Mal Regen und Kälte, dann plötzlich heisse Sommertage: Das Wetter beschert der Schweiz seit April eine Auswahlsendung erster Güte. Was trotz wechselnder Meteo gleich blieb: Hiesige Konsumenten haben weniger Lust als im Vorjahr, ihre Sommerferien zu buchen.
«Aktuelles Wetter hilft nicht»
Der «Buchungsbarometer» des Schweizer Fachmagazins «Travel Inside» spricht dazu eine klare Sprache. Kumuliert von Januar bis April 2019 ergab sich dabei ein Minus von 7.5 Prozent gegenüber Vorjahr. In jenen Monaten herrschten noch Kälte und Niederschläge, was in der reinen Lehre der Touristiker die Ferienlust eigentlich befeuern sollte. Aber das geschah so nicht.
Jetzt, da der Sommer aufdreht in der Schweiz, dürfte das das Buchungsfieber weiter sinken. Das zumindest glaubt Dieter Zümpel, CEO DER Touristik Suisse (Kuoni, Helvetic Tours und weitere Marken): «Das aktuelle Wetter hilft der Buchungslage bestimmt nicht.» Aktuell geht Zümpel für den Gesamtmarkt «von einem Minus von fünf Prozent gegenüber Vorjahr» aus.
Lahmer Sommer als Gewinn-Gefahr
Die «ausgeprägte Marktschwäche im Sommergeschäft» muss Zümpel dabei besonders ärgern. Der deutsche Reise-Profi hat es geschafft, die Marke Kuoni wieder stark zu machen in der Schweiz. Nach drei harten Jahren war für 2019 das Comeback in die Gewinnzone programmiert gewesen. Fällt der Sommer schlechter aus als befürchtet, kann ihm das einen Strich durch die Rechnung machen.
Etwas weniger deutlich als Zümpel gibt man sich bei Hotelplan Suisse: «Wir liegen aktuell knapp unter Vorjahresniveau», sagt Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir, «doch wir sehen einen positiven Buchungstrend.» Bei TUI Suisse sieht man den aktuellen Buchungsstand für den Sommer auf Vorjahresniveau.
Sommer 18 gefährdet Sommer 19
Dass die Branche gesamthaft weit davon entfernt ist, einen Rekordsommer abzuliefern, könnte man vordergründig dem erstarkenden Klima-Gedanken zuschreiben, in der Branche aufgrund der schwedischen Umwelt-Aktivistin Greta Thunberg auch als «Greta-Effekt» apostrophiert.
Die Touristik-Profis vermuten den Brems-Faktor allerdings anderswo: «Mögliche Gründe sehen wir an die Erinnerungen an den heissen Sommer 2018», sagt Huguenin-dit-Lenoir, «und die späteren Oster- beziehungsweise Frühlingsferien dürften die Zurückhaltung der Buchungen ebenfalls gefördert haben.» Auch Zümpel bringt den Sommer 2018 ins Spiel: Weil der Jahrhundertsommer bis Oktober 2018 andauerte, sei er lebhaft in Erinnerung geblieben, «verbunden mit dem Gefühl, dass man auch zu Hause schöne Tage verbringen kann.»
Trend zur «Entpaketisierung»
Als saisonübergreifenden Trend macht Zümpel zudem das Phänomen der «Entpaketisierung» aus: «Die Konsumenten buchen vermehrt selber Flüge und Hotelzimmer, ohne dafür auf Dienste des Reiseveranstalters zurückzugreifen.»
Der «Greta-Effekt», heisst es bei Reiseveranstaltern und Reisebüros, werde zwar vermehrt zum Thema bei der Reiseberatung. Aber er ändere das Reiseverhalten nicht grundlegend: «Wir bemerken aktuell keine Veränderungen in den Buchungszahlen, die meisten unserer Gäste fliegen weiterhin mit dem Flieger an warme Destinationen, sagt Corinne Raeber, Head of Product Marketing bei TUI Suisse. «Eine erhöhte Nachfrage zu Kompensationsmöglichkeiten oder eben die vermehrte Buchung von unseren nachhaltigen Ausflügen sind deutlich erkennbar. In Zahlen aber leider nicht.»
Nach Pfingsten geht’s zur Sache
Je näher der Sommerferien-Beginn rückt, desto nervöser werden die Reiseveranstalter. Wenn sich die Lage nicht grundsätzlich bessert, wird man an den Preisen schrauben müssen. Bisher blieb der preisliche Südrutsch auf dem Schweizer Reisemarkt noch grösstenteils aus. Ausser dem kleineren Veranstalter FTI, der Ende Mai «Wahnsinns-Rabatte von bis zu 60 Prozent» in den Markt drückte, verhalten sich die Marktteilnehmer zurückhaltend. Noch.
Wenn die Buchungslage bis Pfingsten aber nicht dreht, wird die Branche in Overdrive-Modus schalten, sagt Dieter Zümpel: «Wahrscheinlich werden wir dann ab Mitte Juni ein starkes Kurzfristgeschäft sehen.» Für die Konsumenten könnte dies bedeuten: Ein Rabatt-Festival mit Last-Minute-Preisen.