Im Ausland hat sich die Migros schon manche blutige Nase geholt. Neben dem Rückzug der M-Supermärkte in Süddeutschland und dem berüchtigten 300 Millionen Franken teuren «Österreich-Loch» bleibt auch der Abbruch des europäischen Fitnessgeschäfts in Erinnerung, was sich mit einem Verlust von über 100 Millionen Euro in den Büchern niederschlug.

Bedeuten solche Niederlagen, dass sich die Migros zwingend von ausländischen Aktivitäten fernhalten sollte? Nein. Wenn der orange Riese ennet der Grenze eine erfolgsversprechende Nische ausmacht und einen Weg findet, sich clever mit den dortigen Giganten anzulegen und dabei die eigene Marktmacht zu nutzen, soll das einen Versuch Wert sein. Zumal man auf Expansion vieles lernt, was auch zu Hause nützen kann. Kommt dazu: Wer unschweizerisch gross denken will, stösst im Heimmarkt schnell an Grenzen. Und muss zwangsläufig auch mal ins Ausland. 

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Zahlen zur Expansion? Black Box

Aktuell laufen noch zwei grosse Auslandkampagnen der Migros. Seit 2013 versucht die Genossenschaft Migros Zürich, mit der mittelgrossen Lebensmittelhändlerin Tegut in Deutschland auf einen grünen Zweig zu kommen. Zum anderen zog das Onlinewarenhaus Galaxus Ende 2018 los, um von Deutschland aus weitere europäische Länder zu erobern.

Bei Galaxus nimmt man – wie immer im hochkompetitiven Onlinebusiness – hohe Anfangsverluste in Kauf, um sich im optimalen Falle nach einer oder zwei Handvoll Jahren an der Spitze des Teilnehmerfelds zu positionieren und dann endlich Geld zu verdienen. Bei Tegut, einem Unternehmen, das von seiner Ausrichtung her gut zur Migros passt, wähnte man sich nach anfänglich harten Jahren auf gutem Weg, kam dann aber nach der Pandemie weniger gut auf Touren als die deutschen Konkurrenten.

Dass Tegut und Galaxus.de auf dem Weg zum erhofften Erfolg in den Anfangsjahren Geld verbrennen, wird jeder Mensch mit einem Unternehmer-Gen verstehen. Was für die Migros-Shareholder – also die Genossenschafterinnen und Genossenschafter – hingegen weniger verständlich ist: wie wenig man von der Migros darüber erfährt. Über die anfallenden Verluste im Ausland informiert der orange Riese proaktiv gar nicht oder dann nur sehr zurückhaltend. Ebenso wenig über Businesspläne, die grob aufzeigen, was man sich die Auslandfeldzüge maximal kosten lassen will.

Wer es in diesem Feld mit einer Black Box zu tun hat, ist nicht unbedingt dazu geneigt, hohes Vertrauen zu entwickeln. Wenn das Migros-Management mehr Rückhalt für seine Auslandfeldzüge haben will, müsste es genauer aufzeigen, zu welchen Bedingungen der Erfolg erkauft wird. Und wo man die Grenze zieht. Etwa nach der Devise: Lernen: Ja. Zu viel Lehrgeld bezahlen: Nein.

Andreas Güntert
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