Hier wird in der oberen Liga gespielt. Schon die Vorfahrt zum Sitz von Arthur D. Little (ADL) an der Seestrasse in Wollishofen verspricht einen angemessenen Empfang. Das Bürohaus selber hat privaten Seeanstoss. Zwar ist es eine ehemalige Sonnencrème-Fabrik, aus der Zeit, als das Seeufer noch den Werkstätten und Abfalldeponien vorbehalten war, weil Wohnen am See doch feucht und windig war. Mittlerweile ist die Fabrik von der Stadt vermietet, grosszügig renoviert, und wer hier zu einem Meeting oder einer Netzwerkveranstaltung eingeladen ist und in der Pause durch den kleinen Privatpark am See schlendert, weiss, dass er bei dieser Consulting-Gruppe in guten Händen ist, in erfolgreichen Händen.

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Leo Brecht, der Managing Director des Schweizer Ablegers, hat sein Büro mit Bedacht so gewählt, dass sein Blick aus dem Fenster nicht auf die Weite des Zürichsees hinausgleitet. Zu sehr wäre er versucht, das Bild der Wolken und der Wellen zu analysieren, die Windverhältnisse zu prüfen und in Gedanken die Sturmfock zu setzen, hart an den Wind zu fahren und zu schauen, ob er der Konkurrenz nicht noch ein paar Meter mehr abnehmen kann. Brecht ist leidenschaftlicher Segler. «Teamspirit, Technologie, Risiken abschätzen, Sie kennen die Faszination?»

So ist sein Büro vor Ablenkung gesichert, und sein Ehrgeiz konzentriert sich auf die Windverhältnisse auf seinen Clipboards: Organigramme, Strategien, Analysen, darunter hingemalt zwei kleine Männchen. «Mein kleiner Sohn war hier.»

20 Prozent mehr Umsatz

Leo Brecht ist seit Mai dieses Jahres Managing Director von Arthur D. Little Switzerland (ADL), der Nummer drei der hiesigen Beraterbranche. Vor zwei Jahren ist er als Partner zum Unternehmen gestossen und hat nun das Ruder übernommen. Kommt er als Chef noch zum Segeln? «Ja, es bleibt noch Zeit dazu, aber es braucht Disziplin, denn die Arbeit ist schon extrem faszinierend.»

Der Wind steht gut, das Bedürfnis nach Beratung nimmt wieder zu, einer der Konkurrenten hat sich in den USA in den Schoten verheddert, und ADL setzt mit 20% Umsatzsteigerung in den letzten zwölf Monaten die Marke, die es einzuholen gilt. «Ist nicht schlecht für den Anfang, oder?»

Der Start ist geglückt. Aber Leo Brechts Ausstrahlung lässt vermuten, dass er seinen Konkurrenten auch im weiteren Verlauf dieser Hausse alles abringen wird. Auch seinen Leuten?

«Natürlich müssen wir hier alle Vollgas geben. Wir wollen wachsen», sagt er. «Wir fordern uns gegenseitig, das ist Kultur im Hause.» Arthur D. Little hat weltweit einen beachtlich ehrgeizigen Wachstumsplan, das Netzwerk will seinen Umsatz bis 2009 verdreifachen. «Wachstum ist in dieser Branche an sich ein Ziel. Dadurch wird es möglich, viele Industrien mit inhaltlicher Tiefe abzudecken. Vom Innovations- und Technologiemanagement kommen wir her, und gerade in der Schweiz gilt es, den Innovationsmotor durch neue Strategien anzukurbeln. Unternehmen werden damit in die Lage versetzt, ihre Wettbewerbs- und Standortvorteile auszubauen. Hinzu kommt der Bedarf an Komplexitätsmanagement, ausgelöst durch Produktevielfalt, verteilte und globale Prozesse, neue Technologien und Risiken. Hier sind Lösungen gefragt, damit Komplexität beherrschbar wird.» Kein Zweifel, Brecht hat die Wetterlage studiert. «Wir sind gut vorbereitet.»

Noch immer mit der Uni verbunden

Noch am Ende seines Studiums wusste Leo Brecht nicht einmal, was ein Berater ist. Brecht hatte Wirtschaftsmathematik studiert und in seiner Dissertation über «Multivariate Verweildauer-Modelle» geforscht. Ziel war es, herauszuschälen, nach welchen mathematischen Regeln Unternehmen Veränderungsprozesse angehen. «Mich interessierten weniger die Soft Factors von Unternehmen als vielmehr Fakten und Zahlen.» Nach seiner Dissertation stieg er in die Industrie ein, wurde Head of Business Information Technology bei AEG. Aber nach zwei Jahren nahm er den Hut. «Es war mir zu wenig», sagt er. Und sein Ton lässt vermuten, dass ihm hier zu wenig die Post abging. Ist er ein ungeduldiger Mensch? «Klar, bin ich ungeduldig. Mir geht vieles zu langsam. Aber es braucht viel, bis ich ausrufe.» Geduld in der Ungeduld?

Brecht wechselte zurück an die Uni St. Gallen und wurde Leiter des Forschungsprogramms «Business Engineering», das bei grossen Schweizer Firmen untersuchte, mit welchen Methoden sich Unternehmen neu ausrichten. Hier öffnete sich dem Ungeduldigen plötzlich ein grosses, noch unerforschtes und vor allem unbefahrenes Gewässer. «Dieses Forschungsprogramm war ein Glücksfall», sinniert er. «Für eine Karriere braucht es Ehrgeiz und Ambitionen, Bildung und Leistung. Aber es braucht auch Glück.» Brecht erhielt Einblick in die Veränderungsmethoden der Unternehmen, sah schnell, welche Methoden funktionierten und wo guter Rat teuer war. «Die Publizität und die Resultate der Untersuchung haben mir sehr geholfen», sagt er. Überall hat er dadurch veränderungs- und gestaltungswillige Manager kennen gelernt und sich ein Netzwerk geknüpft, das heute noch verbindet. Wie von selbst kamen fortan Beratungsanfragen von Banken und Versicherungen und anderen renommierten Industrien, plötzlich ging die Post ab.

Es folgten sechs Jahre Beratung bei Arthur Andersen, und Brecht arbeitete schwerpunktmässig in den Industrien Health Care und Financial Services. Der Uni St. Gallen blieb er aber als Privatdozent verbunden. Noch heute unterrichtet er die Studenten in Strategie-Entwicklung und doziert innerhalb eines MBE-Lehrgangs jeweils eine Woche über Prozessmanagement. Quasi aus der Erfahrung heraus. «Die Arbeit an der Uni ist mir sehr wichtig. Die Studenten sind extrem wissbegierig und hoch motiviert.» Und für ihn eröffnen sich Gelegenheiten für Recruitment.

Im CD-Player warten die Wirtschaftsmeldungen

«Das Motivierende an der Beraterarbeit», sagt Leo Brecht, «ist der Erfolg. Wenn das, was in unseren Köpfen entsteht, umgesetzt wird, und der Kunde sagt: Es funktioniert, dann knallen innerlich die Korken.» Natürlich braucht es für diesen Job einen ungestümen Einsatzwillen. 16-Stunden-Tage sind die Regel. Mit seiner Partnerin, die ebenfalls als Managerin voll engagiert ist, versucht er, einen regelmässigen Abend pro Woche frei zu halten, mit wechselndem Erfolg. Das Privatleben konzentriert sich auf das Wochenende. Für Hobbys bleibt ausser fürs Segeln natürlich keine Zeit. Auf seinem Nachttisch liegt Wirtschaftsliteratur, im CD-Player seines BMW warten die neuesten Wirtschaftsmeldungen. Einmal die Woche werden 10 km gejoggt. «Es ist schon schwierig», sagt Leo Brecht, «dass einen die Faszination der Arbeit nicht auffrisst. Jedes Projekt ist kundenspezifisch, jede Herausforderung bringt eine neue Lösung.»

Aber zum Glück ist ja hie und da auch dieser Zweifel, der die Balance im Leben wieder herstellen will. «Manchmal», sagt Leo Brecht, «frage ich mich, wieso ich das eigentlich mache. Die Motivation für die Arbeit jedoch entspringt aus der Arbeit mit den Kunden, das entschädigt für vieles.» Und wenns trotzdem mal ganz strub kommt, dann geht Leo Brecht hinüber ins Sitzungszimmer, schaut ein paar Sekunden hinaus auf den See, sieht, wie Böen übers Wasser streichen und Wellen aufrauen, und er wirft ein paar Blicke auf die Wolken, um die Wetterentwicklung abzuschätzen. Letztes Jahr hat er in den Ferien Sardinien umsegelt. «Ist doch auch nicht schlecht, oder?»

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Business Engineering in Theorie und Praxis: Steckbrief

Name: Leo Brecht

Funktion: Managing Director Arthur D. Little, Switzerland

Alter: 43

Wohnort: Unterlunkhofen AG

Familie: Feste Beziehung, ein Sohn (8)

Karriere

1993 Leiter Forschungsprogramm HSG, seit 1999 Privatdozent

1997 Manager Arthur Andersen

2002 Partner Arthur Andersen

2003 Partner Arthur D. Little

2005 Managing Director, Mitglied der Executive Group Central Europe

Firma

Arthur D. Little ist ein weltweit operierendes Beratungsunternehmen mit über 80 Partnern und über 1000 Mitarbeitern. Arthur D. Little wurde 1886 in Cambridge, Massachusetts, von Arthur Dehon Little gegründet und entwickelte sich seither zu einem weltweit führenden Beratungsunternehmen für Management und Technologie. In der Schweiz ist ADL seit 1993 aktiv, heute mit fünf Partnern und 60 Mitarbeitern. Wichtige Branchen sind Telematik/Elek-tronik, Energie, Gesundheitswesen, Chemie, Reisen/Transport, Finanzdienstleister, der öffentliche Sektor, Detailhandel und die Industrie.