Serie: Reformdebatte (10) – Kurt Schiltknecht

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Kurt Schiltknecht ist keiner, der behauptet, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Das hat wohl mit seiner Vergangenheit zu tun: Wie kaum ein anderer hat sich der Ökonomieprofessor und Banker in seinem Leben mehrmals neu orientiert, kritische Schlüsse daraus gezogen und diese auch publiziert.

Trotz seiner liberalen Haltung war er Mitglied in der Partei der Genossen. Wegen des sozialdemokratischen Parteiausweises blieb ihm aber der Spitzenposten in der Nationalbank verwehrt. Deshalb ging er in die Privatwirtschaft. Die Bank Leu, die er als VR-Präsident leitete, wurde jedoch von der damaligen Grossbank Schweizerische Kreditanstalt geschluckt. Als Partner von Martin Ebner in der BZ-Holding war Schiltknecht anschliessend Vordenker der Shareholder-Value Strategie.

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Schliesslich schrieb er vor zwei Jahren ein Buch über Corporate Governance. In diesem kritisierte Schiltknecht die exorbitanten Managementgehälter und die Fixierung auf die kurzfristige Aktienkursentwicklung.



«Es gibt keine perfekte Lösung»

«Die Gesellschaft krankt daran, dass immer mehr Leute zu wissen glauben, wie die Welt funktioniert und wie sie organisiert sein sollte», sagt Kurt Schiltknecht heute. «Die perfekte Lösung aber gibt es nicht: Es muss laufend gesucht und ausprobiert werden, was am besten funktioniert.» Was heute gut sei, könne morgen bereits schlecht sein, denn die Welt und die Erkenntnisse verändern sich.

Schiltknecht glaubt: «Politiker und Behörden überschätzen sich bezüglich ihres Wissen, was der Staat soll und kann.» Umgekehrt werde die Möglichkeit des Marktes zur Lösung von Problemen unterschätzt. Das liegt seines Erachtens daran, dass der Homo oeconomicus als Gewinnmaximierer ohne Moral und Ethik dargestellt wird. «Doch in Tat und Wahrheit maximiert der Mensch nicht den Gewinn, sondern seinen Nutzen. Dabei spielen auch ethische Werte eine wichtige Rolle.»

Jemandem etwas Gutes zu tun, werfe durchaus einen positiven Nutzen ab. «Umgekehrt behagt es keinem, wenn rundherum Menschen hungern», sagt er und ergänzt: «Wenn man die Geschichte betrachtet, hat sich letztlich die marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaft als beste Lösung erwiesen.» Wie Robert Nef (siehe «Handelszeitung» Nr. 35 vom 29. August 2007) plädiert er für Wettbewerb in Wirtschaft und Politik.

«Der freie Wettbewerb fördert den Fortschritt und den Wohlstand für das Gros der Bevölkerung», lautet Schiltknechts Überzeugung. Zwar werde es weiter «ein paar Prozent Arme» geben. «Aber wir haben wenigstens die Mittel, sie zu unterstützen.» Den Gleichmachern entgegnet er: «Über die Einkommensgerechtigkeit kann man sicher diskutieren. Aber viel wichtiger wäre eine weitere Verbesserung der Chancengleichheit.»

Dazu gehört für den Millionär zwar ein gewisses Mass an Umverteilung. Doch meint der ehemalige Sozialdemokrat: «Arme und Reiche gibt es in allen Systemen. Alle Versuche, dies zu ändern, sind gescheitert.»

Damit spielt er auf den Zusammenbruch des Kommunismus an und auf die auch hierzulande immer weiter ausufernden Staatsleistungen – die Staatsquote ist von 32% 1990 auf mittlerweile 39% gestiegen.

Zudem meint Schiltknecht: «Wir müssen uns in der Sozialpolitik auf die direkte Hilfe für die Benachteiligten konzentrieren. Und das funktioniert einfach im Kapitalismus am besten.»

Im schiltknechtschen marktwirtschaftlichen Visionsstaat würde die Privatisierung zahlreicher staatlicher Dienstleistungen eine wichtige Rolle einnehmen.

Handlungsbedarf sieht der Professor besonders bei den Sozialversicherungen. Letztere könnten laut Schiltknecht aus einer einzigen Basisversicherung bestehen, welche die minimalen Bedürfnisse beim Eintreten von Risiken abdeckt. Ergänzt werden könne sie durch frei wählbare Pensionskassen, Kranken- und Invalidenversicherungen. «Private Versicherungen haben den Vorteil, dass sie die Leistungen nicht zu billig abgegeben und dass sie Anreizstrukturen aufweisen können, die eine übermässige oder missbräuchliche Nutzung ärztlicher oder staatlicher Dienstleistungen einschränken», glaubt er.



«Staat muss Leitplanken setzen»

Der Staat würde in dieser Privatisierungsoase vor allem Normen setzen, die den Wettbewerb begünstigen sowie Eigentum und Sicherheit garantieren. Darüber hinaus würde er das Verhalten der Bürger über verursachergerechte Gebühren steuern. Auf Subventionen würde er dagegen weitgehend verzichten.

Damit die Staatsaufgaben nicht ausufern, könnte laut dem Ökonomen eine Obergrenze für die Höhe der Staatsquote oder eine maximale Steuerbelastung festgelegt werden. «Es ist wichtig, dass auch ein demokratischer Staat sich Leitplanken gibt», findet Schiltknecht, «denn häufig sind sich die Bürger nicht bewusst, dass eine zu hohe Staatsquote, zu viele Regulierungen oder zu hohe Steuern zu einer Abwanderung der Unternehmungen in attraktivere Wirtschaftsregionen führen.» Das habe ein Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand zur Folge. «Bis aber solche Fehlentwicklungen politisch korrigiert werden, dauert es oft viele Jahre», glaubt Schiltknecht. «In der Zwischenzeit leiden die wirtschaftlich Schwächs-ten der Gesellschaft am meisten.»

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Bereits erschienen sind die Reformideen von Walter Wittmann, emeritierter Professor der Uni Freiburg («Handelszeitung» Nr. 27), George Sheldon, Professor der Uni Basel (Nr. 28), Heinrich Brändli, emeritierter Professor der ETH Zürich (Nr. 29), Glücksforscher Bruno S. Frey (Nr. 30), Heidi Schelbert, emeritierte Professorin für Volkswirtschaftslehre (Nr. 31), Bernd Schips, emeritierter Professor der ETH Zürich (Nr. 32), Thomas Held, Direktor Avenir Suisse (Nr. 33), Aymo Brunetti, Chefökonom des Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco (Nr. 34) und Robert Nef, Leiter Liberales Institut (Nr. 35). Nächste Woche erscheinen die Reformideen von Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes HWWI.

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Fakten

Zur Person

Kurt Schiltknecht: Er ist unter anderem BZ-Bank-VR und Präsident von Intershop. Schiltknecht ist ausserordentlicher Professor an der Universität Basel. Kürzlich erschienene Publikationen sind: «Corporate Governance: Das subtile Spiel um Geld und Macht» und «Was vermag Ökonomie?»

Die Rolle des Staates

Die Probleme: Der Staat hat immer mehr Auf- und Ausgaben. So ist die Staatsquote seit 1990 von 32 auf 39% angestiegen. Die Ausgaben für die soziale Sicherheit sind in der gleichen Zeit von 19,7 auf über 28,6% des BIP geklettert. Gegenmassnahmen wie die 5. IV-Revision oder die laufende KVG-Reform zeigen nur bedingt Wirkung.

Schiltknechts Lösungen



• Schaffung von Normen für gute Wettbewerbsbedingungen;

• Privatisierung staatlicher Dienstleistungen;

• Abschaffung von Subventionen;

• Einführung von verursachergerechten Gebühren;

• stärkere Privatisierung bei den Sozialwerken;

• Beschränkung der Staatsaufgaben und -ausgaben via maximale Staatsquote oder Steuerbelastung.