Die alte, gepflästerte Passstrasse über den Gotthard wird kaum noch befahren. Der Strassentunnel bietet den eiligen Automobilisten längst den raschen Trip durch das Alpenmassiv. Nur einige Touristen wählen den Umweg über die Schöllenen, hinauf zum Hospiz. Kurz vor der Passhöhe passieren sie einen Parkplatz, der diskret mit dem Wegweiser «La Claustra» ausgeschildert ist. Ausser einem mannshohen Tor, direkt unterhalb einer Felspartie, ist allerdings in diesem Ödland nichts zu sehen, schon gar nicht ein Kloster, wie uns der rätoromanische Begriff eigentlich weismachen will. Gut 300 Schritte im Berginnern treffen wir den Künstler Jean Odermatt mitten in seinem nachmodernen Kloster.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Funkstille für Handys

Der Gotthard ist dem Fotografen und Soziologen aus der Innerschweiz schon in jungen Jahren ans Herz gewachsen. Über 20 Jahre hat er auf der Passhöhe im Sommer und Winter die Natur beobachtet. Und da hatte er die frivole Idee, so etwas wie «ein modernes Kloster» zu realisieren. «Die wenigsten haben daran geglaubt», erinnert sich der gebürtige Luzerner. Mit einer Anschubfinanzierung aus der Winterthurer Volkart Stiftung und der Unterstützung durch das Militärdepartement VBS wurde das ehemalige Artilleriewerk San Carlo, eines der ersten Reduit-Bauwerk aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, in das Seminarhotel «La Claustra» umgewandelt.

Der Tagungsort tief im Berg soll nach dem Willen von Jean Odermatt nicht zu einem Rummelplatz für vobeifahrende Touristen und Ausflügler werden. Das unterirdische Territorium mit einer Fläche von 4000 m2 ist viel eher als Forschungs- und Kommunikationszentrum zu verstehen. «Wer sich über Stunden hinweg im Innern aufhält, der fällt aus den Koordinaten von Raum und Zeit», sagt Odermatt. Mitten in einer Felskaverne zu sitzen, um sich nur das Tropfen des Quellwassers, das fördert die Konzentration. Ablenkung gibt es nicht, die persönlichen Handys signalisieren vielsagend Funkstille.

Dieses spezielle Ambiente hat den Selfmademan aus dem Unterland auch zu kreativen Versammlungsformen animiert. Er wollte Tische nicht nur für Sitzungen, sondern auch für Stehungen. Zusätzliche Elemente, ausgerüstet mit Schiefertafeln, sind dazugekommen. «Die Teilnehmer sollen ihre Gedanken spontan aufschreiben und nicht nur passiv eine Power- Point-Präsentation erdulden», begründet Odermatt seine Seminarphilosophie. In der Abgeschiedenheit von «La Claustra» sieht er den idealen Raum für Retraiten, die sich mit dem Teambildungsprozess, Cultural Change und der Strategieentwicklung befassen. Seit gut zwölf Monaten pilgern Leute aus Wirtschaft und Verwaltung in diese hochalpine Seminarstätte. Die Höhlenstimmung prägt sich ein. «Die Räume klingen nach», erinnerte sich ein Teilnehmer noch Wochen später.

Dachmarke «San Gottardo»

Für Odermatt ist «La Claustra» nur der Anfang in seinem GotthardProjekt. Er möchte die Dachmarke «San Gottardo» neu etablieren und das Gebiet rund um den Passübergang mit den vier benachbarten Haupttälern mit einbeziehen. Dabei erhält er Unterstützung durch den Bund und die angrenzenden Kantone Uri, Tessin, Wallis und Graubünden. Zu diesen Plänen gehören neue Besichtigungs- und Begehungsmöglichkeiten für die zahlreichen Forts zwischen dem Gotthard-Eisenbahntunnel und dem Gotthard-Hospiz, ergänzt um Projekte in der Tremola oder an den Pässen Furka und Susten. Bereits vor Jahresfrist wurde mit dem Umbau einer zweiten grossen Festungsanlage auf dem Gotthard begonnen. Das frühere Artilleriewerk «Sasso da Pigna» wird in einen modernen Ausstellungs- und Themenpark verwandelt. Ab 2007 sollen die Besucher mit neuartigen audiovisuellen Techniken über die Besonderheiten des «San Gottardo» informiert werden. Zudem entsteht eine grosse Felsentherme, die als Anziehungspunkt für die gesamte Region dient.

Mehr Zimmer geplant

Im Seminarhotel «La Claustra» wird die Infrastruktur innerhalb der nächsten zwei Jahre ebenfalls erweitert. Zu den bereits bestehenden 17 Zimmern kommen nochmals gleich viele dazu. In der ursprünglichen Anlage sind die Nasszonen von den Schlafräumen getrennt. Nun entstehen am Eingang zusätzliche Zimmer, die nebst Dusche, Bad und WC auch über einen Glasdurchblick an der Decke verfügen. Das eröffnet vom Bett aus die Sicht bis zur felsigen Kavernenwölbung.

Die hohe Medienpräsenz hat dem Hotelbetrieb auf dem Gotthard bereits eine ansehnliche Nachfrage gebracht. Künstler Odermatt jedenfalls gibt sich optimistisch: «In zwei Jahren haben wir Wartelisten.» In Verbindung mit der neuen Felsentherme soll «La Claustra» dannzumal auch gastronomisch einheitlich betreut sein. Der Initiant des Gotthardprojektes denkt auch über eine Verlängerung der Saison nach. Derzeit öffnet das Seminarhotel jeweils im Mai, wenn die Gotthard-Passstrasse freigegeben wird. Fallen Ende Oktober die ersten Schneeflocken, ist Schluss. Das Interesse für eine Nutzung von «La Claustra» auch im Winter ist vorhanden. Nun wird erwogen, ab Hospental eine Schneepiste zu präparieren, die einen Zugang per Schneeschuhe oder Skis innerhalb von zwei Stunden ermöglichen würde. Für eilige Gäste und den Gütertransport würde ein Snowmobil zur Verfügung stehen.

Ideales Werbesujet

Für Schweiz Tourismus ist das Seminarhotel in einem früheren Reduit der Armee ein ideales Werbesujet. Ein vergleichbares Objekt gibt es weltweit nicht. Typisch war auch die erste Tagung: Während einer Woche versammelten sich Wissenschafter auf Einladung des Instituts für theoretische Informatik der ETH Zürich zu einem internationalen Symposium. Das war beste «Mund-zu- Mund-Propaganda» für das nachmoderne Kloster namens «La Claustra».



La Claustra

Adresse: Jean Odermatt, La Claustra, San Gottardo, 6780 Airolo, Tel. 091 880 50 55

Seminarpauschale: 325 Fr. pro Person/Tag, inkl. Übernachtung, Frühstücksbuffet, Kaffeepausen, Mittagessen, Nachtessen, Benützung Wellnessbereich. Tagespauschale ohne Übernachtung 130 Fr. pro Person inkl. Kaffeepausen und Mittagessen.

Raumangebot: 6 Seminar- und Konferenzräume, 25 m2 bis 300 m2 Fläche, bis 350 Teilnehmer.

Internet: www.claustra.ch