Wer sich über den Benzinverbrauch seines Autos ärgert, mag sich damit trösten, dass es kein Dampfschiff ist. Das Dampfschiff «Stadt Luzern» verbraucht auf seiner sechsstündigen Fahrt von Luzern nach Flüelen retour 2000 l Heizöl. Es erstaunt nicht, dass seine Besitzerin die grossen Schaufelräder dieses charmanten Treibstofffressers mit einem anderen Treibstoff als dem kostbaren schwarzen Gold bewegen möchte. Neben ökologischen Gründen motivieren heute vor allem die Kosten zur Suche nach Alternativen. Alles in allem schlucken die fünf Raddampfer und die 15 Salonschiffe der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV) jährlich 3 Mio l Diesel und Heizöl.
Eine technische Lösung für einen der Raddampfer wurde in der hauseigenen Werft bereits erarbeitet. Ab Herbst 2008 wird die «Unterwalden» für rund 10 Mio Fr. saniert und man hofft, nach der Wiederinbetriebnahme im Frühling 2011 dieses Schiff mit Erd- und Biogas betreiben zu können. Im Moment ist dieser Plan indes gefährdet. Das Bundesamt für Verkehr stellt sich auf den Standpunkt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine solche Umstellung fehlten und erteilte dem Gesuch eine Absage. Stefan Schulthess, CEO der SGV, äussert sich diplomatisch: «Wir bedauern diesen Entscheid. Umso mehr, als dass er juristisch und nicht technisch begründet ist. Auch steht dieser negative Entscheid im Widerspruch zur Klimapolitik der Schweiz.»
Glücklicherweise trifft seine Firma nicht in allen Bereichen ein so steifer Gegenwind. Wer aber glaubt, im Schweizer Touristen-Mekka Luzern ström-ten die – vor allem ausländischen – Passagiere quasi von alleine auf die Schiffe, irrt. Rund 80% der Passagiere sind Schwei-zer, und der Schweizer Markt auf den grösseren Seen, der von 16 Gesellschaften bearbeitet wird, ist hart umkämpft. Zwar sei der Standort Luzern tatsächlich mit einigen Vorteilen verbunden, räumt Schulthess ein, man erfreue sich an der Schönheit der Natur oder an der Historik der Region. «Die Rahmenbedingungen sind gewiss besser als auf anderen Seen.»
Mehr als 50 Prozent gewachsen
Auch sei das Hauptprodukt der SGV der «ganz traditionelle Ausflug»: Die Schifffahrt zu den Bergbahnen, zur Tellsplatte, auf das Rütli oder zu den Ferienorten am See. Um die diversen Zielgruppen zur Schifffahrt zu bewegen, braucht es dennoch erhebliche Marketinganstrengungen. Die SGV bietet denn auch eine ganze Palette von unterschiedlich langen Fahrten, gastronomische Events, Tagungen auf See, Familien-, Sonnenuntergangs- sowie Extrafahrten. Ein «Bordmagazin» liegt in den Schiffen auf, Dampferfreunde finden auf der Homepage Attraktionen wie die Hörnerklänge aller Schiffe, und neuerdings können die Fahrten der «Stadt Luzern» via Webcam oder die grosse Dampferparade vom letzten Frühling via Kurzfilm auch von zuhause aus genossen werden.
Die SGV gilt in der Branche als Trendsetter und wirkt trotz des hohen Alters alles andere als verstaubt. Auch das enorme Wachstum von mehr als 50%, das die Firma in den vergangenen zwei Jahren erfahren hat, kann als das Resultat von mutigen und auch innovativen Schritten gelten. Mit dem Entscheid, in der eigenen Werft nicht nur flotteneigene Schiffe zu unterhalten, sondern auch Schiffe zu bauen, hat die Gesellschaft einen ganz neuen Weg eingeschlagen.
Gegenwärtig liegt im Trockendock der Rumpf des nächsten Flottenmitglieds: Ein Katamaran für 300 Personen. «Alles aus unserem Haus, von den Plänen über die Konstruktion bis zur Technik», sagt Schulthess. In Zukunft könnten auch hochseetüchtige Schiffe gebaut werden, nicht nur Fahrgastschiffe, sondern auch Motorjachten für finanzkräftige Eigner, die für Präzision und Qualität Schweizer Preise zu zahlen gewillt sind. Bei den mehrjährigen Wartezeiten, die für solche Schiffe in europäischen Werften gegenwärtig bestehen, haben Nischenanbieter gute Chancen, selbst wenn sie weit ab von der Meeresküste produzieren.
Selbst in die Hand genommen
Ebenfalls massgeblich beigetragen zum Wachstum hat die vor zwei Jahren gegründete Tochtergesellschaft Tavolago, mit der die SGV die Gastronomie auf den Schiffen selbst in die Hand nahm. Damit ist die SGV, die im Gegensatz zu vielen anderen Gesellschaften auf Schweizer Seen ein Ganzjahresbetrieb ist, von einem kleinen zu einem mittleren Unternehmen gewachsen.
Schulthess, der sehr pragmatisch wirkt, bemüht sich, die Mitarbeitenden in Entscheidungen einzubinden und vor allem: Sie ihre Arbeit im Rahmen der Ziele selbstständig tun zu lassen. «Möglichst viel Gehirnschmalz erhöht die Chance, dass wir das Richtige tun», erklärt er lachend.