Noch steigen die Preise für Kunststoffrohstoffe nicht im gleichen Mass wie die Ölpreise. Dennoch spüren die Schweizer Verarbeiter jede Preiserhöhung. Dementsprechend reagieren die Margen. Der seit Jahren enorme Margendruck führt deshalb dazu, dass eine steigende Zahl von Firmen kaum noch investieren kann und die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden vernachlässigen muss. Man darf zwar den Teufel nicht an die Wand malen, langfristig ist dies aber eine kritische Situation. Sie wird noch verschärft durch die Tatsache, dass Formenbauer aus dem Fernen Osten preislich und dank flexibler Arbeitszeitregelungen auch terminlich den Wettbewerb massiv beeinflussen.

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Einfache Produkte in Zukunft aus Billiglohnländern

Es ist davon auszugehen, dass in wenigen Jahren die meisten Formteile, die technisch einfach herzustellen sind, aus Kostengründen in Billiglohnländern produziert werden. Die schweizerischen Kunststoffverarbeiter werden, so schmerzhaft dies ist, in diesem Bereich Marktanteile verlieren, was dazu führen könnte, dass Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Es sei denn, es gelingt, technisch hoch stehende Produkte in guter Qualität zu marktkonformen Preisen herzustellen.

Diese Entwicklung bewirkt allerdings, dass die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeitenden steigen werden und künftig weniger gut qualifizierte Mitarbeitende je länger, je mehr Mühe haben werden, eine Anstellung zu finden.

Die Industrie reagiert mit einer Bildungsoffensive

Dank dem seit mehr als zehn Jahren bestehenden Kunststoff-Ausbildungs- und Technologie-Zentrum (KATZ) in Aarau sind sowohl die Weiterbildung des Betriebspersonals als auch ein Technologietransfer zwischen einzelnen Betrieben, aber auch zwischen Fachhochschulen und Betrieben sichergestellt. Dass die Branche ihre Ausbildungsbedürfnisse kennt, zeigt sie mit ihrem modernen Lehrberuf, dem Kunststofftechnologen.

Mit der höheren Fachprüfung, die berufsbegleitend zum eidg. dipl. Produktionsleiter Kunststofftechnik führt, wird auch die Forderung erfüllt, Spezialisten zu Generalisten zu machen. Nachdiplom- und Kontaktstudien an Fachhochschulen sowie die Ausbildung zum Werkstoffingenieur an der ETH runden das Angebot ab. Und das Ergebnis: In der Kunststoffindustrie haben mehr als die Hälfte aller Beschäftigten eine Berufs- oder höhere Ausbildung.

Wandel vom Teileproduzenten zum Systemlieferanten

Viele Betriebe haben sich den neuen Herausforderungen gestellt und Massnahmen eingeleitet. Der Automatisierungsgrad der Branche ist hoch, der Einsatz von Handlinggeräten und Robotern ist den Kinderschuhen längst entwachsen und zum Allgemeinwissen geworden.

Viele Betriebe haben sich spezialisiert, bieten neben der Verarbeitung auch Nachfolgeoperationen bis hin zu Baugruppen an und erfüllen damit erfolgreich die Forderung nach Systemen statt Einzelteilen. Die Fertigung von Nischenprodukten, zum Beispiel für Medizin und Pharma oder im Bereich Nanotechnologie, ist ebenfalls weit verbreitet.

Vermehrt gefragt sind auch Projektdienstleistungen

Häufig bieten schweizerische Kunststoffverarbeiter zudem die Mitarbeit bei Projekten an, was zu langfristigen Partnerschaften bei der Entwicklung und Produktion von neuen Produkten führt.

Das Bildungsniveau unserer Jugendlichen muss angehoben werden. Die Volksschule muss wieder vermehrt Wissen vermitteln. Die Berufsausbildung darf nicht darunter leiden, dass jedem Schulabgänger ein Lehrplatz vermittelt werden soll. Der prozentuale Anteil an Gymnasiasten darf nicht auf Kosten der Qualität der Ausbildung erhöht werden.

Noch nicht alle Betriebe messen der Aus- und Weiterbildung den Stellenwert bei, der ihr gebührt: Weiterbildung ist eine Investition, die genau wie eine Maschine abgeschrieben und erneuert werden muss. Die Halbwertszeit des technischen Wissens in der Kunststoffindustrie beträgt heute noch fünf bis sieben Jahre!

Die Rahmenbedingungen müssen flexibler werden

Die Kunststoffindustrie muss sich zudem auf die neuen Anforderungen die auch Chancen bieten noch gezielter ausrichten. So unterschätzen vor allem heute noch viele kleine und mittlere Betriebe die Bedeutung des Exportes, denn aus Untersuchungen weiss der Kunststoff Verband Schweiz (KVS): Je kleiner ein Betrieb, desto weniger exportiert er. Exporte sind aber ein wichtiger Bestandteil des geschäftlichen Erfolges. Der KVS hilft deshalb Kleinunternehmen, den ersten Schritt in den Export zu tun. Beginnen soll dieser sinnvollerweise im grenznahen Ausland, wenn möglich in einem Land mit der gleichen Sprache. Mit zunehmender Erfahrung können später weiter entfernte Länder angepeilt werden.

Gerade die für die Kunststoffindustrie typischen KMU sind administrativ oft derart gefordert, dass ihre geschäftlichen Aktivitäten darunter leiden. Alle diesbezüglichen Versprechungen von Politikern haben bisher keine Besserung gebracht, im Gegenteil. Es ist wohl zu erwarten, dass mit zunehmender Staatsquote noch mehr Administration auf die Betriebe zukommt.

Kunststoff ist und bleibt ein zukunftsträchtiger Werkstoff

Trotz dieser zum Teil widrigen Rahmenbedingungen arbeiten viele schweizerische Kunststoff verarbeitende Betriebe sehr erfolgreich auf allen Weltmärkten. Der KVS hilft ihnen dabei, denn: Kunststoff ist nach wie vor einer der zukunftsträchtigsten Werkstoffe. Dank ihrer hervorragenden Eigenschaften wie leichte Formgebung, freie Farbwahl, Funktionserfüllung bei günstigem Preis und guten ökologischen Eigenschaften wie Energierückgewinnung bei der Entsorgung werden Kunststoffe das Material des 21. Jahrhunderts sein und bleiben.

Heinz Rischgasser, Geschäftsführer, Kunststoff Verband Schweiz (KVS), Aarau.



Kunststoffwissen

Wie muss man sich die Herstellung der Kunststoffe vorstellen?

Die Herstellung von Kunststoffen ist ein chemischer Prozess. Es braucht dazu reaktionsfähige «Bausteine» (einzelne Moleküle, so genannte Monomere), die untereinander reagieren, wodurch langkettige Moleküle (Polymere) entstehen. Wohl die bekannteste Verknüpfungsreaktion ist die so genannte Polymerisation, wo zum Beispiel aus Ethylen (mit Doppelbindung) das Polyethylen entsteht.

Geht der Trend der Verdrängung anderer Werkstoffe durch Kunststoffe weiter?

Kunststoffe haben in gewissen Anwendungen bekannte Werkstoffe wie Metalle, Glas, Holz, Papier verdrängt. Für die Substitution der Werkstoffe sind ökologische, qualitative und wirtschaftliche Gründe dies meist in Kombination verantwortlich. Selbstverständlich gibt es auch ungeeignete Anwendungsgebiete für Kunststoff. Viele Werkstoffe erhalten erst im Verbund mit verschiedenen Materialien ihre vorzüglichen Eigenschaften, so beispielsweise Sandwich-Elemente oder Glasfaser-armierte Kunststoffe. Auf diesem Gebiet der «Verheiratung» verschiedener Werkstoffe sowie neuer, massgeschneiderter Werkstoffe eröffnen sich dem Kunststoff vielfältige Zukunftspotenziale.