Kommt bei Topmanagern das Aus, die Kündigung, dann ist das oft der Schlusspunkt eines wil-den Rittes auf dem bockenden Pferd. Und niemand ist vom Sturz des kühnen Reiters überrascht. André Dosé zum Beispiel, gefeuerter CEO der Swiss, ist so ein Fall: Das Polster, auf das er fiel, war weich, und sowohl er wie sein Publikum hatten vorher Zeit und Anlass genug, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Für die Tage und Jahre danach ist eh schon vorgesorgt.
Ganz anders laufen Kündigungen ein, zwei Stufen unterhalb der Top-Ebene ab, da wo die Manager namenlos sind, auswechselbar, wo keine Presse das Geschehen mitverfolgt. Peter G. ist so ein Fall. Banker, 53, Abteilungsleiter, 12 Jahre im Unternehmen. Eines Morgens wurde er zum Chef gerufen: «Ihre Stelle wird gestrichen, Sie sind freigestellt und werden das Unternehmen sofort verlassen.»
Der überrumpelte Abteilungsleiter G. wurde vor die Wahl gestellt, ob er sich von seinen Mitarbeitern, die gleichzeitig im Nebenraum versammelt waren und über die Kündigung orientiert wurden, noch verabschieden wolle oder nicht. Vor der Tür wartete ein Securitas, der ihn zu seinem Büro zurückbegleitete, und in dessen Anwesenheit G. seine persönlichen Sachen packen musste.
Kündigungen gehören in unserer volatilen Wirtschaft immer mehr zum Alltag. Die Frage ist, wie kündigt man, ohne dabei unnötigen Schaden anzurichten? Peter G. war schockiert, brachte kaum ein vernünftiges Wort heraus, verliess verdattert das Unternehmen und musste sich erst mal betrinken. Dann begann er sich zuerst trotzig, dann euphorisch, später verzweifelt nach neuen Ufern umzusehen, aber niemand hatte auf ihn gewartet.
Die Arbeitslosigkeit stürzte wie eine schwarze Glocke über ihm zusammen. Peter G. wurde gereizt, verkrachte sich mit seiner Frau, wurde depressiv, blieb verwirrt und schaffte es nicht, potenzielle Arbeitgeber von sich zu überzeugen. Peter G. ist nach anderthalb Jahren ein schwieriger Fall.
Wie ein Partnerverlust
«Kündigungen», so Toni Nadig, der Geschäftsführer der Zürcher Outplacement-Firma DBM, «können furchtbare psychische Verletzungen verursachen, und wir sehen immer wieder Leute, die sich davon nicht mehr erholen.» Nadig hat schon viele Manager durch das Jammertal der Neuorientierung begleitet und hat immer wieder die Beobachtung gemacht, dass die Art und Weise, wie dem Klienten seinerzeit gekündigt wurde, entscheidenden Einfluss darauf hat, wie schnell er wieder Tritt fasst und eine neue Stelle findet.
«Eine Kündigung aus heiterem Himmel kann so traumatisierend sein wie der Verlust eines Partners.» Nadig schätzt, dass rund ein Drittel der gekündigten Manager psychologische Hilfe braucht, 5 bis 10% schaffen den Wiedereinstieg nicht mehr und enden bei der Sozialhilfe.
Die Traumareaktion ist im Grunde genommen ein sinnvoller, normaler neurobiologischer Vorgang. Er dient dem Aushalten und Überleben von lebensbedrohlichen Situationen. Das Hirn schaltet auf Notwehr, Adrenalin wird ausgeschüttet, Kortisol kommt dazu, das System schreit nach Kampf oder nach Flucht.
Kündigungen können das Selbst- wie das Weltbild ähnlich erschüttern, sowie andere, besser als traumatisierend erkennbare Ereignisse zum Beispiel Unfälle, ein Überfall oder eine Vergewaltigung. Immer ist Ohnmacht und Gewalt im Spiel. Da in seiner Situation der Kündigung weder Kampf noch Flucht möglich war und die ausgeschütteten Hormone nicht in Bewegung und Aktion umgesetzt werden konnten, begann G.s Hirn, alles abzuspalten, was nicht zum Überleben notwendig ist.
Parallelen zu Gewaltopfern
Die Psyche und ihre Wahrnehmung wird in solchen Situationen fragmentiert, alles läuft langsamer, die Farbwahrnehmung fällt aus, das Opfer erlebt sich wie in Trance, es fühlt sich an, als hätte es nur noch Matsch im Kopf. «Manche Leute beginnen dann zu stottern, reden unzusammenhängend, erleben sich als verwirrt», beschreibt der Zürcher Traumaforscher Horst Kraemer den Zustand des Traumatisierten.
Kraemer arbeitet seit Jahren mit traumatisierten Opfern von Gewalt und Unfällen, und immer mehr behandelt sein «Coachingteam» die Traumata von geschassten Managern. «Die Parallelen zwischen Gewaltopfern und Opfern von brutalen Kündigungen sind frappant», sagt Kraemer. «Beide können monatelang, jahrelang an einer gewissen Verwirrung leiden, haben das Gefühl, nicht sich selbst zu sein, zeigen Symptome wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Magenverstimmungen, können sich schlecht konzentrieren, werden oft impotent und entwickeln seltsamerweise oft Schuldgefühle.»
Solange traumatisierte Gekündigte noch in ihrem Trauma gefangen sind, haben sie kaum eine Chance, einen künftigen Personalchef von ihrer Qualität zu überzeugen. «Je nach Schwere des Traumas und der individuellen Umstände finden Menschen mit der Zeit von selbst wieder aus dem Zustand der Verwirrung heraus, andere brauchen professionelle Hilfe», sagt Traumaforscher Kraemer.
Solange dieses Trauma nicht aufgelöst wird, bleiben die Arbeitssuchenden mürrisch, reizbar, depressiv und erleben sich bei jeder abgelehnten Bewerbung wieder erneut als Opfer. Mit Opfern aber will diese Gesellschaft nichts zu tun haben und so geraten sie in einen Teufelskreis, in eine Spirale, an deren Ende bei Manchem die Sozialhilfe und dann die IV-Rente steht.
«Das müsste nicht sein», sagen sowohl der Traumaforscher Kraemer wie der Outplacement-Coach Toni Nadig. «Es bräuchte nur eine gewisse Kultur des Kündigens, damit nicht weiterhin unnötig Schaden angerichtet wird.»
Nachgefragt: Horst Kraemer, Geschäftsführer Coachingteam GmbH
«Man muss wissen, wie es weitergeht»
Warum wird neuerdings so brutal gekündigt? Das Kündigen kann auch für die Chefs traumatisierend sein. Viele schützen sich davor, indem sie es möglichst hart und schnell über die Bühne bringen. Sie wollen das Trauma so von sich fern halten. Dann ist da noch die Angst, dass die Betroffenen dem Betrieb Schaden zufügen. Man schützt sich dagegen durch lange Geheimhaltung und ein schnelles Ende.
Gibt es einen Rat für Betroffene? In der Traumatisierung ist man meist verwirrt und redet dummes Zeug wie: «Es stinkt mir sowieso hier.» Manche unterschreiben auch willfährig Dinge, obwohl sie eigentlich nicht zurechnungsfähig sind. Das macht alles nur noch schlimmer und gibt dem Kündigenden Recht. Wenn also ein Rat, dann den, dass bei einer Kündigung jeder Satz einer zu viel sein kann.
Wie müsste eine Kündigung aussehen, die wenig Schaden anrichtet? Unzufriedenheit muss man frühzeitig kommunizieren. Spannungen und Konflikte müssen auf den Tisch, damit den Betroffenen klar wird, worum es geht. Bei einem offenen und ehrlichen Führungsstil kommt die Kündigung nicht unerwartet.
Und wenn ganze Abteilungen geschasst werden müssen? Jeder Vorgesetzte weiss selber, was es braucht, um mit einem guten Gefühl gehen zu können: Man muss verstehen warum, muss wissen, warum es nicht vermieden werden konnte, und muss wissen, wie es weitergeht. Man soll also rechtzeitig sagen, dass gekündigt wird, und dass es jeden treffen kann. Die Gründe und auch die eigene Ohnmacht der Vorgesetzten müssen dabei offengelegt werden. Und dann muss man unbedingt mit jedem Einzelnen persönlich reden und ihm genügend Zeit einräumen, eine neue Perspektive aufzubauen.
Was ist der Unterschied zwischen einem traumatisierten Gekündigten und einem, der nicht traumatisiert wurde? Für einen traumatisierten Gekündigten ist es so, als ob mit der Kündigung das Leben anhält. Die Zeit bleibt stehen. Die eigene Initiative bricht zusammen. Ein nicht traumatisierter Gekündigter ist und bleibt in Aktion, seine Handlungsfähigkeit und seine kreative Lösungssuche sind vorhanden. Dieser Mensch hat Zugang zu seinen Resourcen.
Woran erkennt man ein Trauma? Der Betroffene findet nicht aus dem Teufelskreis des Opferseins heraus. Er wirkt verwirrt und unkonzentriert. Wenn das nicht nach ein paar Tagen nachlässt, dann ist da sehr viel mehr passiert als nur ein kleiner Schock.
Was ist zu tun? Als Erstes gilt es aus der Erstarrung wieder heraus zu kommen und für viel Bewegung zu sorgen. Dann ist es wichtig, die Scham zu überwinden, den Zustand zu akzeptieren und in Gesprächen ein Begreifen des Geschehens zu erreichen. Wenn es wie meist in der Beziehung kriselt, soll man einen Paartherapeuten aufsuchen, um wenigstens diesen Rahmen zu sichern. Wenn die Symptome nach zwei Wochen nicht drastisch bessern, rate ich dringend zu einem Trauma-Coaching.