Auch wenn noch nicht feststeht, wie die künftigen Regierungen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am Ende aussehen werden, so lassen sich fünf Trends aus den Ergebnissen der Landtagswahlen bereits heute ablesen:
Charakter der Volksparteien ändert sich
Dass CDU und SPD tendenziell Wähler verlieren, war in einer Zeit sinkender Wählerbindungen an Parteien eigentlich erwartet worden, vor allem wenn im Bund eine grosse Koalition regiert. Die Bundestagswahl sorgte mit ihrem 41,5 Prozent-Ergebnis für die Union eigentlich für einen Ausreisser.
Nun haben die drei Landtagswahlen gezeigt, dass offenbar derzeit nur noch die CDU in der Fläche den Charakter einer echten Volkspartei hat. Sie schafft in allen Flächenländern mindestens über 20, meist um die 30 Prozent. Die SPD hat diesen Anspruch den Zahlen nach zwar weiter im Bund und einigen Bundesländern, sackt aber nun in bereits vier Flächenländern (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg) in Richtung zehn Prozent.
Die Grünen wiederum sind offenbar in Baden-Württemberg am Sonntag eine Volkspartei geworden, die breite Wählerschichten an sich binden kann - aber eben nur dort, was auf die Person Winfried Kretschmann zurückzuführen ist. Im Osten kommen dazu noch die in Thüringen den Ministerpräsidenten stellende Linkspartei - und in Sachsen-Anhalt nun auch die AfD. Allerdings nur dort.
Der Osten tickt anders
25 Jahre nach der Einheit scheint sich die Kluft zwischen Ost und West zumindest politisch wieder zu vertiefen. Dies wird nicht nur an den sehr unterschiedlichen Wahlergebnissen der AfD deutlich, sondern auch in Aussagen der Wähler zur Flüchtlingskrise.
In Sachsen-Anhalt punktete neben der AfD auch die CDU, die dort eine wesentlich härtere Linie will als die Bundes-CDU. In ZDF-Umfragen gaben Wähler im Südwesten dagegen mehrheitlich an, den Flüchtlingskurs der Kanzlerin richtig zu finden.
Zählt nur der Kandidat?
Rein programmatisch aufgestellte Parteien scheinen in Krisenzeiten offenbar weniger zugkräftig zu sein. Sowohl Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) als auch seine rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer (SPD) kopierten den Stil von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestagswahlkampf 2013.
Alle setzten auf eine sehr stark auf die Person fixierte Kampagne. In allen drei Ländern behaupteten sich am Sonntag die Amtsinhaber, auch in Sachsen-Anhalt. Der Amtsbonus setzte sich durch.
Koalitionsbildungen verändern sich
Offenbar scheint sich die relativ stabile Zeit der Koalitionsbildungen auf Bundes- und Landesebene in Deutschland mit zwei Parteien dem Ende zu nähern. In Baden-Württemberg erzielten CDU und SPD erstmals in der bundesdeutschen Geschichte keine ausreichende Mehrheit für ein Bündnis auf Landesebene mehr.
In Landtagen wie in Sachsen-Anhalt sind nur noch Dreier-Koalitionen denkbar. Diese wurden früher eigentlich nur als Notlösungen eingegangen, um eine grosse Koalition aus Sozial- und Christdemokraten zu verhindern.
Hohe Wahlbeteiligung nützt nicht immer der Mitte
Die tendenziell abnehmende Wahlbeteiligung in Deutschland wurde über Jahre als Krisenzeichen gewertet. In Sachsen-Anhalt etwa startete die Landesregierung deshalb sogar eine Aktivierungskampagne für Nichtwähler - mit einem nicht erwarteten (und erhofften) Effekt: Ausgerechnet bei einer steigenden Wahlbeteiligung erzielte die AfD nun ihr stärkstes Ergebnis.
«Wir haben die Wähler zurück an die Wahlurnen geholt», sagte AfD-Chefin Frauke Petry selbstbewusst. Der Sonntag widerlegte nach den Analysen der Wahlforscher die bisherige Annahme, dass vor allem etablierte Parteien der Mitte von hohen Wahlbeteiligungen profitieren.
(sda/ccr)