Wenn Sie, wie letzte Woche zur Einweihung des neuen Radisson-SAS-Hotels in St. Gallen, in die Schweiz zurückkommen, fühlen Sie sich als Ausländer mit Schweizer Pass oder als Schweizer mit reicher Auslanderfahrung?

Kurt Ritter: Irgendwie als beides. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, in einer gleichen Position sofern es diese gäbe in der Schweiz zu arbeiten.

Weshalb nicht?

Ritter: Ich könnte nicht in und mit einer einzigen Nation arbeiten. Am Hauptsitz unserer Unternehmung in Brüssel sind Beschäftigte aus 25 Nationen vertreten. Ich brauche Internationalität. In den letzten 30 Jahren habe ich insgesamt 12 Schweizer Pässe mit Ein- und Ausreisestempeln sowie Visen gefüllt.

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Sie sind Kosmopolit, der Lebensraum Schweiz ist Ihnen zu eng.

Ritter: Ja, wenn wir von der Arbeitswelt Schweiz sprechen. Hingegen könnte ich mir vorstellen, meinen dritten Lebensabschnitt wieder in meiner Heimat zu verbringen. Denn bei meinen Besuchen erlebe ich die Schweiz nach wie vor positiv, vor allem diszipliniert.

Gilt das auch für die Hotellerie?

Ritter: Ja, denn der Schweizer, die Schweizerin strebt grundsätzlich nach Perfektion, nimmt Geschäftsleben und Beruf ernst und geht im Vergleich mit anderen Ländern vertieft auf Probleme ein.

Sie schmeicheln der Schweiz, weil Sie hier grosse Ausbaupläne hegen: Sind Ihre Aussagen nicht bewusst schönfärberisch gehalten?

Ritter: Nein das Positive gilt übrigens auch für die so häufig kritisierte Swiss. Nach wie vor wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der schweizerischen Fluggesellschaft um die Bedeutung der Gastfreundschaft an Bord der Swiss-Flugzeuge. Die Berufsauffassung stimmt, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen.

Meinen Sie damit die Bereitschaft, im wahrsten Sinne des Wortes Dienstleistungen zu erbringen, zu dienen?

Ritter: Ja. Wenngleich ich feststellen muss, dass die Schweiz als Dienstleistungsstandort ihren Vorsprung, den sie vor 20 oder gar 30 Jahren noch hatte, sukzessive einbüsst.

Weil das Ausland aufholt?

Ritter: Als ich vor 30 Jahren meinen ersten Direktionsjob in Schweden übernahm, war dies ein Leichtes, obwohl ich sicherlich kein «Siebesiech» war; es gab für mich gar keine Konkurrenz. Heute ist das anders. Schweizer zu sein und in der Hotellerie zu arbeiten, war früher ein Qualitätssiegel; in den letzten Jahren ging dieser Bonus verloren.

Wo steht die Schweizer Hotellerie im internationalen Vergleich?

Ritter: Man muss unterscheiden zwischen Ferien- und Geschäftsreisehotellerie. Das Hauptproblem liegt in der Preisgestaltung der Ferienhotellerie. Die Schweiz ist für viele Reisende nicht mehr erschwinglich. Zudem hat die Konkurrenz nicht geschlafen. Im Bu-sinesstourismus sind die Unterschiede weniger eklatant, die Kosten spielen eine weniger wichtige Rolle.

Die Preisgestaltung ist ein Minus, was kritisieren Sie zusätzlich?

Ritter: Es werden von und in den Schweizer Hotels kaum mehr Sonderefforts geleistet, vieles wirkt medioker. Das ist zu bedauern.

Fehlt es am Willen oder ganz einfach am Können?

Ritter: Am Willen es wird zu oft der Weg des geringsten Widerstandes gewählt. Die Hotellerie ist arbeitsintensiv. Meine Kritik richtet sich ganz besonders an die Chefs. Zu viele sind genügsam geworden.

Sie vermissen Bereitschaft, auch die Liebe zum Detail. Geht es den Schweizer Hoteliers trotz ständigem Wehklagen nach wie vor wirtschaftlich (zu) gut?

Ritter: Wahrscheinlich schon. Die Krise, in der die Schweizer Hotellerie steckt, wird zeigen, wer Kraft zum Überleben hat. An Musterbeispielen, was Schweizer Hotellerie auf Topniveau bringt, fehlt es nicht.

Ein Beispiel?

Ritter: Ich nenne ein Exempel aus meiner engeren Heimat: Emanuel Berger leistet mit seinem «Victoria Jungfrau» in Interlaken hervorragende Arbeit. Er muss für die Konkurrenten Benchmark sein.

Können Sie Ihren Freunden zu Ferien in der Schweiz raten?

Ritter (in Oberländer Dialekt und nach einer längeren Pause): «Wohl scho.» Vor allem, wenn einer die Berge liebt.

Vielleicht stossen Ihre Freunde auf Hotels der Viersterne-Kategorie, die pro Gast mit Gruppentarif für das Doppelzimmer knapp 80 Fr. verlangen, inklusive Halbpension.

Ritter: Dieser Preis ist einzig die Konsequenz von Angebot und Nachfrage. Wenn ein Touroperator mit diesem Preis budgetiert, so muss ich mein Angebot darauf ausrichten. Die Zeiten, in denen ich auf die Fixkosten die Marge draufschlagen konnte und so zum Zimmertarif kam, sind passé. Die Nachfrage bestimmt den Preis.

Was zur Konsequenz hat, dass die Kosten gesenkt werden müssen.

Ritter: Die Hotellerie muss flexibel werden, besonders im Personalbereich, dem grössten und wichtigsten Fixkostenblock. Viele Hoteliers denken verstaubt und trauern ihren längst ausgedienten, bisher leider erfolglosen Prinzipien nach.

Wie pflegt die Rezidor SAS diese von Ihnen geforderte Flexibilität?

Ritter: Wir haben vor vier, fünf Jahren ein Programm gestartet, das Job-Rotation bringt. Ein Beispiel: Mitarbeiter der Buchhaltung oder des Verkaufs, also aus dem Back-office-Bereich, arbeiten zu Rush-Zeiten temporär am Check-in. Die Arbeit am Frontdesk wird auf weniger Köpfe verteilt, Zeiten mit schwachem Arbeitsanfall werden eliminiert. Mit dieser Job-Kombination halten wir die Personalkosten im Griff. Nötig sind allerdings Kreativität und Bereitschaft.

Ist das nicht ein gefährlicher Seiltanz, weil die Detailpflege unter diesem Modell leiden könnte?

Ritter: Eine Voraussetzung muss gegeben sein: Der Gast darf nichts spüren.

Sie arbeiten erfolgreich, eröffnen im Moment pro Woche ein Hotel, sind Europas Hotelgruppe mit dem schnellsten Wachstum. Und die Hoteliers in der Schweiz: Schlafen diese seelenruhig weiter?

Ritter: Sie sind noch immer zu stark dem «Mer hends gäng e so gmacht ...» verhaftet. Nochmals: Es sind die Chefs, welche die Betriebe prägen. Für mich ist es unvorstellbar, dass Hoteliers aus renommierten Kurorten im Juli für drei Wochen in die Sommerferien verreisen. Doch das habe ich erlebt!

Daraus ergeben sich einzigartige «Jagdgebiete» für Ihre Gruppe. Betriebe, die aus wirtschaftlichen Gründen klein beigeben müssen, werden zu Übernahmekandidaten.

Ritter: In vielen dieser Hotels würden wir es tatsächlich besser machen. Dort aber, wo gut gearbeitet wird, haben Hotelketten im Normalfall wenig Chancen, zum Zug zu kommen. Diese Hotels, gleich welcher Grösse, ob Familienbetrieb oder Investoren zugehörend, haben nach wie vor grosse Chancen und eine erfreuliche Zukunft.

Vielfach wird die Schuld beim Scheitern auf die Banken abgeschoben.

Ritter: Eine Gegenfrage als Antwort: Arbeiten die Erfolgreichen nicht mit den gleichen Konditionen, den gleichen Banken?

Sie operieren aus einer starken Position. Nimmt man Ihnen Ihre Philosophie in der Schweiz ab?

Ritter: Wäre ich zehn Jahre jünger, so würde es mir riesig Spass machen, irgendwo in der Schweiz meine Strategie umzusetzen.

Sind Sie Hotelier oder Manager?

Ritter: Noch immer Hotelier mit Herz und Seele. Selbst auf meiner Stufe muss man Hotelier sein, sonst verfällt man einem Denken nach Schema F.

Ihre Gruppe hat die Schweiz bisher vernachlässigt. Warum haben Sie erst vier Betriebe akquiriert?

Ritter: Vielleicht war ich zu zurückhaltend, der Schwerpunkt lag lange Zeit in Skandinavien und im weiteren nördlichen Europa, in letzter Zeit auch in Osteuropa. Hätte ich in der Schweiz ein Fehlinvestment getätigt, so hätte man mir wohl den Vorwurf gemacht, emotional gehandelt zu haben. Zudem: Global aktive Hotelmarken waren bisher nie stark in der Schweiz.

Das soll sich ändern: Bis anhin fehlten in Ihrem Portefeuille allerdings Topstandorte wie Zürich oder Genf.

Ritter: Die Kritik ist berechtigt. Aus Genf wie aus Zürich haben wir heute Anfragen. Das Interesse an unseren fünf Marken ist vorhanden.

Bis wann erreichen Sie Ihr Wunschziel von 20 Schweizer Betrieben? Bis 2010?

Ritter: Nein, ich hoffe schneller.



Hotelgruppe Rezidor SAS: Ziel in der Schweiz liegt bei 20 Hotels

Die von Präsident und CEO Kurt Ritter geleitete Rezidor SAS (bis 1. Oktober 2001 SAS International Hotels) mit Sitz in Brüssel ist eine der weltweit führenden Hospitality-Management-Firmen. Die Betreiberin von Hotels ist der einzige Franchisenehmer für die zur Carlson-Gruppe gehörenden fünf Hotelmarken Regent (Luxus-Kategorie), Radisson SAS (First-Class-Kategorie), Park Inn, Country Inn (beide Mittelklasse) und neuerdings Cerruti (Lifestyle-Hotels) in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika. Zur Gruppe zählen momentan 210 Hotels und Projekte in 40 Ländern. Bis 2012 plant Rezidor SAS, mit allen fünf Marken das Portfolio auf 700 Häuser zu erweitern.

Die von Rezidor gemanagten Betriebe zählten 2002 rund 13500 Beschäftigte; generiert wurde ein Umsatz von 1,109 Mrd Euro. Beherbergt wurden rund 11 Mio Gäste; die durchschnittliche Auslastung der Zimmer lag bei 65%. Rezidor SAS Hospitality ist eine 100%-Tochter der in Stockholm domizilierten Fluggesellschaft Scandinavien Airlines (SAS); in deren Besitz teilen sich die Regierungen von Norwegen, Schweden und Dänemark sowie private Investoren aus diesen Ländern.

In der Schweiz ist die Gruppe aktuell mit vier Hotels präsent, in raschem Tempo soll die Präsenz aber bis auf 20 Hotels erweitert werden. Im Vordergrund stehen unter anderem Standorte in Zürich und in Genf.

Standort Hotel Zimmer Übernahme/Eröffnung

Basel Radisson SAS 205 April 1998 übernommen

als Hotel International, Basel

St. Gallen Radisson SAS 123 November 2003 eröffnet

Luzern Radisson SAS 165 Eröffnung Ende Sommer 2005

Zürich Airport Park Inn 208 Juni 2003 übernommen

von Golden Arch/McDonald's

Lully Park Inn 80 Juni 2003 übernommen

von Golden Arch/McDonald's

Freiburg Park Inn 150 Eröffnung Ende 2005



Profil: Steckbrief

Name: Kurt Ritter

Funktion: President und CEO Rezidor SAS Hospitality, Brüssel

Geboren: 10. Februar 1947 in Unterseen im Berner Oberland

Wohnort: Brüssel

Familie: Verheiratet

Karriere:

1970 Abschluss der Hotelfachschule Lausanne; anschliessend Assistant Manager im Hotel Bellevue Palace, Bern

1976 General Manager SAS Lulea Hotel in Schweden

1984 Vice President Region Mittlerer und Ferner Osten SAS International Hotels (SIH)

1989 President und CEO SIH; Advanced Management Programme Insead in Fontainebleau

2002 Corporate Hotelier of the world