicht nur Abfertigungsanlagen und Verkehrsmittel, sondern auch Hotels und Restaurants und die Versorgung der Schiffe mit Energie, Treibstoffen und Nahrungsmitteln.
(sda/gku)