Mit Staatsgeldern allein können Universitäten wichtige Forschungsfelder nicht besetzen. Sie bauen deshalb verstärkt auf Spender und Sponsoren. Beispiel ETH Zürich: Hier sammelt eine Foundation Geld für Forschung und Lehre. Das Vermögen ist inzwischen auf rund 70 Mio Fr. angewachsen – 40% mehr als noch im vergangenen Jahr. Spendengeld wird unter anderem in Lehrstühle gesteckt. Sie sucht zurzeit Geldgeber für drei neue Lehrstühle. Forschungen zu erneuerbaren Energien und Hochspannungstechnik sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
Drittmittel stärken Forschung
Foundation-Geschäftsführer Donald Tillman sieht die Spendersuche pragmatisch: «Beide Seiten profitieren.» Die ETH könne sich in zukunftsträchtigen Fachbereichen weiterentwickeln. Und die Wirtschaft sichere sich mit ihrem finanziellen Engagement gut ausgebildeten Nachwuchs und Innovationen. Mit Firmen zusammenspannen, heisse deshalb auch, die Bedürfnisse der Praxis zu erkennen. Aktuelles Beispiel: 2 Mio Fr. hat Sika, eine Firma der Spezialitätenchemie, gespendet, um die Materialforschung an der ETH zu unterstützen (siehe «Nachgefragt»).
Privatwirtschaft, Stiftungen, Legate: Auch die Uni Zürich könnte ohne Drittmittel wichtige Forschungsarbeiten nicht anpacken. Am gesamten Budget der Uni Zürich machen Drittmittel inzwischen fast 19% aus. Der Anteil stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Besonderheit bei den gesponserten Lehrstühlen: Die Bonizzi-Theler-Stiftungsprofessur für Molekulare Radiobiologe teilt sich die Uni Zürich mit der ETH.
Die grösste Erfahrung mit gesponserten Professuren hat die Universität Basel. Die Spendersuche gehört seit Jahren zum täglichen Geschäft. 28 Professuren aus praktisch allen Fakultäten sind derzeit ganz oder teilsweise aus Drittmitteln finanziert. Das Geld stammt von Firmen wie Novartis oder Roche, aber auch von Stiftungen und Privatpersonen, «die zum Teil keine Publicity wünschen», betont Beat Münch, Adjunkt des Rektors. Die Uni Basel will den Anteil an Drittmitteln noch steigern.
HSG setzt Spielregeln
Gut die Hälfte ihres Budgets bestreitet die Universität St. Gallen (HSG) aus Drittmitteln. Neuestes Projekt: Mit Spendengeldern soll die Handicap-Forschung etabliert werden. Tragender Eckpfeiler ist an der HSG die Auftragsforschung. «Wir sind uns bewusst, dass Partnerschaften mit privaten Geldgebern auch heikel sein können», sagt HSG-Sprecher Marius Hasenböhler. Deshalb sei es wichtig, mit Sponsoren Spielregeln zu vereinbaren. Zwei der wichtigsten Grundsätze: Der Lehrstuhl wird gesponsert, und nicht die Person, die ihn besetzt. Und: Wer Stiftungsprofessor wird, bestimmen die Hochschulgremien. «Eine gesponserte Professur ist kein verlängerter Arm der Forschungs- und Entwicklungsabteilung einer Firma», betont auch Daniel Odermatt, Verwaltungsdirektor der Uni Bern.
«Die Wirtschaft weiss, was akademische Freiheit bedeutet und respektiert sie», sagt Rudolf Walser vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Er wünscht sich einen unverkrampfteren Umgang mit Sponsoring: Es gehöre zwar nicht zu den unmittelbaren Aufgaben von Unternehmen, Lehrstühle zu finanzieren. Dennoch werden Hochschulen künftig noch mehr auf neue Finanzquellen angewiesen sein. Er widerspricht der Ansicht, den jeweiligen Branchen gehe es dabei nur um den eigenen Nachwuchs. «Zahlreiche Firmen engagieren sich auch in Fachbereichen, aus denen sie keinen direkten Nutzen ziehen.»
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Nachgefragt, Ernst Bärtschi: «Geografische Nähe ist von grossem Vorteil»
Der CEO von Sika sagt, was er sich von der Zusammenarbeit mit der ETH erhofft.
Was erwarten Sie von Ihrem Sponsoring-Engagement an der ETH Zürich?
Ernst Bärtschi: Wir erwarten von unserem neuen Engagement eine raschere Bereitstellung von Kapazitäten, weil die Finanzierung von Projekten vorgängig sichergestellt wurde. Innovation ist für Sika entscheidend.
Wie zeigt sich das?
Bärtschi: Daran, dass wir mit Ulrich W. Suter einen ETH-Professor in unserem Verwaltungsrat haben. Die ETH ist die Forschungsstelle in der Schweiz mit dem besten Leistungsausweis in unseren Forschungsbereichen. Die fachliche und geografische Nähe kann zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Vorteilen für beide Parteien führen, insbesondere wenn mit unserem Engagement Lösungen unbürokratisch und rasch gefunden werden können. Ausserdem kann Sika dem akuten Mangel an Ingenieuren und Chemikern entgegenwirken und geeigneten Kandidaten die Sika näher bringen.
Wie umgeht Sika Interessenkonflikte?
Bärtschi: Sika hat in der reinen Grundlagenforschung beschränkte Kapazitäten und ist somit daran interessiert, mit erstklassigen Universitäten zusammenzuarbeiten. Wir tun dies übrigens auch in anderen Ländern wie zum Beispiel in den USA, in Deutschland, Spanien, Frankreich, China oder Indien. Interessenkonflikte mit unseren eigenen Forschern gibt es dann keine, wenn die Universitäten die Forschungsaufträge in guter Zusammenarbeit und in Ergänzung vorhandener, beschränkter Kapazitäten zeitgerecht erfüllen können.
2 Mio Fr. als Engagement für die ETH bei einem Umsatz von 4 Mrd Fr. scheint wenig. Werden Sie noch weiter in die Hochschulforschung investieren?
Bärtschi: 2 Mio Fr. scheint wenig im Vergleich zu unserem gesamten Forschungsbudget. Aber die ETH ist nicht die einzige Universität, mit der wir zusammenarbeiten, und weitere Gelder können gesprochen werden, falls sich die Zusammenarbeit als fruchtbar erweist.
Interview: Gabriela Weiss
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Die Studierenden: Immer mehr an Unis und Fachhochschulen
Hochschulen: An den Schweizer Universitäten und ETH steigt die Zahl der Studierenden kontinuierlich: Während 2002 erst 105000 Personen studierten, waren es 2006 bereits 115000 (+10%). Die Zahl der Eintritte in die herkömmlichen Hochschulen (kantonale Universitäten und ETH) hat gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) seit 1990 um 19% zugenommen und erreichte im Wintersemester 2005/06 16500; gemäss Studierendenprognosen wird sie bis 2015 auf 19000 ansteigen. An Fachhochschulen oder Pädagogischen Hochschulen haben im Wintersemester 2005/06 rund 15400 ein Studium aufgenommen.
Fachhochschulen: Auch die Zahl der Studierenden an den Schweizer Fachhochschulen steigt: 2002 studierten gemäss BFS rund 38000 Personen, 2006 waren es 150% mehr (57000). 2006 traten 15400 Studierende in eine Schweizer Fachhochschule ein. Die Fachhochschulen stellen heute knapp 50% aller Eintritte. Die Prognosen sehen eine Zunahme auf 18000 bis ins Jahr 2015.
Hochschulreform: Bologna bringt mit sich, dass zwei neue Studiengänge einen langen ersetzen. Der Bachelor dauert in der Regel drei Jahre, ein Master ein bis zwei Jahre. Seit dem Wintersemester 2006/07 besuchen alle Studierenden, die an einer universitären Hochschule ein Studium aufnahmen, einen Bachelorstudiengang, mit Ausnahme des Medizin-Studiums. Bis 2011 werden 95% aller Studierenden in den zweistufigen Studiengängen studieren.
Neue Studiengänge: Mit der Hochschulreform entstehen neue Master-Studiengänge. So bietet zum Beispiel die ETH Zürich ab diesem Wintersemester acht neue Studiengänge an. Die Studierenden können aus 34 verschiedenen Master-Programmen auswählen.
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Die Hochschulen: Das ist die Schweizer Bildungslandschaft
Hochschulsystem: In der Schweiz gibt es zehn kantonale Universitäten (Neuenburg, Freiburg, Lausanne, Genf, Bern, Zürich,
St.Gallen, Basel, Luzern, Svizzera italiana), die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen (Lausanne und Zürich), die Pädagogische Hochschule St. Gallen und acht vom Bund anerkannte Fachhochschulen (Bern, Suisse occidentale, Nordwestschweiz, Zentralschweiz, Ostschweiz, Zürich, Université professionnelle de la Suisse italienne und Kalaïdos).
Fachhochschulen: Die Hochschulausbildung wurde vor zehn Jahren mit der Gründung der Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen diversifiziert. Vergangene Woche fusionierten vier Schulen: Neu bildet die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften 6000 Studenten aus und hat ihre Standorte in Winterthur, Zürich und Wädenswil.
Finanzierung: Anders als Economiesuisse ist der Branchenverband Swissmem der Ansicht, dass Lehrstuhl-Finanzierung an öffentlichen Hochschulen prinzipiell Sache des Staates ist. In der Industrie sei es jedenfalls nicht Brauch, Lehrstühle zu sponsern, betont Swissmem-Bildungsexperte Peter Stössel. Gleichzeitig ortet er an Unis aber einen Mangel an Lehrstühlen für Elektro- und Energietechnik.
Forschungsplatz: Schweiz Laut Bundesamt für Statistik erreicht bei den F+E-Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung – kaufkraftbereinigt – die Schweiz einen Spitzenplatz unter den OECD-Ländern. Die gesamten Ausgaben für F+E sind von 8,3 Mrd Fr. im Jahr 1989 auf 13,1 Mrd Fr. im Jahr 2004 gestiegen.