Es gibt wohl kaum einen Schweizer, dem die wilde Fahrt von Rudolf Kollers «Gotthardpost» nicht geläufig ist. Das Auftragswerk aus dem Jahr 1873 für die Direktion der Schweizerischen Nordostbahn als Abschiedsgeschenk an Alfred Escher gehört zu den populärsten Gemälden der Schweizer Kunst. Es zeigt eine dramatische Interpretation der (damals als gefährlich geltenden) Alpenüberquerung eines rasendes Fünfergespanns mitten durch eine Kuhherde. Der Künstler selbst allerdings schätzte das Bild nicht besonders: «Es ist wenig Malerisches daran. Der Titel ist eigentlich das Beste.» Schon allein deshalb wäre es verfehlt, Kollers Bedeutung auf dieses eine Bild zu reduzieren.
Der am 25. Mai 1828 in Zürich geborene Rudolf Koller er starb 1905 in Zürich ist ein bedeutender lokaler Künstler. Das erklärt, warum das Zürcher Kunsthaus ihm eine grosse Retrospektive widmet, obwohl sein Name in den meisten Künstlerlexika nicht auftaucht. Mit mehr als 40 Gemälden und über 350 Zeichnungen und Studien aus allen Schaffensphasen besitzt das Kunsthaus die wohl grösste Sammlung seiner Werke. Koller war in seinen späteren Jahren hochgeachtet, er war Mitglied der Zürcher Kunstgesellschaft und deren Ehrenmitglied; die Universität Zürich verlieh ihm gar einen Ehrendoktortitel.
Zur Ausbildung ins Ausland
Um 1840 jedoch, als Koller beschloss, Künstler zu werden, war in Zürich eine akademische Kunstausbildung nicht möglich, und die Stadt dieser Zeit als kunstsinnig zu bezeichnen, wäre übertrieben. So liess sich Koller ab 1846 in Düsseldorf und in Paris zum Maler ausbilden. Sein Aufenthalt in München und Oberbayern von 1849 bis 1851 brachte ihm erste Anerkennung für seine Tierstudien, aber auch eine Hinwendung zur Landschaftsmalerei.
Koller reiste viel und war mit Malern wie Arnold Böcklin und Rudolf Zünd befreundet. Er lebte gesellig im städtischen Lebenskreis und verkehrte unter anderem mit Gottfried Keller und Jacob Burckhardt. Immer wieder reiste er jedoch aufs Land, um die Landwirtschaft und die Voralpenlandschaft zu studieren, blieb jedoch zur rauen Lebenswirklichkeit der Bauern letztlich auf Distanz. Während er sich anfangs vor allem für Pferde und Hunde interessierte, erhielt mit den Jahren das Motiv der Kuh immer grössere Bedeutung. Meist dominiert sachlicher Naturalismus, wie z.B. in «Friedli mit der Kuh», ab und zu schleichen sich jedoch auch ironische Untertöne ein, wie bei seiner berühmten «Kuh im Krautgarten» von 1857, dem personifizierten schlechten Gewissen.
1861 erwarb Koller das Bauerngütchen «Hornau» am damals verwilderten Zürichhorn. Hier legte er eine grosse Weide mit einer ganzen Anzahl von verteilt umherstehenden Staffeleien an, an denen er seine Naturstudien anfertigen konnte.
Ob Blitz oder Donner, Abendsonne am Zürichsee oder Sommerhitze an den Hängen des Haslitals: Seine Welt der Tiere, Menschen und Landschaften ist voll von erzählerischen Momenten, und sein Bestreben galt stets der grösstmöglichen Nähe zur Natur. Es war nicht Kollers Ziel, auf der künstlerischen Höhe seiner Zeit zu sein, was Innovationen und Modeströmungen anging. Was ihm vorschwebte, hat er selber formuliert: «Ein einfaches, wahres Bild.»
Das Stück Land am Zürichsee, das Koller durch die heranrückende grossstädtische Zivilisation bedroht sah, wurde mehr und mehr zum Altersrefugium. Das Spätwerk setzt früh ein und enthält viele grossformatige, teils dunkelfarbige Landschaftsbilder. Die dunkle Farbigkeit und gewisse Mängel in der Perspektive gehen auf eine Augenschwäche zurück, verursacht durch stundenlanges Malen bei hellstem Sonnenlicht. In der Tiermalerei zeigen sich jedoch kaum Schwächen, wenn auch manche frühere Studien wieder und wieder verwendet werden.
Zieht man ein Resümee dieses langen Künstlerlebens, so fügt sich Koller nahtlos ein in die Reihe seiner Zeitgenossen, die dem Naturalismus und Pleinairismus verpflichtet waren, und dieser Linie blieb er treu.
Mit mehr als 40 Gemälden, von denen viele schon seit Jahrzehnten nicht mehr zu sehen waren, sowie rund 50 Zeichnungen und Skizzenbüchern zeigt das Kunsthaus den Zürcher Künstler in allen Facetten seines Schaffens, das ebenso von originellem Talent wie auch von Bodenständigkeit geprägt ist (Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, bis 2. März 2003).